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3 L B 2^ > 6 s 'S L W.St. und das Sie un- Z s> Aber wie kam denn das? Die Tür war ja gar nicht mehr verschlossen. Sollte da eins schon wach sein vor der Mutter? Das war die Frau Bürgermeister ja gar nicht an ihren jungen Langschläfern gewöhnt. Sie ging kopfschüttelnd über den kleinen, schlecht mit alten, dicken Steinen gepflasterten Hof, öffnete das niedrige Holzpförtchen, das nur eingeklinkt war, und blickte durch das schon stark entlaubte Buschwerk. Sie sah niemand, und wollte schon unruhig zurück gehen und im Hause weiter forschen, als ihr die alte, ge deckte Laube einfiel, der Lieblingsplatz der Mädels, die da ihren Puppenwinkel hatten und ihre Obstkammer, wo die von den Bäumen gefallenen Apfel und Birnen zum Reifen kamen. Richtig, da saß auch jemand. Ganz regungslos und sonderbar saß er da. Das war ja wahrhaftig der fremde und elegante Gast aus Berlin, Gretes vergötterte Freundin! „Meinjee, was für eine unverständliche Person," mußte die Frau Bürgermeister unbehaglich denken. „Läuft so was vor Tau und Tag in den fremden und naßkalten Garten hinunter und hat nichts weiter an wie so ein seines, durch sichtiges Seidenkleid, so, wie sie es gestern in den warmen Stuben getragen." „Guten Morgen!" sagte die kleine Frau resolut. „Sie werden sich da erkälten, gnädige Frau!" Maria blickte in das runde Gesicht, als müßte sie sich erst besinnen, wer da so plötzlich zu ihr sprach. „Guten Morgen!" sagte sie dann, indem sie sich lang sam von der harten Holzbank erhob und die steif gewor denen Glieder schüttelte. „Sehen Sie's," ereiferte sich die Brautmutter, „da haben Sie's! Das ist doch jetzt keine Jahreszeit mehr zum Draußeusitzen in so früher Morgenstunde! War denn das Bett nicht gut oben? Das täte mir aber leid, wenn Sie in unserem Hause schlecht geschlafen hätten!" Jetzt lächelte Maria. Ein ganz versonnen und be glücktes Lächeln. „Das Bett war sehr gut, Frau Bürgermeister, nur die Nacht war zu lang." „Und . . . und die Grete?" stotterte die alte Dame ein wenig verwirrt. „Ist die auch etwa schon auf?" Maria schüttelte den Kopf. „Nein, sie schlief noch fest, als ich hinunterging. Sie dürfen mir über meine Selbständigkeit, oder besser gesagt, über den Verstoß gegen Ihre Hausordnung nicht böse sein, Frau Bürgermeister. Aber ich hielt's nicht aus da oben in der engen Stube, als der Tag begann. Ihr Garten ist so groß und wunderschön, so alte Bäume sind darin, und so heimliche Winkel. Ich kannte mal einen Garten, der sah so ähnlich aus, auch so eine hohe Mauer war darum, hüben und drüben mit Efeu bezogen. Aber das Glück, was in Daß er im Schiffbruch nicht den Kopf verliert; Und jeder strebe Höhen zu und Fernen, Weil feige Ruh' Verderben nur gebiert. Nicht jeder ist zu Hellem Sieg berufen, — Die Parze spinnt den Faden, wie sie mag, — Doch jeder kann ersteigen ein paar Stufen Und strebend ahnen des Triumphes Tag. jenem Garten blühte, habe ich für Unkraut gehalten ausgezupft. Ich konnte damals nämlich noch nicht Gute und das Böse unterscheiden." Die Frau Bürgermeister sah immer ratloser aus. fürchtete sich beinahe vor der Frau, die so schön und heimlich zu gleicher Zeit war. (Schluß folgt.) Nicht jeder. Nicht jeder, der am Wasser wohnt, kann schwimmen, Nicht jeder, der nicht schwimmen kann, ertrinkt. Nicht jeder Klett'rer wird den Grat erklimmen, Von dem des Glückes blaue Blume winkt. Doch jeder soll die Kunst des Schwimmens lernen, „Bedaure mich nicht," stieß diese aufgeregt hervor, „ich kann das nicht vertragen, bedauert zu werden, wo ich mich selber schuldig fühle in meinen geheimsten Gedanken. Seit heute erst fühle ich das, den ganzen Abend zehrt das an mir. Deine Mutter, dein Vater, die frommen Kinder mit ihren Hochzeitssprüchlein, und zuletzt das Lied hat wohl daran Schuld, und du und dein Haus, die ihr in eure Ehe hineingeht wie in einen Blumengarten, wo kein Sturm hineinkann kraft eurer Liebe und Zuversicht. Sprich nichts mehr, Grete, schlafe in deinen Hochzeitstag hinein mit hundert süßen Träumen! Du bist tausendmal besser wie ich, und wie ich dich nach meinem Herzen belehren wollte, so hast du es nun nach deinem getan ... dafür danke ich dir .. ." „Gute Nacht!" . . . Grete ließ sich willig küssen und von neuem einwickeln in ihr Bett. Sie sprach nichts mehr, blickte nur schlaf trunken und scheu zu, wie die junge Frau schnell das Licht ausblies, das bis zu einem kleinen Nestchen herabge brannt war. Draußen spielte der Herbstwind mit den bunten Blättern, und irgendwo blies ein Wächter sein Mitter nachtssignal durch die schlafende Stadt. Wie Rosendüfte und Glockenläuten zog es an dem Lager der Braut vorbei, sie riß immer wieder die müden Augen auf, weil sie nicht wußte, was Traum und Wirk lichkeit war. Ob Maria auch das Läuten hörte? Und den heim lichen Weckruf zu neuem Leben? Die erste, die im Hause wach wurde, wär Frau Bürger- . meister. Sie hatte nicht viel geschlafen in dieser Nacht. Es lag I nicht daran, daß die beiden jüngsten Kinder heute im I Zimmer der Eltern einquartiert waren, auch nicht an den ' vielen Pflichten, die der kommende Tag mit sich bringen » würde; an Pflicht und Arbeit war dieses Hauses Mutter » vom Anbeginn ihrer Ehe gewöhnt. Irgend etwas anderes, , etwas Ungewohntes riß der Frau Bürgermeister immer I wieder die Augen auf, wenn sie vor Müdigkeit zugefallen I waren. I „Grete," dachte sie, „Kind, geliebtes, wie wirst du es ' hinnehmen, dein Frauentum? Wird es dir deinen Glauben an die Schönheit und Güte in dieser Welt noch erstarken I lassen, oder wird er zusammenbrechen vor der Erkenntnis, ! daß all die lichten, märchenhaften Mädchenträume bunten ' Seifenblasen gleichen, die man nie festhalten kann in ihrem l unberührten Glanz." Sie hatte einmal in einer Frauenzeitschrift einen Auf- i satz über Pflichten der Mutter gegen die bräutliche Tochter ! gelesen. Darin hatte gestanden, daß die Mutter die Be- I rufenste sei, ihrem Kinde gute, aufklärende Worte über 4 Liebe und Ehe als Geleit mit auf den Weg zu geben, ehe > es mit dem Manne ihrer Wahl hinauszieht in ein fremdes, ! eigenes Lebern Aber die Frau Bürgermeister, die acht Kinder zu ; braven und brauchbaren Menschen erzogen, fand diese " Worte nicht, die sie zu der Tochter hätte sprechen sollen, i Etwas widerstrebte da in ihrem gesunden und natürlichen I Gefühl gegen diese Mutterpflicht. Und doch kämpfte sie ! genau dieselben geheimen Sorgen in ihrem Herzen durch, ; wie es wohl alle Mütter tun, die ein geliebtes und wohl- i behütetes Mnd in fremde Hände geben müssen, einem I fremden Willen mehr untertan wie dem eigenen. Noch war alles still im ganzen Hause, und das i Morgenlicht lag erst wie graue, schwimmende Nebel über j der Erde, als die Frau Bürgermeister schon fertig ange- f kleidet die Treppe hinuntertappte, um das Haustor, das » in Hof und Garten hinausführte, aufzuschließen. Sie hatte an die letzten Rosen gedacht, die noch an den I niedrigen Sträuchern waren. Was sollten die noch unten I unter dem halbverwelkten Laub blühen, wenn da oben in ' ihrem Kinderftübchen eine Braut dem Hochzeitstag ent- > gegenschlief? Wenn diese Braut Schwestern hatte, die ihr I die Rosen ans Bett bringen konnten, damit dieser letzte I Morgen im Elternhause mit Blüten und Lust und Freude i erfüllt war!