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(Fortsetzung folgt.) »Herr Baron! Herr Barooon! !" 1 Aber nichts antwortete. Nicht der leiseste Laut war zwischen seinen Rufen in der regennassen Landschaft zn vernehmen. „Vielleicht ist ihm unwohl geworden," meinte der Kutscher. „Leuchten wir die Ufer ab!" „Gut, leuchten wir die Ufer ab! Wir können dabei gleich sehen, ob er heute überhaupt hier gewesen ist. Ter feuchte Boden müßte jede Spur behalten haben." Valentin leuchtete, gebückt vorwärts schreitend, den ganzen schmalen Fußpfad, der am Teichdamm entlang führte, ab. Vergebens. Nicht die kleinste Spur zeugte davon, daß hier heute ein Mensch gewesen war. „Nun wollen wir quer über das Tal zum Fluß, um j die anderen zu treffen," entschied Valentin. Das war fest I eine Stunde Wegs. Stumm wurde sie zurückgelegt, nur > Natz ließ zuweilen seine rufende Stimme hören. Man erreichte den Fluß etwas oberhalb der Mühle, l ohne indessen die von Holly geführte Kolonne zu treffen. „Wir müssen bei der Mühle anfragen, ob sie schon ; vorüber oder noch unterhalb derselben find," sagte Valen- » tin, nachdem er einen Augenblick überlegt hatte. „Marlin, 1 Sie könnten zu diesem Zweck vorauseilen, damit, wenn Melanie verhüllte schaudernd das Gesicht und begann I krampfhaft vor sich hin zu weinen. Holly, der sie trösten wollte, svrach beruhigend auf sic ' em, wurde aber sogleich fast brüsk von Valentin unter- ! krochen. „Darf ich Sie bitten, Herr Doktor, hier jetzt anzu ordnen, was weiter zu geschehen hat, und daun den ! Transport der Leiche nach Wiesental zu veranlassen? Ich selbst habe jetzt die dringende Pflicht, Melanie heimzuge leiten und Onkel David von dem traurigen Ereignis zu verständigen." Einen Augenblick kreuzten sich die Blicke beider Män ner scharf wie Messerklingen. „Warum nimmst du gerade diese Pflicht für dich in Anspruch?" stand in Hollys Augen. Und Lie des anderen schienen zu antworten: „Weil es mein Recht ist, und ich rate dir, nicht daran zu rühren!" Verstimmt entfernte sich Holly, während Valentin Melanie aus einem Umweg um Lie Mühle hcrumführte und die Richtung nach Wicsental einschlug. Von der stolzen, frohen Stimmung, die den Rechts anwalt am Vormittag beseelt hatte, war auch nicht die kleinste Spur mehr vorhanden. Wie anders war alles gekommen, als er gedacht hatte! Statt Melanie von seinem, Erfolg erzählen zu können und in ihren lieben Augen Anteil daran zu lesm, war er mitten in diese erschütternde Tragödie hineinge raten, die nun abermals ganz Wiesental in Trauer cin- hüllte und kaum versiegte Tränen von neuem fließen machte. Und wie nach Adolfs Tod war es nicht er, sondern ein anderer, der das Recht beanspruchen durfte, Melanie zu trösten. Holly fühlte einen plötzlichen Haß in sich aufstelgen gegen Valentin. Worauf gründete sich denn dessen Recht? Bloß auf die Unterstützung der Familie und Lie Aussicht, dereinst ein reicher Erbe zu sein? Oder weil man durch diese Verbindung das große Drewendtsche Vermögen hübsch zusammenhalten wollte? Mochte man doch alles Valentin geben und ihm Melanie dafür lassen! Er wollte ja nichts als sie allein. Ihm würde sie als Bettlerin genau so willkommen fein, denn als Erbin, ja, mehr noch, denn dann durste seine Liebe ihr jeden Wunsch erfüllen ... Und es war ja gewiß keine Vermessenheit, wenn er sich einbildete, auch sie sei ihm ein wenig gut. Hatte er doch neulich, als sie ihn im Bureau aufsuchte, in ihren Augen, die nicht lügen konnten, viel mehr gelesen, als er je zu hoffen wagte Während all diese Gedanken durch seinen Kopf zogen, schritt er stumm neben dem traurigen Zug hin, der An dreas Drewendts Leiche auf einer improvisierten Trag bahre nach Wiesental brachte. Er beschloß, sobald man das Schloß erreicht haben würde, sofort nach Berlin zurückzusahren. Valentin Herg- sell sollte keine Gelegenheit mehr finden, ihn direkt darauf aufmerksam zu machen, daß er zwar Baron Davids Rechtsbeistand war, aber darum noch durchaus, keine Familienrechte aus Wiesental besaß. verlor den Halt, konnte sich an dem glatten User nirgends I antiammern urw wurde dann von dem dort leider reißen- ! den Wasser erfaßt, ehe er wieder Boden gewinnen konnte." ! „Aber er konnte doch schwimmen!" warf Melanie ein. l „Sie müssen bedenken, daß er der frostigen Witterung I wegen seinen Sweater über Lem Anzug trug, daß das . Wasser eiskalt und er ein alter Mann war. Der Schreck ! oder ein Krampf mögen ihn im ersten Moment gelähmt I haben, und später machten Wohl schon die vom Wasser i schweren Kleider eine Rettung durch Schwimmen unmög- . lich. Das Kind des Müllers will kurz nach vier Uhr einen ; Schrei gehört haben, der wie ein Hilferuf klang. Man eilte > auch hinaus. Da man aber im Wasser nichts Verdächtiges i sah und von den Mühlknappen keiner fehlte, dachte man . nicht weiter darüber nach, bis, wo wir kamen. Dann frei- I lich wurde das Mühlwerk sogleich abgestellt und das Wehr I geschlossen. Leider viel zu spät. Wir konnten nur mehr den ! Leichnam bergen, der wunderbarsrweife fast unverletzt von ! den Radspeichen in die Tiefe getragen wurde." ; I wir dann doch flußaufwärts müßten, das gnädige Fräu- « lein sich nicht unnötig ermüdet." Der Kutfcher eilte voraus. Aber Melanie, die keine 1 Ruhe hatte und durchaus nicht stillstehen wollte, folgte ß ihm doch. „Ich bin ja gar nicht müde," behauptete sie. „Komm » nur, Valentin! Wir erhallen dann rascher Bescheid." t Eintönig rauschte der Fluß zu ihrer Linken; wie I düstere Gespenster ragten die hohen Bäume seiner Ufer in den Nebel, der kaum ein Drittel ihrer Höhe sichtbar ließ. Plötzlich hörten sie Stimmen vor sich, und im selben Mo ment tauchten auch die Mauern der Mühle dicht vor ihrwu Mts. Melanie sah Lichter und viele Menschen, die sich alle nm einen Punkt drängten. Das Mahlwerk, das sonst Tag I und Nacht ging, stand still und die Schleusen waren gc- I schlossen. Valentin fühlte seinen Arm plötzlich mit krampfhaftem » Druck umklammert. „Dort — dort muß er sein!" stammelte Melanie, ß während ihre Zähne vor Frost oder Aufregung zusammen- > schlugen. „Lebend oder tot — tot —" „Um Gottes willen, Mela, was fällt dir ein? Wie I kommst du auf so schreckliche Gedanken?" Aber sie riß ihn nur stumm mit sich fort, dem Men- » schenknäuel zu. Da versperrte ihnen plötzlich Dr. Holly ! den Weg. Er sah verstört aus und zog ohne weiteres I Melanies Arm in den seinen, während er Valentin einen I bedeutsamen Blick zuwarf. „Kommen Sie mit mir, gnädiges Fräulein!" sagte er ! sanft. „Dort drüben ist jetzt kein Platz für Sie." Sie starrte ihn einen Moment entgeistert an. Dann I schrie sie laut auf. „Tot? O, ich wußte es ja ... !" Sie wäre zu Boden » gefallen, wenn Hollys starker Arm sie nicht rasch umfangen I und gestützt hätte. Aber die Schwäche dauerte nur Sekunden. Dann sah « sie Holly mit demselben entgeisterten, vor Schreck wie ver- . steinerten Blick an. „Und — haben — Sie den Mörder — diesmal?" > murmelte sie. Holly prallte erschrocken zurück. „Aber, gnädiges Fräulein! Von Mord ist ja gar keine > Rede! Ein Unglücksfall —" „Wie geschah es?" mischte sich jetzt Valentin ein. „Wo » fanden Sie die Leiche, Herr Doktor?" „Hier im Mühlentümpel unter dem Rad. Vorher fan- I dew wir ein Stück oberhalb der Mühle die Stelle, wo dr I gefischt hat und leider verunglückt ist. Gerade da, wo der ; Mühlgang vom Fluß abzweigt, lagen seine Korbtasche und » Angelgeräte. Schnur und Rute, die ihm jedenfalls im Fall I entglitten, hatten sich in den Uferpflanzen verfangen. Hart I daneben sah man in dem glitschigen Lehmboden noch die » Spur, wo er gestanden, und davor, an der Böschung, die » Stelle, wo er abrutschte. Offenbar machte er, im Sporteifer k und durch den Nebel getäuscht, einen Schritt zu weit vor,