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Zekonde-Leutnant ernannt wurde, weil ihm dies äe reinste und ungetrübteste Freude verursacht >abe." Allgemein verständnisvollste Zustim- »ung, nur „Johanna", diese gütige und sonst so anpassungsfähige Frau, wollte oder konnte das nicht verstehen, denn sie blieb allein ernst. Nicht lange mehr, da hob sie die Tafel auf. Nun ging's ins Zimmer des Fürsten, wo' sich sol lende unvergeßliche Szene abspielte. Auf einem Tische stand als „Fidibushalter" ein «usgehöhl- ter Eichenklotz. Anstelle gewöhnlicher gefalteter Papierstreifen bestanden die darin befindlichen .Fidibi" aus festen etwa sieben Millimeter beei len Kienspänen, an deren Ende sich starke Köpfe lus chlorsaurem Kali befanden, also Riesen streichhölzer. Der Fürst suchte sich aus einem un geheuren Pfeifenkiibel, der ebenfalls ein aus- zehöhlter Eicheustamm des Sachsenwaldes war, eine unendlich lange „Favoritin" hervor, nahm >ann, die Pfeife im Mund, in einem Sessel Platz und streckte seine Beine ebenso wie den Pfeifenkopf weit von sich. Jetzt kniete die Ba ronin Merck, feine Gutsnachbarin, eine sehr schöne junge Frau in weißem Atlasgewand, vor Sem Hausherrn nieder, zündete den Kienspan unter starker Detonation an und hielt ihn an den gefüllten Pfeifenkopf. Bismark tat mit un endlichem Behagen ei» paar mächtige Züge, zog darauf die Hand der sich mit vornehmer Grazie erhebenden Edeldame ritterlich an die Lippen, wobei sich die Rauchwolken um beide zu zerteilen begannen. Schweigend stand die Ge sellschaft um sie herum, ganz in das wundervolle Bild versunken: Zeus in de» Wolke» huldigt der Hera. Das Zimmer war bald hübsch mit Rauch er füllt. Jetzt bat der Fürst die Herre», doch bei ihm Platz zu nehme». Ma» zögerte: da bedeu tete mir Lange, die Wahl des ersten Platzes sei mir überlasten. Nach altem Brauch wurde ,o jeder neue Gast geehrt. Nun gruppierte man sich um „uns" herum. Welch stolzer Augenblick füc mich! Der Fürst sprach über alles Mögliche, wie es gerade die Antworten der Herren ergaben, u. a. auch über das Photographieren des Fluges der Vögel und der Insekten mit Hilfe der damals ge rade zu einer gewissen Vollkommenheit gelang ten Kinematographen: über italienische Re naissance, über die Wunder Indiens und die Zahl der englischen Sprichworte, die den Gedan ken „Time is money" variieren. Der Fürst kannte sehr viele solcher Sprichworte, ich glaube, es waren elf. Und als er glaubte, alle erschöpft zu haben, fiel ich ein: „Durchlaucht, ich kenne noch eins." Nach kurzem Nachdenken sagte er: „Nun?" Worauf ich: „The slecping fox —" „catches no poltries", vollendete er mit mir zu sammen. (Der schlafende Fuchs fängt keine Hüh ner.) Diesen Satz hatte ich zufällig irgendwo jüngst gelesen: der Fürst aber meinte, ich sei ja ein ganz unerreichter Engländer und fügte mit leichter Verbeugung jovial hinzu: „Alle Achtung!" Mit solcher amüsanten und anregenden Plau derei war bald die zweite Stunde unseres Aufenthaltes in des Fürsten Hause verronnen, und nun kam der unvermeidliche Augenblick, wo der Zeremonienmeister die Chapeaus aller Her ren zwischen die Sessel und deren Rücken schob und jedem leise zuraunte: „Jetzt bitte freundlich höchstens noch eine Viertelstunde: der Fürst muß um halb zehn Uhr im Bett sein." Als er es auch mir sagte, mußte das Bismarck wohl oder übel höre», lachte dazu und sagte launig: „Ich habe mich schon lange daran gewöhnen müssen, keinen eigenen Willen zu haben," und plauderte dann munter mit uns weiter. Als wir uns erhoben, sagte der Fürst zu mir: „So leicht kommen Sie hier nicht fort: meins Frau wünscht noch etwas von Ihnen." Gespannt, was das wohl sein könne, erblickte ich sie im Nebenzimmer. Und liebenswürdig, fast herzlich, jagte sie zu mir: „Es ist Brauch in unserem Hause, daß sich unsere Gäste ins Fremdenbuch eintragen: die Frau Baronin wird, die Güte haben, Sie dahin zu führen." Die fchöne Frau ging mir mit einer mächtigen Federpose, die sie in der Hand hielt wie ei» Friedensengel einen Palmenzweig, voran. In einem kleinen dämmrigen Raum lag, wie auf einem Alta , das Fremdenbuch: zu beiden Seiten stand je ein schwerer Kandelaber. Ich bat die Baronin, nicht ungnädig zu sein, wenn ich gern meine Vordermänner kennen lernen möchte, ehe ich selber einschrieb. Dazu lächelte sie auf- munternd und meinte, das kenne sie gar nicht anders: ich möge nur studieren, solange es mir behage. Was fand ich da für große Namen! Allein mein Vordermann als Tischherr der Für stin, der sich hier zuletzt eingetragen hatte, war der König Karl von Rumänien gewesen. Versunken in die große Vergangenheit, die das Buch auf jeder Seite atmete, wurde ich plötz lich durch Rauchwolke», die von der Decke her- zukommen schienen, zur Gegenwart zurückgeführt. Mein Auge, die Ursache der Rauchwolken suchend, blickte in die Höhe, und da der Rauch von hinten kam, wandte ich mich um — und siehe da, un mittelbar vor mir stand schmunzelnd der mich überragende Fürst, mächtig aus seiner Pfeife paffend. Freudig überrascht rief ich: „Durch laucht befehlen?" — „Ich wollte Sie nur fragen, ob Ihnen mein Lange nicht geschrieben hat, daß Sie bei mir Nachtquartier nehmen sollten?" — „Er tat es, Durchlaucht, aber ich habe ei» kleines Töchterchen zu Hause, das mich nur Sonntags sicht, und das sich nach dem Vater sehr bangen würde, wenn er morgens nicht mit ihm spielte." — „Vis major," nickte der Fürst zustimmend; „nun dann reisen Sie mit Gott; ich hoffe aber, Sie machen mir bald wieder einen so interessant ten Bericht über die Lage der Industrie, sobald Sie hier in der Nähe zu tun haben." Sprach's, drückte mir nochmals kräftig die Hand und ver ließ das kleine, weihevolle Gemach. Ich fühlte, daß solche erhabenen Stunden, wie ich sie soeben unter dem Dach dieses wahr haft Großen der Weltgeschichte erlebt hatte, nie mehr für mich wiederkehren würden. Wie,sagt der amerikanische Historiker John Motley?: „Das ist der große Bismarck, einer der größten historischen Charaktere, die es je ge geben. Ganz gewiß lebte nie ein Sterblicher, der so unaffektiert war und auch kein genialerer." So denke auch ich. Was der Mond erzählt... ! Ein Geschenk der Himmlische» Von Walter Steeger Die Liebe und Freundschaft der Menschen ist kurz und unbeständig. Oft hat sie der Tag ge bracht, und dann brennt sie lichterloh, um bald wieder zu verlöschen. Denn nur selten wächst sie zu jener machtvollen Größe und Herrlichkeit auf, wie sie sei» sollten: rein, treu und selbstlos. Lebenskaineraden müßt ihr sein und euch Hel sen und beistehen in allen Lebenslagen. Denkt an das Wort eures Herrn und Meisters: Du sollst deinen Nächsten liebe» als dich selbst. Aber Liebe und Freundschaft verlangen auch ein starkes Verzeihen. Nur zu oft werdet ihr ge rade von den Menschen, denen ihr euer Herz ge schenkt und fest vertraut habt, enttäuscht und ver lassen. Murrt und hadert dann nicht mit dem Allmächtigen und eurem Geschick. Hat euer Hei land in Zeiner unendlichen Liebe nicht mehr für L'Zs/ZsZ Z/s u sM aZs Dämon Gold. Roman von -Hans Hyan. 22j (Nachdruck verboten.) 16. Kapitel. Erich von Holleben halte gezögert, den Adelsklub wieder zu besuchen; er wußte, daß Raoul Meie- nach wie vor dorthin kam «nd ver mied es als der Zartfühlendere und Taktvollere von beiden, seinerseits dort mit seinem Gegner zusarmenzutreffen. Denn Raoul Meier dachte garnicht daran. Er hielt an dem Grundsatz fest, daß derjenige, wel cher seinen Feind zu treffen vermeidet, sich selbst dadurch ins Unrecht setzt. Obwohl sicherlich Raoul Meier es war. der die Veranlassung zu dem Zwist gegeben hatte, so dachte er doch keinen Augenblick daran, sich selber die Schuld beizumessen. — Wozu hatte denn der Graf nötig, gleich den Beleidigten zu spielen? — Er war ja damals der Julia auch noch nicht mit einem Blick zu nahe getreten! — Herr von Holleben hätte schön warten sollen, bis er wirklich Grund hatte, Aufhebens von der Sache zu machen. Deshalb sollte er, Raoul Meier, der keine Gelegenheit vorübergehsn ließ, mit der Haute volee in Berührung zu kommen, jetzt auf einmal seine Bekannten im Adelsklub nicht mehr sehen?! Der Kürassierleutnant dachte anders und es mußte schon ein zwingender Grund sei», der ihn veranlaßte, heute abend den Klub wieder auszu juchen. Erich von Holleben war nicht eigentlich das, was man einen Spieler nennt. Er war ein jun ger Lebemann, dem große Mittel zur Verfügung standen und für de» es deshalb gewissermaßen Tradition war, neben andere» Passionen auch dem Hazard zu huldigen. Er spielte nicht so sehr des Nervenreizes we gen, mit dem diese unselige Leidenschaft die ihr Verfallenen immer wieder ködert, für ihn war jetzt, wo seine pekuniäre Lage sich so ungünstig gestaltet hatte, der Gewinn die Hauptsache. War er früher an den grünen Tisch getreten, um sich zu zerstreuen und zu amüsieren, so verfolgte er nun- Aehr den Ausschlag der Karten mit den brennen-j den Blicken der Verzweifelten, der von ihrem nie zu berechnenden Zufall Rettung erhofft. Heule abend hatte er sich mit großen Schwie rigkeiten ein paar blaue Lappen verschafft und war sie in einer Viertelstunde los geworden, Jetzt saß er im Nebenzimmer beim Sekt und trank und trank. Er wollte sich betäuben, um wenigstens für Stunden de» nagenden Ge wissensbissen und der Angst vor der Zukunft zu entgehen. So traf ihn Herr Zitzewitz, der eben den letz ten Fünfzigmarkschein von den 1560 Mark ver loren hatte, die ihm der Bankier vor einer hal ben Stunde geliehen. Die Herren begrüßten sich und hatten mit einen, einzigen Blick ihre beiderseitige Situation erfaßt. Das brachte sie einander näher und sie, die sich sonst ziemlich fern von einander gehalten hat ten, sprachen nun angelegentlich über alle mög lichen Dinge, die sie im Grunde genommen gar nicht interessierten. Beide von derselben heim lichen Begier getrieben, wieder hiniiberzugehen zu den Tischen, wo das Geld rollte, und das ein tönige Gewonnen und Verloren von den Lippen des Bankhalters erscholl. Einen Augenblick hatte Zitzewitz die Idee ge habt, den Grafen «nzuboraen, und fast zu der selbe» Zeit war auch i» Erich von Holleben der selbe Gedanke aufgetaucht. Aber die heimlichen, durch die Tür des Speisesaals hinausirrenden Blicke Hans Kuno von Zitzewitz' und das nervöjc Spiel der gräflichen Hände mit den Verloques der seinen goldenen klhrkette verrieten eins dem anderen, daß jeder derartige Versuch töricht wäre. „Wollen wir nicht hinübergehen?" jagte der Redakteur endlich zögernd und sah in dem chnellen Anffpringen des Grafen, daß jener ;anz dasselbe Verlangen wie er trug. „Ich habe nur ein wenig pausiert," meinte Erich von Holleben, und von Zitzewitz erwiderte: „Ja, wenn man im Verlieren ist, gibt cs nichts Besonderes!" Während er das aber sagte, dachte er immer- kort daran, daß ihm Raoul Meier »och weitere 1500 Mark versprochen habe. Eie standen neben dem großen Mitteliisch, wo getempelt wurde und der Redakteur, dessen von den Karten faszinierter Blick sich plötzlich erhob, sah wie in jähem Erwachen mit einer Art von Verwunderung aus die glänzende Um gebung. Es fiel ihm auf einmal auf, daß hier nirgends ein Leuchter oder ein Beleuchtungs- gegeustand sichtbar war. Aus den kassettierten Mahagonitüfelunge» der Wände drang in ge heimnisvoller Weife Licht hervor und erweckte den Anschein der Tageshelle in diesem Raume, dessen Fenstervorhänge und schwere Portieren doch dicht und fest zugezogcn waren. von Zitzewitz sah die Klubdiener in ihrer schwarzen Livree umhergehen und Getränke bringe», er hörte das Rufen der Klubgäste nach Spielmarken und Zigarren und überlegte sich, was das alles für ei» Geld kostete, er sah das Gold vor seine» Blicken dahinrollen und die Hundert- und Tausendmarkscheine von einer Hand in die andere gleiten, als wären es Papier- jchnitzel, und auf einmal kam es ihm so vor, als sei dieses ganze üppige Leben um ihn her nur ein Traumgebildc, aus dem er plötzlich zu einer nüch ternen, schreckensvollen Wirklichkeit erwachen müßte. Und in dieses Hindämmern seiner Gedanken mischten sich Bilder der Vergangenheit. Er sah auf einmal die Wirklichkeit, zu der er erwachen würde, wenn er sein letztes Spiel verloren hatte: damals, als er die Uniform schuldenhalber hatte an den Nagel hängen miijsen, da war diese Wirk lichkeit über ihn hereingebrochen! — Er hatte eine ganze Zeit als Versicherungsagent herum- laufen müssen; treppauf, treppab hatte er jagen müssen, nur damit wenigstens jein« Garderobe anständg blieb, den» mit den üblichen Genüssen war's damals knapp gewesen. Wie oft hatte er mittags bei Aschinger gegessen und zu einer Wurst für 60 Pfennig schamvoll eine ganze An zahl Brötchen vertilgt. Bis dann einer seiner Bekannten seine Begabung für den Journalis mus entdeckt hatte. And nun war ihm aller dings die Beschäftigung mit kaufmännische» Din gen, der er sich inzwischen in der Hoffnung auf einen Bankposten mit Eifer hingegeben hatte, sehr zu statten gekommen. Anfänglich Reporter und Hilfsredakteur, hatte ihn eine günstige Chance verhältnismäßig bald in den Posten eines Handelsredakteurs an den „Berliner Nachrichten" aufrücken lassen und sein scharfer Blick für das Geschäftliche, sein unleug barer Fleiß und seine wirklich tadellosen For-j men hatten ihn schnell zu einem beliebten Mit« glied in der Presse gemacht. Und all' das sollte er jetzt um dieser verfluch» ten Leidenschaft willen, die ihm schon jo viel ge- kostet hatte, wieder aufgeben?! Nein, nein! Er wollte sich beherrschen und wenn er hundertmal die Nacht nicht schlafen konnte und immer nur de» diabolischen Tanz der Kartenblätter und der elfenbeinernen Spielmar» ken vor seinen brennenden Augen sah — einmal, das hoffte von Zitzewitz sicher, würde der Tag kommen, wo er dieses schmähliche Laster in sich erstickt haben und wieder ein freier und glück licher Mensch sei» würde! »Ich gehe, Herr Graf," jagte ec zu dem Kü- kassier, und dabei war es ihm, als müßte er weinen. Aber er bezwang sich und Erich von Holleben, der ihm mit einem merkwürdigen Aus druck im Gesicht nachblickte, »och einmal zunickend, wollte eben den Spielsaal verlassen, als Raoul Meier vor ihm^stand. „Wo wollen Sie denn hin?" fragte der Ban kier. „Sie haben sich doch die andere Hälfte Ihres Geldes noch gar nicht geben lassen!" von Zitzewitz stotterte etwas von müde sein, Kopfschmerze» habe» — aber was er eigentlich sagen wollte, das brachte er nicht über die Lip pen; er wollte diesem Menschen, der ihn noch an der Schwelle «ufhielt, zurusen: „Ich will Dein Geld nicht und ich werde Dir auch das andere wiedergeben! Du sollst mich dafür von meinem Versprechen entbinden, dann ich kann Dir diesen Artikel nicht schreiben! Es ist das letzte, was ich noch besitze, was Du von mir verlangst: mein ehrlicher Name! Verliere ich auch den noch, dann bin ich selbst verloren!" Aber von alledem sprach Hans Kuno von Zitzcwitz nicht ein Wort. Mit kaum uoch vor handenen! Widerstreben ging er mit dem Ban kier zurück an die Spieltische, nahm auch die zweiten anderthalbtausend Mark und wollte eben wieder in den dunklen Pfuhl seines Laster« hinabtauchen, als Raoul Meier ihm die Hand auf den Arm legte und flüsternd sagte: „Wollen Sie noch 1000 Mark mehr haben, Zitzewitz?" Der Redakteur sah ihn groß an, als hätte eH, ihn nicht verstanden. (Fortsetzung folgt.)