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K 2 12 Z tSKZ.'S-r 8 Laß du mir die Sache so leicht machst. Es ist ja auch wahr, man sollte als vernünftiger und denkender Mensch das Wort „Sentimentalität" ganz aus dem Jdeengang streichen. Ich hatte gestern abend die unbegründete Furcht, es könnte dir schwer fallen — der Kinder wegen." Der elegante Mann mit dem rassigen, nervösen Gesicht lächelte. „Unsinn!" sagte er. „Sie werden vielleicht zu traulicher werden wie sonst, wenn sie mich seltener sehen. Und ich glaube, auch deine Zeit worden die Kinder nicht mehr in Anspruch nehmen wie jetzt. Denn du wirst ja auch nicht das ganze Jahr über in Berlin bleiben wollen, du wirst ja auch oft ohne sie in der Welt herumreisen, wie ich dich kenne." „Vielleicht," entgegnete Sigrid versonnen. „Die Haupt sache bleibt ja, daß wir beide in der Lage sind, unbesorgt unseren Neigungen zu leben und trotzdem den Kindern nichts abgehen lassen zu müssen. Ich werde außer dem Kinderfräulein noch Margot für sie ins Haus nehmen. Sie ist resolut, zuverlässig und hat alle Grundbedingungen an sich, mich während meiner Abwesenheit zu vertreten." „Eine staunenswerte Freundschaft ist das ja mit euch beiden! Na — mir kann's recht fein! Ich habe von jeher nicht viel für derartige überspannte Malweibchen übrig gehabt. Zieh du mit deiner Margot zusammen, ich kenne höhere Genüsse." Er las schon wieder. In Sigrids Stirn stieg das Blut. Sie haßte ihren Mann in diesem Augenblick und begriff es nicht, daß es derselbe Mensch war, den sie vor acht Jahren leidenschaft lich begehrt hatte. Ihre Finger falteten zuckend die Serviette zusammen. Gewaltsam zwang sie ihre Stimme zur Ruhe. „Wenn es dir also recht ist, treffen wir uns um halb eins beim Rechts anwalt. Ich will jetzt gleich zu Margot fahren, halte mich da eine kleine Stunde auf und bin dann —" „Ausnahmsweise einmal pünktlich, wenn ich bitten darf," unterbrach er sie. „Ich will noch zu Rödel auf die Bank, denn er war vorgestern im Klub ungenießbar. Aber er meint auch, daß es das beste wäre, dein und mein Geld ganz zu trennen. Einer deiner — Freunde wird dir schon raten, wie du es am vorteilhaftesten anlegst, vielleicht versuchst du's mal mit Hypotheken?" Sigrid zog kühl die Schultern hoch und stand von ihrem Stuhl auf. „Das laß, bitte, meine Sorge sein. Es bleibt also dabei, um halb eins bei Doktor Sprenger?" Er nickte. Da ging sie ohne Gruß hinaus. Auf der Straße nahm sie ein Auto. Und als sie zu dem Atelier der Freundin mit dem Fahrstuhl hinauffuhr, waren ihre Lippen immer noch fest zusammengepreßt wie vor einer halben Stunde in Richards Gegenwart. Sie haßte ihn — ja, sie haßte ihn! Seine höhnische Art, über Dinge zu sprechen, die sie angingen, verletzte sie aufs tiefste. Er hätte es doch aus tausend Einzelheiten, aus ihrer ganzen Natur und Neigung herausfühlen müssen, daß er ihr bis jetzt noch in keiner Hinsicht etwas vorzuwerfen hatte. Nur ihre Träume waren frei, aber die konnten ihm und seinen Rechten nichts schaden. Die Entfremdung zwischen ihr und ihm war langsam gekommen, gliederte sich aus tausend kleinen Gründen zu einer großen Kette zusammen, die man nicht mehr zer reißen konnte. Wie im Taumel hatten sie die letzten Jahre dahingelebt, von einem Vergnügen in das andere waren sie gejagt, nur um nicht allein daheim sitzen zu müssen und den großen Riß in ihrer Ehe mit gleichgültigen Worten zuzudecken. Es war wirklich hohe Zeit zum Auseinander gehen, wenn Sigrid sich nicht selbst verlieren wollte. In dem Atelier der Freundin war es sehr heiß. Die junge Frau riß sich den Pelz von der Schulter und warf ihn auf einen der niedrigen Sessel, wie sie in den verschie densten Formen und Holzarten überall umherstanden. Die Malerin, die sich ihre Finger an ihrer großen, grauen Schürze abgerieben hatte, nahm erstaunt die Hand der aufgeregten Freundin. „Nanu, du siehst ja aus wie Käse und Buttermilch. Was habt ihr denn wieder mit- einander gehabt?" Sigrid lächelte mühsam. „Nichts! Du mußt nicht fragen, Margot! Helfen sollst du mir! Es ist nun glücklich so weit mit Richard und mir, wir gehen auseinander." „Defrmtlv?" „Definitiv!" „Gratuliere!" sagte die Malerin trocken. „Du nimmst es mir nicht übel, wenn ich weitermale. Da kannst du auch besser erzählen, und ich brauche weniger zu fragen. Feg' mal die Skizzen da vom Liegestuhl 'runter und setz dich. Dies Umherlaufen macht mich nervös. Ich glaube gar, du regst dich über die nun vollendete Tatsache auf, die doch nur eine Frage der Zeit bei euch sein konnte." „Nein," sagte Sigrid hart, „gar nicht. Zu erzählen habe ich auch nichts. Du weißt ja alles. Das einzige Neue ist das, daß ich dich heute bitten will, zu mir zu ziehen. Dein Atelier hier kannst du ruhig behalten, oder noch besser, wir nehmen eine andere Wohnung, wo ein Atelier dabei ist, größer und schöner natürlich wie dieses hier." „Du denkst Wohl, ich kriege das Geld in Haufen für meine Bilder?" fragte Margot trocken. „Wie du das sagst: „ein schöneres" —" Sigrid sah plötzlich sehr hochmütig aus. „Wenn ich dich bitte, zu mir zu ziehen, geht dich der Kostenpunkt selbstverständlich gar nichts an. Daß du darüber noch im Zweifel sein konntest! Du darfst dir sogar dein Monats gehalt selbst bestimmen. — Verzeih, aber es ist doch rich tiger, wir stellen die ganze Sache gleich auf richtige Füße." „Bitte!" rief die Malerin lachend, indem sie von ihrer Leinwand forttrat und zu der Freundin hinüberging. „Ich hätte dir einen so großen Freundschaftsbeweis gar nicht zugetraut. Denn im Grunde genommen bist du bis her immer sehr gut ohne meine Ratschläge fertig geworden. Was habe ich dir damals gesagt, als dein Mann dich und die Kinder zu vernachlässigen begann? Als er sich die Jagd anschaffte, die Klubabende? Laß dir's nicht ge fallen, habe ich gesagt, sei wenigstens in dieser einen Hin sicht ihm gegenüber schlau! Aber nein — nichts hast du getan, nur die Unnahbare, Beleidigte gespielt, und dabei doch jeden Rummel mitgemacht, der dich das Elend daheim vergessen ließ. Es gab keinen großen Basar in Berlin, keine größeren Feste, Premieren, wo du nicht dabei warst. Hatte das Zweck? Im Grunde genommen warst du ja doch nie so recht bei der Sache, weil du immer die pflicht getreue Frau deines Mannes bliebst. Was ihr heute tun wollt, hätte schon vor zwei Jahren geschehen müssen." Sigrid gab keine Antwort aus diese energische Rede der Freundin. „Du erfüllst also meine Bitte?" fragte sie nach einer kleinen Pause. Margot nickte. „Natürlich! Ich hab schon lange Lust gehabt, deine beiden total falsch erzogenen Kinder ein biß chen moderner umzukrempeln. Das Fräulein, das du hast — nimm's mir nicht übel, Sigrid — das ist für die Katze. Nischt wie Platte Verse und Aberglauben lernen die Kinder." „So?" sagte Frau Sigrid. „Da weiß ich ja gar nichts davon! Etwas verschüchtert kommen mir die Kinder frei lich auch manchmal vor. Nun, ich werde eine geprüfte Er zieherin nehmen, da kannst ja auch nicht deine ganze Zeit für mich opfern, wenn du weiterkommen willst in deiner Kunst. Nur, daß ich das Alleinsein nicht so stark empfinde und eine leitende Hand für Kinder und Personal da ist, wenn ich mal auf Reisen bin." Sigrid nahm die schmale, kalte Hand der Freundin. „Es muß köstlich sein, sich als Herr des eigenen Willens zu fühlen." „Na, ob!" rief Margot lustig. „Das siehst du ja an mir! Habe ich dir je vorgeklagt, je Sehnsucht nach dem sogenannten starken Geschlecht gehabt? Nee — ein idealer Zustand ist das, von niemand abhängig und des ganzen Firlefanz' ehelicher Pflichten ledig zu sein. — Dein Mann ist also ebenso bereit zur Scheidung wie du?" »Ja." „Und in finanzieller Hinsicht?" Die junge Frau zuckte mit den Schultern. „Das er gibt sich ganz von selbst. Sein Vermögen ist ungefähr gleich groß wie meines. Er gibt natürlich für die Er ziehung der Kinder und den größeren Haushalt, den ich deshalb führen muß, von seinem Gelds zu. Ich wollte es erst nicht, aber man kann ihm die Rechte aus die Kinder ; doch nicht ganz nehmen, also will er auch zu ihrer Er- » ziehung beitragen." (Fortsetzung folgt.)