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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger : 20.08.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841112631-192508208
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841112631-19250820
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841112631-19250820
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-08
- Tag 1925-08-20
-
Monat
1925-08
-
Jahr
1925
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ov»tz nur ausnahmsweise für einzelne Fälle be sonderer Leistungsfähigkeit aus pädagogischen Gründest die Möglichkeit gegeben werden soll, Schüler nach nur dreijährigem Erundschulbesuch in eine höhere Schule oder eine höhere Abtei lung einer Volksschule aufzunchmen. Unter be sonders leistungsfähigen Schülern sind besonders begabte Schüler zu verstehen, deren körperliche und geistige Veranlagung und bisherige Schul leistungen bestimmt erwarten lassen, daß sie mit guten Schülern der nächsthöheren Alters- und Klassenstufe in Aufnahme, Verarbeitung und Ausdruck im Unterrichte ohne Uebcrspannung ihrer Kräfte mit gutem Erfolge Schritt halten. Ein Schüler kann nicht schon deshalb als beson ders leistungsfähig gelten, weil er in der Grundschule gut beurteilt wird, oder weil er durch besondere private Förderung die von der nächsthöheren Alters- und Klassenstufe verlang ten Kenntnisse erreicht hat. Den besonders leistungsfähigen Kindern wird die Möglichkeit gegeben, im 1., 2. oder 3. Erund- schuljahr zwei Klaffen zu durchlaufen. Dahin gehende Anträge haben die Erziehungsberechtig ten spätestens bis zum 31. August eines jeden Jahres bei der Schulleitung zu stellen. Die Ent scheidung über diese Anträge trifft der zuständige Bezirksschulrat. Der Uebergang unmittelbar aus der dritten Erundschulklasse zur höheren Abteilung der Volksschule oder zur höheren Schule ist nur ganz ausnahmsweise und nur mit besonderer Geneh migung des Ministeriums für Volksbildung zu- lässig. Der Grundschule bleibt es überlasten, in ge eigneten Fällen den Erziehungsberechtigten von sich aus Anregung zum rascheren Aufrücken oder zum vorzeitigen Ilcbergang eines Schülers in die höhere Abteilung der Volksschule oder in dis höhere Schule zu geben. Geheimrat Kehrer endgültig entlasten? Nach einer Mitteilung der „Dresdner Volks zeitung" hat dis sächsische Regierung den Assisten ten der Dresdner Frauenklinik am 4. August offiziell mitgeteilt, daß Pros. Kehrer nicht wieder auf seinen Posten zurückkehrt. Dazu erfahren wir, daß auf Grund dieser Maßnahme 4 Assistenten der Frauenklinik, dis sich hinter Kehrer gestellt haben, ihre Kündigung kinge reicht haben. Da ein Beschluß des Eesamtnnni- steriums noch nicht vorliegt, muß es sich um eine eigenmächtige Handlung des Innenministeriums handeln, das in der Behandlung des Falles Keh rer schon wiederholt eine merkwürdige Nolls ge spielt hat. Die Tierseuchen in Sachsen Nach dem amtlichen Berichte des Landssge- sundheitsamtcs über den Stand der Tier- j e u ch e n in Sachsen ist die Maul- und Klauen seuche am 13. d. M. in 17 Gemeinden und 43 Ge höften sestgestellt worden. Am 31. Juli war der Stand 23 Gemeinden und 43 Gehöfts. Die Toll wut weist einen leichten Rückgang auf. Sächsisches Hohenstein-Ernstthal, 20 August 1928. Wolkig, wärmer, zeitweise Regen, nördliche Winde. Temperatur vom 1V. August: Minimum 4-11.6, mittags 12 Uhr -s-16.2, Maximum -i-18.1. —stg. Als ob das nichts wäre: Gestern Regen und herbstliches Wetter — früh und abend Nebel — heute wieder Sonnenschein unV blauer Himmel. So dürfen wir also den Mantel noch länger im Schranke hängen lassen, den wir schon hcrausnchmcn wollten! Nun, wir wollen ja nicht darüber klagen, sondern uns vielmehr und herzlich über dis Gunst des Wet ters freuen, das uns noch eine Weile drauhen in der Natur, in Wald^und Feld „herumstrolchen" läut, durch das ein Abschiednehmen geht: denn die bunt gefiederten Sänger rüsten sich zur Reise nach dem warmen, sonnigen Süden. Teilweise ist dies schon bei verschiedenen Vogelartsn geschehen. Wir erinnern nur an die Störche, die schon oft in vielen Ortschaften unseres engeren Bezirkes gesehen wurden .... Seien wir also — es sei noch einmal betont — über die sommerlichen Tage, die uns noch geschenkt werden, froh! —* Einige vergnügte und gcnunrcichc Stunden stehen den Besuchern der Saalwcihe im „Schützen hause" morgen abend bevor. Der Saal ist unter der Leitung der Herren Malermeister Türschmann und Nudelt neu gemalt und dadurch eine Vergnügungs stätte ersten Ranges geworden. Wir empfehlen den Besuch und verweisen auf die Anzeige in der heuti gen Nummer. —stg. Am kommenden Sonnabend wird der „Schönburger Hof" neu eröffnet werden. Aus diesem Anlasse findet ein Konzert statt. Für Sonntag ist ein reichhaltiges Varietccprogramm vorgesehen. Alles Nähere sagt eine morgige Anzeige in unserem Blatte. —* Das Landeskriminalamt teilt mit, daß außer falschen Dreimarkstücken, vor deren An nahme erst kürzlich gewarnt wurde, falsche Einmark- und Nenteufünfzigpsennigstüae in Umlauf sind. Die bisher aufgetauchten falschen Einmarkstücke sind aus einer minderwertigen Legierung gegossen, wodurch sie einen unreinen Klang erhalten. Um ihnen den Anschein echier Münzen zu geben, sind diese Falfchstücke teilweise vernickelt oder versilbert worden. Bei einem Vergleiche mit echten Stücken sind die Falsch- stücks ohne weiteres an der unscharfen, ver schwommenen Ausführung der Schrift- und Adlerscite erkenntlich. Insbesondere fehlen aber bei den falschen Einmarkstücken die Naud- arabesken üezw. sind diese nur unvollkommen nachgeahmt. Die angchaltenen falschen Nenten- fünfzigpfennigstücke sind verhältnismäßig gut nachgemacht. Sie können aber bei einem Ver gleiche mit echten Stücken an der ungleich mäßigen Schrift und den Aehren als falsch er kannt werden. Das Landeskrimmalamt weist noch darauf hin, daß jede Veränderung eines Falschslückcs (Einschneidsn, Verbiegen usw.) unterbleiben muß, da sonst die Prüfung und Feststellung des Herstellers erschwert wird. Das Landeskriminalamt warnt vor Annahme solcher Falschstücke und ersucht, auftauchende Falschstücke in unverändertem Zustande sofort an die nächste Kriminaldienststelle unter Anzeigeerstattung ab zuliefern, verdächtige Verausgeber aber fest nehmen zu lassen. —* Oberlungwitz, 2g. August. Der Turnverein „Germania" (D. T.) hielt am vergangenen Sonntag auf seinem Hallengrundstück an der Herrmannstrahe sein diesjähriges Schauturnen ab, das leider unter der Ungunst der Witterung etwas zu leiden hatte. Trotzdem waren eine ganze Anzahl Freunde und Gönner des Vereins erschienen. Nach einem Umzug durch den oberen Ortstcil auf dem Turnplatz ange kommen, begannen sofort die turnerischen Vorführun gen, die bis auf etliche, sämtlich gut gelangen. Nicht unwesentlich dazu beigctragen hat die Albcrtbund- kapelle, die sich dem besonderen Takte der Uebungen gut anzupassen verstand. Die anschließende Gesellige hielt dann die Anwesenden noch einige Stunden im besten Einvernehmen zusammen. — Der Herbstball wird am 28. August im „Casino" abgehaltcn werden. — Lichtenstein-E, 19. August. Am Sonntag abend entstanden auf der Aueßeren Glauchauer Straße insofern Zwistigkeiten, als sich ein Fubr- merk durch den Lampionzug eines kinderfeft- seiernden Vereins bewegte, den Zug also für einen Augenblick trennte. Jeder wollte bei dem Zwist Recht haben und bald diente man sich gegenseitig mit „schlagenden Beweisen" für die ausgestellten Behauptungen. Einige Beteiligte wurden hier- bei verletzt. — Glauchau, 19. August. Ein schwerer Un fall ereignete sich in der Auestraßc Der Betriebs leiter des Elektrizitätswerkes. Herr Keller, kam mit seinem Motorrad vorschriftsmäßig die Aue- straße entlang gefahren. Als er die Fabrik von Harnisch passierte, kam dort aus dem Tor auf eurem Fahrrad Herr N. von hier. Als dieser die Gefahr eines Zusammenstoßes mit dein Motorrad erkannte, warf er sich vom Rade. Keller war nun gezwungen, mit seinem Motorrad über das am Boden liegende Rad zu fahren. Dadurch kam er mit seinem Motorrad zum Sturze und erlitt dabei so schwere Verletzungen, daß er trotz ärzt» lsther Hilw schon in der Nacht verstarb. -— Ier-fau, 19. August. Am Dienstag nach mittag gegen 2 Uhr ereignete sich im hiesigen Hausgrundstück Hauptstraße Nr. 13 zwischen dem Händler P. und einem Händler F. aus Glauchau eine tätliche Auseinandersetzung mit üblen Fol gen. F. beschuldigt P., ihm einen Anzug uud IO Kilo Zink gestohlen zu haben. Während einem Handgemenge wurde P. durch Messerstich am rechten Oberarm und F. an der rechten Hand verletzt. Dis mit anwesende Ehefrau des F. trug eine Verwundung am Kopfe davon. P., der sich in feine Behausung flüchtete, wurde von F. mit einem im Hofe liegenden Beils verfolgt, wobei F. nicht weniger als sechs Türen zerschlug, um sich Einlaß in die Wohnung P. zu verschossen. Die Familie P. rettete sich durch die Fenster, ebenso P., um sich in der Nachbarschaft verbinden zu laßen. F. gab seine Verfolgung noch nicht auf und konnte nur durch das herbcigerusene ! Ueberfallkommando der Sipo von feinem wei- ! teren Vorhaben abgehaltsn werden. Nachdem !die drei Verletzten durch den herbeigerufenen Polizeiarzt verbunden worden waren, wurden alle drei Personen mit einem Sanitätsauto dem Krankenhauss zugsführt. Diese Angelegenheit dürfte für die Beteiligten noch ein Nachspiel haben. — Zwicks«, 18. August. In der Nacht zum Diens, tag gegen 1 Uhr ist beim Zigeunerhäuschen, kurz vor Werdau, ein Auto an einen Baum angefahren. Die Karosserie wurde beschädigt; zwei Personen sollen verletzt worden sein. In derselben Nacht wurden ein Herr aus Kirchberg und eine Dame aus Werdau !n das hiesige Krankenstist cingelisfert, die vermutlich mit dem Unsall in Verbindung stehen. — Zwickau, 18. August. Am Freitag mittag ver unglückte der Bergarbeiter Heidel auf dem Brücken, bergschacht 3 dadurch, dah er unter einen durchgehen den leeren Kohlenwagen zu liegen kam. Er wollte den Wagen wieder ins Gleis heben. Der Wagen kuppelte sich von den anderen los und ri» ihn um. Der Verunglückte wurde dein Krankenstift zugesührt, wo er seinen Verletzungen erlegen ist. — Zwickau, 18. August. Wegen vorsätzlicher Brandstiftung ist der Strumpfwirker Friedrich Franz Zehl am 7. Mat vom Gemeinsamen Schöffengericht unter Anrechnung von sechs Wochen Untersuchungshaft zu zwei Jahren Ge- füngnis und drei Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt worden. Der Angeklagte hat dagegen Berufung eingelegt und geltend gemacht, daß fein zurzeit flüchtiger Bruder Emil der Täter sei, und daß er in der Voruntersuchung die Schuld nur auf sich genommen, um den eine Führerstellung in der kommunistischen Partei einnehmenden Bruder zu schonen, daß aber nach dessen Flucht diese Rücksicht Wegfalls. Ueber die Berufung Zehls und der Staaisanwaltfchaft ist schon ein mal verhandelt worden. Die Verhandlung musste aber vertagt werden, da der Verteidiger Dr. Sachse neue Beweisanträgc gestellt hatte. Ans diese hin waren heute die Schwiegereltern uud die Ehefrau des Angeklagten sowie die Ehefrau des flüchtigen Emil Zehl geladen. Schwieger mutter und Ehefrau machten von ihrem Zeugms- verweigeruugsrechte Gebrauch. Die Aussagen dcs Schwiegervaters waren ziemlich unbestimmt. Dem Gericht lag ein Zettel vor, den die Frau Emil Zehls geschrieben, worin sie wünscht, das; Franz Zehl garnichts aussagcn oder alles ab leugnen möchte, damit das Verfahren in die Länge gezogen werde und ihm eine nach der Wahl des Reichspräsidenten zu erwartende Am nestie zugute komme. Der Angeklagte bleibt auch heute dabei, daß nicht er, sondern sein Bruder Emil der Brandstifter sei. Als er von einem Eerichtsbeamteu dessen Flucht erfahren, habe er dies sofort erklärt. Sein Bruder Emil habe in Chemnitz einen Brief au ihn hinterlassen, worin die Tat ganz genau geschildert gewesen sei, und der die Aufforderung au ihu enthalten, die Tat auf sich zu nehmen, da er im Begriffe stehe, in die Tschechoslowakei zu entfliehen. Es wurde ihm vorgshalten, warum er den Brief, der sehr zu 'einer Entlastung dienen könnte, vernichtete. Der Staatsanwalt sprach sich dahin aus, daß Franz Zehls Versuch, sich zu entlasten und sein Alibi zu beweisen, in der Hauptsache mißlungen sei. Sein Geständnis werde durch einen Kassiber, den er seiner Frau Habs zustccksn wollen, wesent lich unterstützt. Daß der Mittäter Jahr Franz und Emil Zehl verwechselt, wie er angegeben, halte er für ausgeschlossen. Die ganz eingehenden Geständnisse Jahrs und Franz Zehls, die unab- Lebsnsdiirmzen Ein Kaufmannsroman Von Julius Eduard Müller 32) ^Nachdruck verboten). Reißmann war, während diese Anklagen auf ihn herniedcrprassclteu, ganz klein und still ge worden. Deutlich erkennbar gab er das Spiel verloren. Fast schüchtern erwiderte er nur: „Wenn Ihr alles zusammeugetragcn habt, was mich belastet, so wäre cs doch auch recht und billig, auf der Gegenseite das zu verbuchen, was ich Gutes an dec Familie Rauschenbach getan habe. Wer war es, der sich ihrer und ihres Ge schäftes angenommen hat, als der Vater plötzlich starb und dis Nsrmögeusverhältnisse der Familie sich in recht kritischem Zustande befanden?" „Du willst uns, wie wir dich kennen, und nach dem, was wir über die Ereignisse wissen, doch nicht weiß machen wollen, daß du dich der Familie aus Freundschaft und Nächstenliebe an genommen hast", entgegnete Hans Hoffmann. „Du hieltest eben die Verhältnisse für günstig, um dir eine gute Existenz zu schaffen, und deine Berechnung hatte nur mit dem einen wichtigen Faktor nicht gerechnet, nämlich mit dem, daß Lea Rauschenbach eine andere war, als diejenige, für welche du sie eingsschützt hattest. Daran, daß sie dich von Anfang an richtig erkannt hat, uud daß sie mit seltener Energie die Leitung des Geschäfts in die Hand nahm, anstatt sie dir zu überlassen, sind deine Pläne gescheitert. So liegen die Dinge, und deine angeblichen Verdienste um die Familie Rauschenbach schmelzen recht bedenklich zusammen, wenn man sie von diesem Gesichts punkte aus betrachtet." „Ja, die Bilanz seines Lebens, weist jeden falls ein gewaltiges Defizit auf", fügte Frau Dr. Riedinger hinzu. Sie weidete sich offenbar mit einer gewissen Grausamkeit an den Qualen ihres Gegners. Hans Hoffmann sah nach der Uhr. Es geht wirklich schon auf Mitternacht", sagte er. „Ich finde, es ist keine Zeit mehr zu langen Ausei nandersetzungen. Ich muß dich ernstlich bitten, deinen Entschluß zu fassen, ob du freiwillig das Haus verlaffen willst, oder ob wir uns von hier aus nach der Polizei begeben sollen, um Anzeige gegen-dich zu erstatten." „Und wenn ich mich von Euch hinauswerfen lasse, soll ich denn wie ein Bettler fortgchen?" „Was dein persönliches Eigentum ist, wird dir nicht vorenthalten bleiben. Du kannst ja be stimmen, wohin es dir gebracht werden soll." „Und keine Abfindungssumme? — Keinen Anteil am Geschäftsvermögen?" „Ich bin leider nicht imstande, über das Ver mögen der Familie Rauschenbach verfügen zu können. Vielleicht ist sie auch noch bereit, dir eine Abfindungssumme zu zahlen. Darüber kann ja noch verhandelt werden." „Ich beginne einzuschen", sagte Reißmann zähneknirschend, „daß ich vorläufig machtlos bin gegenüber dem Kesseltreiben, das Ihr so fein arrangiert habt. Ich werde innerhalb einer Stunde das Haus verlassen, in dem ich ja alles andere mehr als Freude und Glück erlebt habe. Hans Hoffmann wollte sich mit diesem Zuge ständnis einverstanden erklären. Frau Dr. Rie- diuger aber widersprach. „Eins Stunde?" sagte sic. „Das können wir unmöglich zugeben. Wer weiß, was Sie in einer Stunde für Unheil stiften würden. Eine Probe davon habe ich ja bereits heute abend gesehen. Sie packen so schnell wie möglich Ihre notwendigsten Habseligkeiten und machen sich-auf die Socken. — Zehn Minuten, — meinetwegen auch eine Viertelstunde, will ich Ihnen noch Zeit dazu geben. Dann muß aber das Haus gesäubert sein." Reißmann schoß ihr einen giftigen Blick zu, und machte sich dann daran, etwas Wüsche und einige andere Gegenstände in einen kleinen Koffer zu verpacken. Die non Frau Dr. Riedinger zugebilligte Frist war noch nicht verstrichen, als sich die Haus tür hinter Fritz Reißmann schloß, der dann, ohne Ich ein einziges Mal umzusehen, in die Nacht zineinschritt, der inneren Stadt zu. Frau Dr. Riedinger war schnell noch einmal hinaufgcgangen nach dem Zimmer Leas, um sich über das Befinden der Freundin zu unterrichten. Sie mußte dem vor der Haustür wartenden Hans Hoffmann leider die Mitteilung machen, daß die Vorgänge anscheinend einen sehr ungünstigen Eindruck auf die Kranke gemacht hätten; sie be finde sich zweifellos im Bauns einer schweren seelischen Depression. Hans nahm diese Mitteilung schweigend ent gegen; nur ein leiser Seufzer, den er nicht zu unterdrücke» vermochte, verriet seine innere Er regung. Schweigend schritten die beiden dann nebeneinander dahin. „Lassen Sie uns einen kleinen Umweg machen, Frau Doktor", sagte Hans Hosfmann zu seiner Begleiterin, als sie sich auf der Reichs straße befanden, „ich bin wirklich nicht in der Stimmung, schon jetzt nach dem Hotel zu gehen. Vielleicht kann ich auf einem kleinen nächtlichen Spaziergangs meine aufgepeitschten Nerven etwas beruhigen. Die letzte Stunde war zu furchtbar für mich." „Furchtbar? — Inwiefern?" „Nun, furchtbar schon wegen der Vorgänge an sich und doppelt furchtbar wegen der zweifel haften Nolle, die ich dabei zu spielen gezwungen war." „Ich wüßte nicht, was Zweifelhaftes an ihrer Rolle gewesen sein soll. Sie haben dieselbe gut erledigt und mir, offengestanden, ganz gut darin gefallen." „Aber ich mir selbst nicht; im Gegenteil, ich bin mir hundserbärmlich vorgekommen. Trotz allem, was vorgekommen ist, war es doch ein ehe maliger Schulfreund und Lehrkollege, an dessen wirtschaftlicher und moralischer Vernichtung ich Mitwirken mußte." „Ihre moralischen Skrupel in Ehren, sie sind aber diesem Gauner gegenüber nicht am Platze. Glauben Sie etwa, daß der untergeht? Seiner ganzen Veranlagung nach macht er auf dem Wege nach der Stadt schon wieder Pläne für den Aufbau einer neuen Existenz. Die Hauptsache ist, daß wir ihn aus unserem Gesichtskreis los werden, und daß wir ihn für uns unschädlich machen. Ich meine, gerade an Ihnen hat er doch ö viel verschuldet, daß Sie sich eigentlich als be rufenes Werkzeug gerechter Vergeltung betrach ten müßten, und — nach dem Kampf der Lohn. Morgen gehen wir miteinander zu Lea und machen ihr einen Besuch." „Nein, morgen befinde ich mich bereits auf der Rückreise nach Schweden", sagte Hans Hoff mann fest und bestimmt. „Was", rief Frau Dr. Riedinger ganz er staunt. „Nachdem Sie hier an dem großen Vs- freiungswerk mttgearbeitet haben, wollen Sie auf den Minnelohn verzichten? Für diesen Ihren Entschluß gibt es nur zwei mögliche Er klärungen: Entweder — nehmen Sie mir mein« Offenheit nicht übel — sind Sie in Dingen des Lebens und der Liebe ein großer Düffel oder Sie — und das scheint mir fast das wahrscheinliche« — Sie lieben die Lea nicht so, wie ich bisher an genommen habe." „Sie irren, Frau Doktor", erwiderte Hans, unwillkürlich stehen bleibend, „ich kann Ihnen dis Versicherung geben, daß es noch eine weiters Möglichkeit gibt, meinen Entschluß zu erklären: Gerade weil ich Lea noch liebe, wie in den Tagen meiner ersten Jugendschwärmerei, gerade weil sie mir das Höchste uud Heiligste ist, was ich auf Erden kenne, möchte ich nach den widerlichen Vorgängen des heutigen Abends vorläufig nicht vor ihre Augen treten. Ich würde ihr gegenüber immer das Empfinden einer gewissen Beschä mung haben, denn Lea muß doch unwillkürlich annehmen, daß ich zur Vernichtung eines andern meine Hand geboten habe, um meine selbstsüch tigen Ziele zu erreichen." Frau Dr. Riedinger schüttelte den Kopf. „Eine so übertriebene Empfindlichkeit ist mir bisher noch nicht vorgckommen", sagte sie nach einer Pause, „aber bedenken Sie auch, daß Len gerade jetzt Ihre Hilfe notwendig brauchens wird?" „Ich werde ihr dieselbe nicht versagen, sobald ich darum ersucht werde. Sagen Sie das, bitte, zu Ihrer Freundin, wenn Sie ihr meine herz lichen Grüße übermitteln. Meine Adresse ist ihr ja bekannt. Auf den leisesten Wink bin ich hilfsbereit." In Frau Dr. Riedinger regte sich das Ge fühl einer leichten Verärgerung, und sie sagis dem Gefährten ziemlich kühl: „Gute Nacht", als er sich im Vestibül des Hotels höflich von ihr ver-^ abschiedete. . /Schluß folgt)
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