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Unterhaltungs-Beilage zum MM-WWI« MM « AM Druck und Verlag von I. Ruhr Nacht. Dr. Alban Irlich, Hohenstein-Ernstthal. i — Schiffbruch im Hafen , Roman von Ida Dock. ; (2. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) ? „So — nun ist alles vorüber!" sagte er ganz laut, I aber gleich darauf erfaßte ihn seine alte Wildheit. „Nein, ! nein, nein!" Er ballte die Hände zn Fäusten. Wenn er ' jetzt nur seinen Jähzorn auslassen könnte! Wie er ihn I haßte, diesen Bogumil Lublinski! Wie kam dieser alte, I verlebte Kerl zu dieser Frau! Weil er sie mit seinem ! Gelde an sich fesselte, weil er sie mit Wohlstand und ! Lurus umgeben konnte, nur darum! Sie ist verwöhnt, I diese Frau, sie kann das Wohlleben nicht mehr entbehren < — nur damit ist es zu erklären, daß sie bei ihm bleibt — ; denn sie mag ihn nicht, nein — nein — sie mag ihn nicht. Wessel hatte ihn nie leiden mögen, diesen alten Geld- I aristokraten, diesen Lublinski! Und wenn er imstande » wäre, Annette das gleiche sorglose Leben zu bieten — sie I würde sein! — Nichts hält sie an den Gatten — als die I Angst vor einer ungewissen Zukunft! Wessel biß die Zähne aufeinander, so daß seine Ge- f sichtsmuskeln sich strafften. „Geld, und immer dieses - verfluchte Geld," rang es sich ihm jetzt drohend über die I Lippen. Was wollte er denn, er, der bis über die Ohren l in Schulden steckte! Er stampfte wild auf. Aber er emp- ! fand doch eine gewisse Erleichterung. Er hatte einen ! Grund für ihre Ablehnung gefunden — denn daß sie ihn I liebte, hatte sie ja zugestanden. Konnte er ihr's verargen, » daß sie vorsichtig war? Sie hatte ja recht — wenn es . jetzt zu einem Skandal käme — es wäre ein Unglück für sie ! und für ihn. Sie liebte ihn, also war noch nichts ver- I lorcn! O, sie war klug, diese Frau! Wessel trat langsam zu seinem Pferde und löste die I Zügel von dem Baumstamme. Bald suchte er seinen Weg i durch das Unterholz. In den Zweigen der Tanne, die die Leidensgestalt . des Heilands überschattete, saß ein Waldvogel. Er pfiff ! einen langgezogenen, schreienden Ton, der wie ein Spott- l ruf klang. Zweites Kapitel. Als Annette die Landstraße erreicht hatte, gab sie dem i Pferde die Sporen, als könne sie nicht rasch genug ans I der Nähe dieses schrecklichen Menschen kommen, Ler ihre , Ruhe bedenklich zu stören begann. Sie war schon ein ! gutes Stück zwischen den Pappeln dahingesaust, als sie I den Braunen endlich zügelte. Mit dem gemäßigten Trab stellten sich auch ruhigere ; Gedanken ein. Ah, war das eine Szene! Es war ihr doch > wirklich nie in den Sinn gekommen, diesen Leutnant l Wessel anders zu nehmen als alle die anderen Objekte, I an denen man die Künste der Koketterie ein bißchen übt! i Hatte sie in diesem einen Falle tatsächlich zu unvorsichtig » mit Lem Feuer gespielt — oder war das Feuer nur heißer, I lodernder als gewöhnlich? Annette erschien dieses ganze I Erlebnis als etwas überflüssiges, Lästiges. I Aber dann wunderte Annette sich wieder: War sie ! denn wirklich so glücklich, daß sie aus das Getändel ver- l zichten konnte? War nicht vielmehr das Spiel mit den Männern das einzige, was ihrem Leben einen gewissen I Reiz verlieh? Annette gestand sich ganz ruhig eia, daß ß sie in ihrer Ehe nicht glücklich war, daß nur die absolute » Sorglosigkeit sie zufrieden machte. Sie hatte sich ihre Ruh« » bisher auch nicht beeinträchtigen lassen, durch nichts und I von keinem. Sobald sie gemerkt hatte, daß irgend etwas I zur Beunruhigung werden könnte, war sie rechtzeitig und I geschickt zurückgewichen. Das hatte sie Wessel gegenüber offenbar verabsäumt. I Der ließ sich nicht einfach abschütteln! Aber das Bewußt- I sein, daß sie fortan genötigt sein würde, vorsichtig zu sein, , war ihr peinlich. Ihr bangte jetzt schon vor dem Auftritt I mit Bogumil; denn einen Auftritt würde es sicher geben, I wenn er erfuhr, daß sie Wessel für den Abend wieder ins » Haus gebeten. Warum er gerade, den sie gar nicht mochte! — Ah bah! . Annette warf den Kopf zurück und schürzte die Lippen wie I ein kleines Mädchen, das leichtsinnig über eine üble I Situation hinweg will. ; Plötzlich starrte Annette geradeaus: dort, wo der Weg i gegen das Gut Stramitz abbog, stand ein Reiter. Voll j beleuchtet vom Scheine der untcrgehenden Sonne, hob sich , die Silhouette scharf umrisscn von der klaren Luft ab. i Sie stutzte einen Augenblick — sollte Bogumil? — I Aber nein — wahrhaftig, das ist ja der kleine Probell! I Wie ein Kavallerieposten steht er stramm und unbeweglich. » Jetzt hat er sie bemerkt — hoppla, wie er sein Pferd » herumreißt. Jetzt sanft er heran und pariert knapp I vor ihr: „Gnädige!" — Wie atemlos das herauskam. I Annette mußte lachen, als sie bemerkte, daß in das i bartlose Gesicht des kaum Zweiundzwanzigjädrigen eine ' jähe Röte schoß und der Mann sichtlich die Haltung der» I lor, als ihr Blick erstaunt über ihn hinglitt. „Aber Baron, wie kann man nur so daherjagen? Es H ist gerade, als wenn Sie auf mich gewartet hätten?" „Hab' ich auch, Gnädigste!" gestand er naiv. „Wußten Sie denn, daß ich hier vorbeikommen ; würde?" „Ihr Stubenmädchen hat's mir gesagt. Ich bin uüm- ! lich bei Ihnen gewesen. Ja — ich dachte, vielleicht hätten I Sie bei dem herrlichen Wetter Lust zu einer kleinen Fuß- ; Partie mit mir —" Er sah Annette mit seinen großen, schwärmerisch i blickenden Augen fast scheu an. „Sie werden mich noch kompromittieren, Kleiner!" ! sagte Annette lachend. Sie sah, wie ihm neuerlich das i Blut in Lie Wangen schoß und er den Mund verzog. „So darf ich Sie Wohl nicht nennen?" fragte sie. „D, wenn Sie es sagen, ist es furchtbar schön und lieb, » Gnädigste — aber — die Kameraden, die necken mich I dann — und — und — das ertrage ich nicht!" „Da haben Sie auch ganz recht, Baron, ich will mir's I merken und Ihnen nie wieder den Namen geben!" ,O nein, gnädige Frau, das sollen Sie nicht. » Menschen, die ich liebhabe, von denen lasse ich mich ganz I