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Nr. 132 Pulsmtzsr Wochenbett — Sonnabend, den 13, Oktober 1933. Seite 2 Kamenz uniergrbracht gewesenen Rhsinlandkindem ist am Donnerstag, den 4. Oktober, vormittags gegen 9 Uhr in Düsseldorf wohlbehalten eingetroffen. Da ein so frühes Eintreffen des Zuges nicht erwartet worden war, befanden sich zunächst nur wenige Eitern am Bahnhof. Dis Freude des Wiedersehens war zwar sehr groß, aber die Gedanken der Kleinen schweifen doch oft voll Dankbarkeit, gemischt mit Gefühlen der Sehnsucht, zurück zu den guten Pflege, eitern. Und so manches Kärtchen oder Vries, weiche eingetroffen sind, sprechen deutlich von der schönen Zeit und übermitteln an alle herzliche Grüße! — Die Nachricht, daß ein Kind aus dem Zuge gefallen sein soll, bestätigt sich glücklicherweise nicht. Es ist dies eine Verwechselung mit einem anderen Kinder transport, welcher aus Ostpreußen kam. (K. Tgbl.) Dresden. (Mitteilungen des Reichs- wehrkoMmando- lV.) Das Reich-wrhrmintste- rium teilt mit: Die »Deutsche Zeitung" vom 10. Ok tober bringt eine völlig unwahr« Meldung über For- derungen der Entente auf Auflösung der Reichswehr. Der Herr RrichLwrhrminister hat die „Deutsche Zei tung" bis auf weiteres verboten. Dresden. (ZeitungSverbot.) Das bereits einmal aus 8 Tage verboten gewesene, in Dresden er scheinende »VolkSblat!" ist vom Befehlshaber der Wehrkreises IV erneut aus 14 Tag« verbotsn worden, weil eS in einer Reihe von Artikeln in verschärfter Weise gegen den RuSnahmezustand und die Träger der vollziehenden Gewalt gehetzt und die Bevölkerung zu Gewalttaten gegen einender aufgehetzt hat. Dresden. (Minister Böttcher über den Ausnahmezustand.) Der neue Finanzminister de» kommunistisch, sozialistischen Kabinetts, der Kom munist Böttcher, erklärt« einem Mitarbeiter des Trl- Union-Sachsendienst über Lie Stellung des neuen sächsischen Kabinetts zum Ausnahmezustände: Wir werden alles tun, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Ein« Reich-exekutive in Sachsen würde in Deutschland das Signal zum Bürgerkriege sein. Die Basts der sächsischen Regierung in der Arbeiterschaft ist so breit, daß di« RetchSregiirung solch« Schritt« nur Lun kann, wenn st« die Absicht hat, di« Arbeiterorganisationen im Reich« zu zertrümmern und damit den Bürgerkrieg au-zulös«». Dresden. (Abberufung de- sächsischen Gesandten in Berlin,) Wie der TelunionSach. sendienst zuverlässig hört, wird «ine der ersten Taten d«r neuen sächsischen Regierung di« Abberufung d«r ge- genwärtigen sächsischen Gesandten in Berlin, Dr. Grad- »auer, sein. Dresden. (äOMillionenMark für eine Straßenbahnsahrt) Von Sonntag, 14. Oktober, ab erhöht sich der Erundfahrpreis für die Städtische Straßenbahn von 15 Millionen Mark auf 50 Mil lionen Mark. Seitschen. (In den Ruhestand) trat nach 49 jähriger Dienstzeit in voller Rüstigkeit Herr Ober bahnhofsvorsteher Fritz Mager. Herr Fritz Mager ist ein Pulsnitzer und wohl manchem aus seine: Dienstzeit in Pulsnitz in guter Erinnerung Wir wünschen ihm einen gesunden und gesegneten Lebens- abend. Herr Mager siedelte nach Rittergut Klein- Seitschen über. Rathen a. E. (Versteigerung nuf der Bastei.) Die Leipziger N. Nachr." berichten: 2n diesen Tagen hat aus dem'weltberühmten Aussicht-- punkte der Sächsischen Schweiz, der Bastei, eine Ver- steigerung des gesamten Hotel, Eastwirtschafts- und sonstigen Inventars einschließlich des beträchtlichen Fuhrparks stattgefunden. Die viele Tage währende Versteigerung fand angesichts der Fülle der zur Ver- steigerung gekommenen Gegenstände einen sehr starken Besuch, und es wurden ziffernmäßig außerordentlich beträchtliche Umsätze erzielt. Der Hotel- und Gast- wirtschastsbetrieb der Bastei befand sich seit über 40 Jahren in der Bewirtschaftung der Familie Leukroth, die auch verschiedene Baulichkeiten auf der Bastei auvführen ließ und durch ihre anerkannte Tüchtigkeit den Betrieb auf eine sehr beachtliche Höhe gebracht hatte. Auch den bisherigen Inhabern des Hotel- und Gastwirtschaftsbetrtebes der Bastei, den zwei Gebrüdern Leukroth, ist es zu danken, daß die Bastei sich einer immer steigenden Besucherzahl zu erfreuen gehabt hat. Daß die Gebrüder Leukroth den Basteibetrieb nunmehr stillegen mußten, ist darauf zurückzuführen, daß der Staat, dem das Gelände gehört, den Pachtvertrag mit den Gebrüdern Leukroth nicht mehr erneuert hat. Das sächsische Finanz ministerium hat den bisherigen Pächtern der Bastei Bestimmungen auferlegen wollen, die das normale Maß weit überstiegen und die die Gebrüder Leukroth nicht übernehmen konnten, ohne die Rentabilität des gesamten Betriebes aufs schwerste zu gefährden. Za den Pochtbedingungen des sächsischen Finanzministe riums hat sich bisher auch noch kein Pächter finden lassen, sodaß nach dem Auszugs der Gebrüder Leukroth aus der Bastei der gesamte Wirtschaftsbetrieb be dauerlicherweise stillgelegt werden muß. Dadurch entgeht nicht nur den umliegenden Ortschaften und Aussichtspunkten, die bisher durch den Besuch der Bastei profitierten, sondern auch dem Staate eine Einnahmequelle, und die Frage ist durchaus berechtigt, ob das sächsische Finanzministerium nicht doch hätte Mittel und Wege finden können, um sich mit den Gebrüdern Leukroth zu einigen. So hat der Staat angesichts der Stillegung des Betriebes das Nach sehen und eine Einnahmequelle verloren, die man sich angesichts der schlechten Finanzlage des Staates doch besser hätte erhalten können. — (Deutsche Wirtschaft.) Drr »Burg- städter Anzeiger" berichtet: Dak Vsrsorgung-aMt Glauchau bewilligte und sandte einem Krieg-beschä. digten 840 000 Mk. als einmalige Abfindungssumme. Für den eingeschriebene« Bries mußte da- genannte Amt laut Tarif 6 Millionen für Porto zahlen; der MitLeilungSbogen und der Briefumschlag kosten außer dem — grring gerechnet — 1 Million. Rechnet man noch den Lohn für die zwei Beamten hinzu, die be müht waren, den KriegIbeschädigtm in den Genuß Air KMsksMr Wirkung drr Trimms uus im MMgsgemrbr. Dis ungeheure Dollarhausse der letzten Tage hat insbesondere das Miungsgewerbe, das seine Produktion nicht in Gold mark berechnen und verkaufen kann, in eine äußerst bedroh liche Lags gebracht. Der Zwang, fast alle Materialien in Goldmark, Löhne und Gehälter unter Anpassung an dis Jndexsteigerung bezahlen zu müssen, führt das Zeitungs- gewerbe an den Rand des Abgrundes. Ein Wagen Papier (Friedenspreis 2000 Mark) konnte in der Vorwoche für zirka 17g Milliarden gekauft werben. Heute kostet dis gleiche Menge Papier Über 3400 Milliarden, das ist eins 2V W Mtzmng in muigtn Tagen. In der gleichen Weise sind dis Ausgaben sür Drucker schwärze, Metall, elektrische Kraft, Gas, Betriebsstoff (Benzin, Treiböl), Maschinenteile, Walzenmafse usw. gestiegen. — Jedermann wird einsehen, daß bei einer derartigen Steigerung dec wesentlichen Unkosten eine Erhöhung des Bezugspreises auf das 3 fache außerordentlich mäßig ist und uns große Opfer auferlegt. Wir rechnen bei dieser Preisstellung mit einem günstigen Umschwung im Lause der Lieserungswoche und auf die Einficht und Treue unserer Leser. Das Pulsnitzer Wochenblatt kostet in der Woche vom 14. bis M. Oktober 65 Millionen Mark — Zustellungsgebühr 1,S Millionen Mark. — Die Geschäftsstelle. Zum Vergleiche führen wir die Preise anderer Zeitungen an: »Dresdner Anzeiger" Mark 200 Millionen; »Dresdner Nachrichten" 180 Millionen; »Dresdner Neueste Nachrichten" und »Volkszeitung" 160 Millionen; Bautzner und Zittauer Zeitungen 200; Bischofswerdaer und Kamenzer 120 resp. 113, »Westlauftber Zeitung", Königsbrück, 75 Millionen. — — dt«s«r Rente zu bringen, so kann sich jeder selbst «in Bild davon machen, wie kostspielig alle« im lieben Vaterland« geworden ist, ohne den eigentlich«» Zweck d«r Sache zu erfüllt«. — Dies« Tatsach« k«nnzeichn«t so richt dir Wirtschaft im deutschen Vaterland«. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 11. Oktober. Ermächtigungs-Gesetz. Im Retch-tage nahm am Donner-tag di« Sitzung schon um 10 Uhr vormittag» ihren Anfang. Auf der Tagesordnung stand die dritte Lesung des Ermäch tigungsgesetze-, von dem so außerordentlich viel ab- hängt. Da- Schicksal dieser Vorlag« ist immer noch fraglich und in den politischen Kreisen rechnet man die verschiedenen parlamentarischen Möglichkeiten durch. Etngeleitet wurde die heutige Aussprache mit einer Entschließung der Frauen aller Parteien, di« die Reich-regierung auffordert, b«i der großen Bedeutung der Pfltge der Kultur, der Volk-wohlfahrt, der kör perlichen und geistigen Jugendpflege für die Erhaltung d«r nationalen Kraft zu halten. Di« allgemeine Aur- sprache brachte heftige Au»lasiungen der Redner der äußersten Recht«« und Linken. Der Kommunist Fröh lich richtrte heftig« Angriffe gegen die Jndustrieführer und sprach sogar vom Hochverrat und griff den Reich-- wehrmtnister persönlich an, drn er der Verbindung mit recht-radikalen Geheimorganisattonen bezichtigte. Darauf sprach d«r vbg. Ledebour, der da» sofortige Erscheinen dr- Reich-tanzler» verlangte, der zu den Anschuldigungen de- Abg. Fröhlich Stellung nehmen müßte. Da zur Unterstützung dieser Forderung drei ßig Abgeordnete notwendig waren, die Ledebour nicht sür sich sichern konnte, blieb der Antrag unerledigt. Präsident Loeb« teilt« ab«r mit, daß der Kanzler sich zum Retch-prästdenten begeben habe, weil die notwen dig« Anzahl Abg«ordnete, die zur Verabschiedung de» Ermächtigung-grfttzr- notwendig ist, nicht vorhanden sei. Der Kanzlsr hatte dann Besprechungen mit den Parteiführern! und erschien dann im Sitzungssaal. Die Abg. Hennig (Boelk.) und L«d«bour ergingen sich dann noch in scharfen OppositionSredsn. Auch die übrig« Debatte wurde in der Hauptsache von ven Völ kischen und Kommunisten geführt. Vbg. Leicht (B.V P.) und Dr. Breitschsid erläuterten noch einmal kurz di« Stellungnahme ihrer Parteien zum Gesetz. Sämtliche ASLndsrungSanträgs wurden abgelehnt. Dabei zeigte sich, daß etwa 20 sozialistisch« Abgeordnete sich an der Abstimmung nicht Setriligten. Das Hau- wir- zeitweifr ein« Brfttzung von 871 Abgeordnete« aus. Dis RegiernngSpartrirn brachten Lei einer Abstimmung sogar 29S Stimmen zusammen, bei «irrer anders» 306. Di« Abstimmungen richteten sich durchweg gegen deutschnationale MänbrrungZartträge. Vor der Ab stimmung übrr die Einleitungsformel und die Mörr- schrist gab Abg. SHulz-Brombrrg (Dn.) eine Erklärung ab, in der er vom NirdsrbruH des Parlamentarismus sprach und bekannt gab, daß sein« Fraktion geneigt sei, durch ihrs Anwesenheit die notwendige Zweidrittel mehrheit zusammen zu bringen, da die Regierungs parteien e» nicht vermocht hätten, ihre Mitglieder voll zählig zur Stelle zu bringen. Di« Deutschnationalm würden daher bei der SchlußadstimWung den Saal verlass-«. Diese Erklärung ries eine stark« Erregung hervor. Der Abg. Gräfe warf noch dem Kanzler vor, er Hobe dm Reichstag bluff?« wollen. Reichskanzler Dr. Stresemann wie- mit einer kurzen Erklärung die sen Vorwurf zurück, indem er au-führte, daß die Be schlüsse darüber, was geschehen würde, wenn da- Ge setz zu Fall gebracht würde, bei ihm und bei der zu ständigen Stelle bereit« ftststehrn. Da- Hau- beschloß daraus, die Schlußabstimmung über da§ Gesetz am Sonnabend mittag 1 Uhr vor.zunehmen. Die Regie rungsparteien hoffen, bi» dahin die notwendige Zwei drittelmehrheit zusammen bringen zu können. Sächsischer Landtag. (Sitzung vom 11. Oktober siehe Beilage) Sitzung vom 12. Oktober. Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärt Abg. Siewert (Kom.): Die Verhältnisse haben sich so zuge spitzt, daß wir uns veranlaßt sehen, folgendes zur Geschäftsordnung zu erklären: Nach uns zugsgan- genen, Zuverlässigen Meldungen sind in Leipzig bei der Reichswehr 1000 Stahlhelmleute eingskleidet wor- deg und weiters 1500 sollen demnächst eingekleidet werden. Diese Reiche wehradteilung mit den Stahl- Helmleuten sollen nach Aue, bezw. Dresden abtrans portirrt werden. Wir fordern von der Regierung, daß sie uns gegen diese unerhörte Provokation schützt und Anweisung gibt, daß diese bewaffneten Banden gefangen genommen und unschädlich gemacht werden. (Heiterkeit rechts.) Wir verlangen, daß der Abtrans port der Reichswehr verhindert wird. Veit Tagen werden die Organisationen der Proletarier verhaftet. Die Regierung muß dafür sorgen, daß die Verhaft tstsn sofort frsigelassen werden. (Rufe von rechts: Gehört das zur Geschäftsordnung?j Wenn Sie nicht stil! sind, dauert es noch länger. (Grohe Unruhe rechts und wiederholte Rufe: Herr Präsident, gehört das zur Geschäftsordnung?) Präsident Winkler rügt, daß das vom Abg. Siewert Vorgebrachte nicht zur Ge schäftsordnung gehöre, was er gesagt habe, sei eine Erklärung, die dem Landtagsoorstand vorher hätte vorgelegt werden müssen. Der Vorstand werde der gleichen in Zukunft auf keinen Fall dulden. Die Regierungserklärung Ministerpräsident Dr. Zeigner: Die Negierung hat sich heute umgebildet. Die Minister Held und Fellisch sind ausgeschieden und an ihre Stelle sind Abg. Böttcher für das Finanzministerium und Herr Heckert in das Wirtschaftsministerium eingetreten Am 15. August habe ich außerdem Herrn Neu das Justiz ministerium übertragen. Alle drei Herren haben den Eid auf die Reichs, und Landesverfassung geleistet. (Schalllendes Gelächter rechts) Die neugebildete Re gierung ist die Regierung der republikanischen und proletarischen Verteidigung. Die werktätigen Schich ten ganz Deutschlands sind auf das schwerste bedroht. Herr Dr. v Kahr und Graf Westarp haben das Lo sungswort gegeben: „Nieder mit dem Marxismus!" und damit nicht nur dem Sozialismus, nicht nur der Arbeiterschaft, sondern allen republikanischen und prole tarischen Schichten den Kampf angesagt. Diese Kreise hinter dem bayerischen Generalstaatskommissar und der deutschnationolen Partei verschleiern kaum noch ihre wirtschaftlichen und militärischen Vorbereitungen für die Niederschlagung der werktätigen Bevölkerung. Das Großkapital in Industrie, Finanz und Land wirtschaft ist zur Offensive übergegangen. Biele Tau send von Arbeitern und Angestellten sind auf die Straße geworfen worden; sie sollen durch eine radi kale Hungerkur willfährig gemacht werden gegenüber jenem Ausbeutungsfsldzuge und Herrschaftsinstinkten. Schwerindustrielle Kreise des Ruhrgebietes diktieren den Zehnstundentag und verhandeln gleichzeitig mit den französischen Okkupationsbehörden in der kaum noch verhüllten Absicht, sich auf fremde Bajonette gegen deutsche Arbeiter zu stützen. Der Zusammen bruch der Politik dieser Kreise im Innern und Aeu- ß«rn soll verschleiert, die fürchterlichen Schäden dieser