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78 verfallen. Nun sagt zwar das Kriminalgesetzbuch, cs fei hierzu die Genehmigung des Appellazionsgerichts vöthlg. Aber wird diese so oft verweigert werden? Und dann — hei Vagabonden und Bettlern kann ja ohne Weiteres geprügelt werden. Man wird also wenigstens bei diesen freien Spielraum haben und ihn gewiß auch —benutzen. Fern sei es von uns, dem Bett ler das Wort reden zu wollen; wir sind dem Bettel- Wesen Feind, wie irgend Jemand. Aber wenn der arme Bettler ohne Weiteres geprügelt werden kann — so fragen wir, ist er denn nicht auch Mensch? Kann nicht vielleicht Jemanden die Noth gezwungen haben, vor die Thüren der Bemittelten zu gehen und die Barmherzigkeit anzusprechen? Und wird rin Solcher durch körperl. Züchtigung nicht zu empfindlich gestraft? Also, Ihr Herren Praktiker! Wir bleiben dabei, Eure Prügel sind keincswrges so „praktisch," wie Ihr vergebt, folglich auch nicht so nothwrndlg, wie Ihr unS glauben machen wollt. Wären sie eS aber auch in einzelnen Fällen d. h. wären sie in einzelnen Fällen rin passendes Mittel zum Zweck, in zrhn an dern werden sie eben so viel schaden. Oder wäre auch dies nicht, so bedenkt nur, daß Ihr einen Rück schritt auf dem Gewissen, eine dem Menschen ent würdigende Strafe eingesührt habt. Sagt immerhin, der gute Staatsbürger müsse mehr berücksichtigt wer den, als der schlechte. Der Gefallene bleibt auch ein Mensch. Das Gefühl verletzende, überhaupt zu strenge Strafen passen weder in unsere Zeit, noch erfüllen sie ihren Zweck. Sie erfüllen ihren Zweck nicht, sonst hatte man vor Zeiten, wo das Sacken, Mädern, Verbrennen und andere ähnliche Grausam keiten noch am Brete waren, gar keine Verbrechen haben müssen. Aber unser edler Landsmann, Korpzov in Leipzig, also ein einziger Richter, soll in seinem Leben allein 20,000 Tvdesurtheile gemacht haben! Grausame Strafen passen aber darum auch nicht in unsere Zeit, wo Aufklärung, Bildung und Gesittung schon zu einer höhern Stufe gediehen ist. Je mehr aber diese ge steigert wird, desto weniger bedürfen wir des Ein schreitens der Kriminaljustiz überhaupt. Die Prügelstrafe, wie sie in unserem Gesetze steht, ist aber auch ungleich. Sie soll nach dem Aussprüche des Gesetzes nur am männlichen Geschlechte vollzogen werden. Aber giebt es nicht Frauen, die die Männer an Bosheit übertreffen? Nun sagt man freilich, der weibliche Körper kann die Hiebe nicht vertragen. Aber wir sind überzeugt, daß es Amazonen giebt, die auch an Körperstärke dem Manne nichts nachgeben, und La ohnehin allemal der Arzt erst mit seinem Gut achten gehört werden soll, so scheint das Geschlecht so sich ein Abhaltungsgrund nicht zu sein. Oder hat man als Galanterie gegen bas schöne Geschlecht die Prügel nur für die Männer bestimmt? Einsender die ses nennt sich gern auch einen Verehrer der Frauen, auch ist er weit entfernt, sie mit Prügeln traktiren zu wollen, da er davon, wie dieser Aufsatz zeigt, überhaupt kein Freund ist. Aber eine Ungleichheit vor dem Gesetze bleibt es in seinen Augen doch, daß die körperliche' Züchtigung nur für Personen männ» lichen Geschlechts bestimmt worden ist. Nun wird man freilich fragen: wie war es denk» möglich, daß die Prügelstrafe, wenn sie so viel gegen sich hat, gesetzlich werden konnte? mit andern Worten, die Zustimmung der Kammern erhielt? DaS Volk muß also doch dafür sein. — Ja, antworten wir, bei der Art und Weise, wie die Kammern zusammengesetzt sind, war ein anderer Erfolg fast gar nicht zu erwar ten. — Aber wie?— fragt ihr weiter — ist man denn in Baiern gebildeter und weiter vorgeschritten? Dort hat die Regierung am letzten Landtage die kör perliche Züchtigung auch, nämlich als Strafe für ge ringe körperliche Mißhandlungen und zwar nur gegen „Gewohnhcitsraufer" d. h. gegen Solche, die schon 2mal wegen gehabter Schlägereien bestraft worden sind, ctnführen wollen. Aber die II. Kammer hat standhaft und zwar mit großer Mehrheit (69 gegen 25 Stimmen) erklärt, es sei auf das Strafmit tel der körperlichen Züchtigung überhaupt nicht einzugehcn *). Und in Würtemberg hat sich der Ausschuß (die Deputazion) bei der Begut achtung des Kriminalgesetz-Entwurfs ebenfalls gegen die Prügel und zwar sowohl als selbstständige Strafe, wie als Schärfungsmittel erklärt. Was die 11. Kam. auf dieses Gutachten gcthan, ist uns in diesem Augen blicke nicht genau erinnerlich. Aber glauben läßt sich bet dem Geiste, der in der Würtembcraschen U. Kam mer weht, daß auch sie gegen die Prügel sich ausge sprochen habe **). ') Nach dem Landtaglabschiede, über den sich überhaupt Manches sagen ließe, har jedoch Sc. Majestät „den Modi« sikazionen des Gesetzentwurfs über die Untersuchung und Bestrafung der geringern körperlichen Mißhandlungen seine Zustimmung nicht zu crthcilen vermocht," d. h. der Gesetz» rntwurf ist Entwurf geblieben und nicht zum wirklichen Gesetz geworden. Doch schreibt man unterm 25. Februar d.J. aus M ü n ch en: „Eine originelle Taktik der Regierung, „frühere Beschlüsse der Deputirlenkammcr wledcraufzuhc« „ben oder zu umgehen, ist durch die Ausschreibung wegen „Bestrafung körperlicher Mißhandlungen an den Tag ge» „kommen. Man hat alte Verordnungen hcrvorgcsucht, dem „Prügelshsteme wieder Anwendung zu verschaffen, wo cS „nur möglich oder, auf diese gestützt, nur zugänglich „ist."!!! D. Redakzion. ") Als Schärfung der Zuchthausstrafe hat die Kammer (mit 48 gegen 32 Stimmen) die körperliche Züchtigung beibehal« tcn, also^daS Gutachten des Ausschusses verworfen. Eben so bleiben die Prügel als Disziplinarstrafe beim Ar beitshaus. ' Bei ausländischen Bettlern und Vagabonden, denen Arbeitshausstrafe nicht über 1 Jahr zuerkannt ist, kann die ganze Strafe in Prügel verwandelt werd». Also— D. Redakziok.