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Da sah man die Herren Serbin»», StadtphisikuS, Stadt- Hauptmann, Stadtschreiber u, a. würdevoll einhrrschreiten. Sie waren durchweg alamodtsch gekleidrt. Den Glanz- punkt bildete aber die Damenwelt, die sich schon damals in den vorteilhaftesten Farben und Formen der Kleider zu repräsentieren wußte. Manch schöner hochsrisierter Mädchenkopf lugt« hinter dem großgeblümten Fächer her vor und blickte nach den eintretendrn jungen Herren. Emil befand sich bereit» auch unter der hier und da sich zu Gruppen vereinenden jungen Männerwelt. Er sah au» wie der junge rosige Tag, dem die anbrechendrn Winterstürme noch nicht» anhaben können. Wa» sollte er sich nicht auch glücklich fühlen? Hatte ihm doch vor einigen Tagen der Rattdiener ein rosafarbene» Briefchen von Juliane mit höchst wichtiger Miene übergeben und in dem Briefchen stand geschrieben, daß es sich am Kon- zertabrnd entscheiden würde. Der Baler sei zwar seit einigen Tagen ungemein ernst, da» sei er aber immer vor wichtigen Entschlüssen, auch hab« «r sich trotz eindringlich«: Bitten vonseiten der Mutter und Julianen» noch nicht näher ausgesprochen. Gerade aber sein lange» Schweigen lass« da» Best« hoffen. Sollte er sich da nicht glücklich fühlen. Er konnte da» Erscheinen Julianen» und ihrer Eltern kaum noch erwarten. Warum blieben sie nur so lange? — Di« jung«n Damen und die alten wohl noch mehr, flüsterten sich gegenseitig mancherlei Vermutungen von. wegen de» Frohsinn» Mitschke» in» Ohr; denn in einer Kleinstadt, wie Löbau mußte da» Verhältnis zwischen Emil und Julianen längst schon öffentlicher Geheimnis gewordkn sein. Daß da der Neid und dis Mißgunst nicht ausblieben, läßt sich denken, daß aber auch manche» Wort zu Gunsten de» Herrn Mitschke und Julianen» siel, wird auch nicht verwunderlich erscheinen. »Sollte mich aber doch Wunder nehmen", sagte di« wohlbeleibt« Frau Stadt» richtern Fr«nz«l zu der neben ihr sitzenden hageren Frau Stadtkämmerer Neumann, di« unter dem Spitznamen »die Wehklage" bekannt war, »wenn der gestrenge Herr Bürgermeister sein Ja und Am«n dazu geben sollte. »Ja, ich mag» auch nicht recht glauben", sagte Frau Advokat und Landrichter König bedauernd hinzu, »der arm«, jung« Mann, warum mußt« auch stine Wahl auf Juliane fallen, es gab doch noch manche» junge, hübsche Mädchen in unserer Stadt." »Da» wie deine sieben Töchter sehnlichst auf einen Freier wartete", wollt« die Frau Stadtrtchter mensch«nfreundlich im stillen hinzu - setzen, al» eine allgemrin« Bewegung im Saale entstand. Der gestrengt Herr Bürgermeister war in Begl«itung seiner Gemahlin und Fräulein Tochter «tngetreten. Aber wie bleich, wie bi» zum Tode betrübt sah Juliane au», auch die sonst so freundlich blickende Frau Bürgermeisterin zeigte »inen tiefernsten Gestcht»auSdruck. Nur da» g«. streng« Stadtoberhaupt bewahrte wie sonst dieselbe eisige Miene. Da mußte was sehr Schlimme» zu Haus« vor- gefallen sein, und Frau Neugierde lief geschäftig durch die Reihen der Dam«n und ihr« bös« Schwester, die Brr- mutung folgt« ihr aus dem Fuß« nach und flüstert« d«n Aufhorchenden ein kurze» Sätzchen in» Ohr, worauf jede Dame ein sehr v«rschi«den kling«nd«»: »Ja, ja!" oder »Aha, hm, hm l" hören ließ. (Fortsetzung folgt.) Blutige Bürgermeisterwahl in Kamenz Von Str. Nachdruck verb. Die Wahl eines neuen Bürgermeisters und der Ratsmannen oder Ratsherren wurde dis 1511 durch die Bürgerschaft am Sankt Stephanstage (2 Weihnacht«, feiertags) in der Stadtkirchs vollzogen und zwar „ganz nach der Bürger Gunst und Willen". Nicht selten ent standen bei solchen Wahlen recht unruhige Auftritte. Am tollsten ging es aber 1465 (nach anderen Angaben war cs 1455) zu. Da stiegen dis Unruhen bis zur Ver- folgung und Meutere!, weil der Bürgermeister Theuer- kauf es verstanden hatte, sich zum fünften Male (über das 4 Jahr) wählen zu lassen. Die ganze Stadt war darob in Aufregung. Darum kam der Landvoigt Bensch v Caliowrat nach Kamenz und hielt ein strenges Ge richt. Die Ratsmannen Ricolaus Grosbauch und Köss- !er Urh er zur Warnung auf offenem Markte enthaup ten. Diesem Schicksal entgingen der Bürgermeister Theuerkauf und zwei andere Rat.Herren nur durch dis eiligste Flucht. Elf Bürger wurden nach Budißin ab geführt und mit Gefängnis und mit Geld bestraft. ?>.7 bisherige Rat ward aufgelöst. Es mutzte ein neuer ge wählt werden. Von nun an verliefen dis Wahlen einige Jahre etwas ruhiger. Als die Unruhen aber von neuem begannen, ersuchte 1511 der Kamenzer Rat dis Stadt räte der übrigen Sechs-Städte w.gen der Unordnungen bei der Kamenzer Ratswahl beim Könige Beschwerde zu führen. Bon Breslau aus erteilte der König den Befehl, daß künftig dis Ratswahlen in Kamenz am Sankt Thomastage, d. i. den 21. Dezember, zu voll ziehen wären und zwar auf dem Raihause und datz ferner der Rat ohne Hinderung des gemeinen Volkes alle Jahrs ein tüchtiges Mitglied aus denen, die schon im Rais gesessen, zum Bürgermeister, ingleichen des folgenden Tages die neuen Naismannen und Aeltesten ohns Zuziehung des gemeinen Volkes wählen soll." — Der Hofrichter Melchior Prester verfügte sich 1512 als Kgl. Kommissarius nach Kamenz, um diesen Willen des Königs „in Vollziehung zu setzen". — Aus der vorgenommenen Wahl ging Hanes Hennigke als Bür germeister hervor. Doch völlige Ruhs trat noch nicht ein. Neue Händel entstanden Als hiervon der Landvoigt Ludwig Wilhelm v. Eulenburg erfuhr, forderte er den Nirol v. Ponikau auf Elstra auf, die Sache vorläufig zu un tersuchen, bis er selbst nach Kamenz kommen werde. Als das die Kamenzer Ratsherren erfuhren, befürchteten sie Schlimmes. Sie ersuchten daher eiligst die Magistrate der übrigen Sechs - Städte um Beilegung der Sache. Buditzin sandte den Magister Ruprecht und den Mag. Mängen, Görlitz den Mag. Jonas und den Stadtschrei ber Tilke, Zittau den Mag. Bretschneider, Lauban den Stadtschreiber Barthel und Löbau den Stadtschreiber nach Kamenz, und diese fällten auf dem Kamenzer Rat- Hauss das Urteil dahin, daß Hennigke, der bereits vier Jahre hintereinander Bürgermeister gewesen war und sich ein fünftes Mal hatte zur Wahl aufstellen lassen, aus dem Rate trete, daß er diesen und die Aeltesten künftig unbeirrt lassen soll, datz er nie mehr zu einem dergleichen Amte gewählt werden darf und datz dieser Beschluß von den Räten aller Sechs-Städte mit Leib und Gut in Kraft erhalten werden sollte. Von jener Zeit an wählten dis Herren der Stadt (der Rat und die Aeltesten) den Bürgermeister und zwar ab 1525 auf Lebenszeit. Dann wurde 1531 beschlossen, datz alljährlich vier neue Ratsherren, nämlich einer aus der Gemeinde und drei aus den vier großen Hand werken „gekührt" werden sollten. — Diese neue Einrichtung bewährte sich. Von nun an verliefen die Wahlen friedlich. ° Dresdner Brief. ° Wie ma« auf feine Rechnung ksmmt. Dutz wir arg materiell« Menschen geworden sind, ist «in« nicht zu leugnende Tatsache. Daß sich dieser -2- >-.3 s S Lv 6- 6- K - - L § 'S § F Materialismus äußert Indem jeder, ob jung oder alt, groß oder klein, nur daraus auSgrht, möglichst w«it „auf seine Richnung zu kommen", ist auch verzeihlich und verständlich; denn kein Beruf, kein Verhältnis, nicht d«r edelste Idealismus kann dauernd besithen, wenn der Mensch nicht irgendwie »auf sein« Rechnung kommt." Nur da» Wie macht den Unterschied, da» Verwtifliche unserer Zeit au». Man sagt dem Sachsen nach, daß er immer bestrebt sei, mit dem Rücken gegen die Wand zu kommen, wie man zu sagen pflegt.' Tatsache ist, daß man in Dresden überall beobachten kann, daß alle» Streben nur noch dahin geht, „auf seine Rechnung zu kommen." Der Ladeninhaber, der Margarinrhändler, die täglich zweinal den Pret»berechnungSz«ttel im Schau fenster ändern — natürlich aufwärts, abwärt» geht e» nicht so flink! und der Schuster, Schneider, Tischler; aber auch die Stadtverwaltung, die hinkend und schreiend hinterdrein läuft, um GaS, Wasser- und Straßsnbahn- preise sprunghaft zu erhöhen, damit sie nur einiger maßen „aus ihre Rechnung kommt", bi» hinab zu den kleinen und kleinsten der Dresdner Gesellschaft, zu den Bettlern! Die armen Kerle treiben heute kein einträg liche» Geschäft mehr und sollten dem Zuge der Zeit folgen, indem sie milde Gaben nur nach Goldwährung annehmen. Denn wa» sind jetzt sünzigtausend Mark, die man dem Bettler in den Hut legt? Es braucht langer „Arbeit", bevor solch ein Geschäftsmann sich den gewohnten Schnc^ kaufen kann! Und al» jüngst einer sich einem vorübergehenden näherte und mit freundlichem Grinsen sagt«: „Lieber Herr, heite ir met Geburtstag, sein Se so sreindlich un schänken Se mir was!" Da antwortet« jener und gelassen: »Lieber Mann, mein Ge burtstag ist erst später, und nur an diesem Tag« bin ich wohltätig!" So kam der Schlaue wieder mal nicht auf seine Rechnung. Wer wollte aber wohl bei den jetzigen Unruhen im sonst so friedlichen „Dre»den" auf seine Rechnung kom men? SHaut sie doch nur an, die jungen Burschen, fast sind e» sich Kinder, — di« vsrwegen, die Mütze in den Nacken geschoben, einer drm andern pfeifen, um zum Krakehl in di« Stadt zu zithen! Ob di« wohl »aus ihr« Rechnung" kommen? So «ruft die Sache ist, so mußte ich doch laut auflachen, al« einer der „Sipolmte" zu seinem Kameraden sagte: „Na ja, wir müssen die klei nen Jang» jetzt mit GummtknüppUn ins Bett jagen, sonst schlafen sie nicht " Und dort nach der Zentralhirberge, in der Neuen Sasse, dem sog«nannten „Zentner" stehen st-, lungern herum, alte und junge Männer, verwegen« Gestalten, um ihre Waren unter der Hand an den Mann zu bringen. OS es Diebesgut ist? Viele» jedenfalls, wer kann da» seststrllen? Der eine hat ein Paar Wasserstiefel, der ander« «in g«trag«ne» Jackett, der bringt au» schmutzigem Papier «in seine» spitzenbedeckte» Dameahemd hervor, ein anderer preist «inen „«cht goldenen Ring" an. Da tritt einer der Burschen aus mich zu, zieht an weißer Kette «in Anhängtrchen au» d«r Hosentasche und raunt mir zu: „Nehmen Si.'s! Billig — dreißig Millionen! Garantiert echt Elfenbein." Da ich aber zufällig Kenner von Elfen beinschnitzereien bin, sehe ich auf den ersten Blick, daß diese» allergeringste Nachahmung ist und weise den Kerl zurück, der schleunigst d«n Schmuck wieder verschwinden läßt und mit einem bösen Blick unter der Mütze hervor sieht, daß er nicht »auf seine Rechnung" gekommen ist. Da tritt der Schutzmann heran mit den Worten : »Meine Herrschaften, «etter gehen!" und feixend räumen st« da« Feld und einer sagt zum andern: „Siehst«, Karle, mir sein Herrschaften gtworden!" Noch deutlicher aber wurd« e» mir, wi« man »auf sein« Rechnung" kommt, al» ich kürzlich au» d«m Theater kam, wo M«tster Ibsen» »Nora" gespielt worden war. Zwei Damen gingen vor mV- her und «in« sagte im Brustton tiefster Entrüstung: „Heute bin ich aber nicht aus meine Rechnung gekommen! Sie hat sich weder vergiftet voch erschossen, noch ink Wasser gestürzt oder sonst etwa». Da» ist doch nischt!" — Kommentar überflüssig. — Und ich, dir ich mich schnöde über irgendwen oder irgrndwaSIustig^ mache? Nun, wenn meine Plauder- brief« meinen Lesern hier und da ein freundliche» Lächeln entlocken oder eine lustig« Vierttlstundr bereiten, so bin auch ich rn,meiner Weise auf »meine Rechnung" gekommen! Rigina Berthold. Du glaubstnicht, was ein Mensch vermag Du glaubst nicht, was ein Mensch vermag Mit heißem Blut Und harten Händen. Er kann durch «inen starken Schlag, Er kann an einem starken Tag, Hat er nur Mut, Da» Schicksal wenden. Du glaubst nicht, wa« ein Mensch vermag. Haltet Maß im Großreinemachen. °° Im Herbst ist die ZUt, tu Lem überall in Hau» und Garten gründlich aufgeräumt wird, bevor die kurzen, dunklen Wintertage diese „durchau» notwendige" Arbeit beschränken und zum Teil aufhebrn. So lobenswert diese Arbeit auch ist — manche übermäßig ordentliche Hausfrau tut hier de» Guten zuviel und macht sich und die H»u»grnossen durch ihre übermäßige Arbeitsamkeit ganz nervös. Die Reinemachewut kann zu einer wahren Haukplage werden. Die von dieser Manier besessenen Frauen stellen, sozusagen aus lauter Lust am Reine- machen, da» ganze Hau» aus den Kopf. Da werden der bedauernswerte Gatt« unk die noch mehr zu bemMeideN- den Kinder einfach zum Verlassen de« Heim» gezwungen. Eine wahre Sintflut ergießt sich über die Wohnung. E» ist, als sei sie Jahr und Tag nicht richtig gereinigt worden, wa» doch zum mindesten» allwöchentlich geschieht. Kommt e» denn nicht im geringstrn auk da» Wohlbeha- gen der Familie an, und nur darauf, daß dis Gardinen noch rasch gewaschen, die Fenster blitzblank geputzt werden können? Und wenn dann alle» erst vor Sauberkeit blitzt und man sich in jrdem Mahagonischrank spiegeln kann — dann wehe den armen Angehörigen! Eine so gute Mutter die Betreffende sein mag, und so gern sie ihren Kindern ein« Freude bereitet, sobald schlechtes Wetter ist, dürfen sie keinen Freund, keine kleine Freund!« mit in» Hau» bringen. Sie würden mit schmutzigen Füßen kommen, und wer hätte nachher die Arbeit de» Reinemachen? Doch nur sie, di« geplagte, arme Frau, die niemal» Ruhe durch di« Unordnung der anderen findet, wi« diese unzählig« Male hören müssen! St« räumt den ganzen lieben Tag auf, findet sich höchst b«dauern»wert, weil diese Last, wi« sie sagt, nur auf ihren schwachen Schulten ruht, und bedenkt nicht, daß st« e» trotz aller Liebe und Aufopferung ihr«n Angehöri gen sehr ungemütlich macht. Hier zeigt sich „in der Beschränkung erst der Mei ster". Ordnungsliebe ist eine sehr gute, sehr schätzens werte Eigenschaft. In gewisser Weise hängt auch das Wohlbefinden der Familie davon ab. Aber der Mensch ist wirklich nicht dazu erschaffen, um stet», um jrd«8 an dere darüber hintan setzende Ordnung zu machen. Wer nur hieran denkt, vernachlässigt größere Pflichten. Weil