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— , „Sind Sie denn mit dem Mädel noch nicht einig? I Haben Sie sich noch nicht erklärt?" „Es fehlte mir dazu an Mut, Herr Konsul! Ich ! fürchtete neben Doktor Lettinger keine Aussichten mehr zu I haben." „Na, was das betrifft, so dürfen Sie ganz ruhig sein. « Eva hat mir erst an diesem Morgen den Wunsch ausge- > drückt, ihm nicht mehr in unserem Hause zu begegnen." Freudig überrascht blickte Stuart Milner auf. „Ist I es möglich? — O, dann habe ich allerdings wieder Hoff- ; nung. Und ich würde Ihnen als Schwiegersohn nicht zu > gering sein, Herr Konsul?" „Weshalb denn zu gering? Ein bißchen zu jung l vielleicht. Aber es braucht ja auch nicht schon morgen ge- j heiratet zu werden. Daß ich auf Vermögen nicht so sehr zu ! sehen brauche, wissen Sie, und im übrigen ist mir Ihre l materielle Lage ja hinlänglich bekannt. Erhebliche Schulden I haben Sie doch wohl nicht?" ! „Nicht einen Pfennig." „Nun, das habe ich auch nicht anders erwartet. Nach- I teiliges über Ihre Lebensführung ist mir ebenfalls nicht » bekannt geworden, und irgendein altes Verhältnis haben ! Sie hoffentlich auch nicht mehr aus dem Halse?" Das eben noch blasse Gesicht des jungen Mannes war I mit einem Male purpurrot geworden. Verneinend schüttelte ' er den Kops; aber er sah Gernsheim dabei nicht in die ; Augen. „Was sür ein Kind er doch noch ist, daß er bei solcher I Frage rot wird wie ein Mädchen!" dachte der Konsul. ; „Aber es ist ein gutes Zeichen." Und mit huldvollem Lächeln ; sagte er: „Tann will ich also in Gottes Namen darauf vcr- i zichten, den grausamen Vater zu spielen, und weil Sie hier I im Kontor wahrscheinlich doch nicht viel Gescheites fertig ' brächten, will ich Sie sür den Rest des Tages beurlauben. ; Gehen Sie nach Hause, werfen Sie sich in Ihren Bratenrock i und fahren Sie meinetwegen nach der Villa hinaus, um da I Ihr Heil zu versuchen. Wenn Eva Ja sagt, mögen Sie sie ! haben." ; „Wie soll ich Ihnen für Ihre Güte danken, Herr Kon- I sul? Sie machen mich so glücklich —" „Das Glücklichmachen soll doch wohl, wie ich denke, , meine Tochter besorgen. Im übrigen wissen Sie, von Tank I und dergleichen bin ich kein großer Freund. Sie werden ja l Gelegenheit genug haben, mir Ihre Erkenntlichkeit anders I als durch Worte zu erweisen, wenn Sic wirklich eines > Tages Evas Gatte geworden sein sollten." ! Milner eilte nach Hause, um sich umznkleiden. Aber I während er sich zu dem bedeutsamsten Gange seines Lebens j rüstete, war das Gesicht des jungen Mannes sehr ernst, ; und er verfuhr bei seiner Toilette mit einer auffallenden « Langsamkeit, als suche er einen Vorwand, um Zeit zu l gewinnen. > Als er an seinen Schreibtisch trat, um nach einer ; Schlipsnadel zu suchen, die er irgendwo aus der Hand » gelegt hatte, fiel sein Blick auf die unter einem Stoß von I Papieren hervorlugende Ecke eines Briefes. Es waren I mindestens fünf Tage vergangen, seitdem er ihn eines ; Morgens unter jene Schriftstücke geschoben hatte, als könne ? er ihn aus der Welt schaffen, indem er ihn dem Bereich I seiner Augen entrückte. Zögernd streckte er jetzt seine Hand danach aus und I zog ihn hervor. Das schmale, resedafarbene Briefchen war noch uner- I öffnet. Es trug eine englische Marke und den Poststempel I London. Die steilen lateinischen Buchstaben der Adresse ! waren ohne Zweifel von einer weiblichen Hand ge- ! schrieben. Stuart Milner kannte diese Handschrift sehr gut, und ! vielleicht dachte er in diesem Augenblick daran, mit welchem ! Entzücken ihn noch vor wenigen Monaten jeder Brief er- I füllt hatte, der diese gleichmäßigen Züge trug. Das war damals gewesen, bevor er Eva Gernsheim kennen gelernt I hatte. » ! Obwohl er schon den Griff des Papiermessers ersaßt ! hatte, mit dem er den Bries hatte öffnen wollen, fehlte ihm dazu im letzten Augenblick die Energie. Und er legte den Bries uneröffnet auf den Tisch zurück. > (Fortsetzung folgt.) „Wenn sie ihn liebte, würde sie sein Betragen wohl » kaum als eine so schwere Beleidigung empfunden haben. I Ich glaube doch, Rudolf, daß es deine Pflicht ist, ihren I Gefühlen Rechnung zu tragen." „Nun ja, es wird kaum etwas anderes übrigbleiben. ; Aber die Sache ist mir, offen gestanden, recht peinlich. Wir » sind dem Doktor zu großem Dank verpflichtet, und die Ge- I schichte mit dem Kuß war vielleicht harmloser, als sie Eva I erschienen ist. Man wird jedenfalls auf einen Vorwand ; bedacht sein müssen, der nichts Verletzendes für » Lettinger hat." „Wäre es dir denn erwünscht gewesen, wenn sie sich > in ihren Arzt verliebt hätte?" ; „Einmal werden wir sie ja doch weggeben müssen, > Magda. Wenn ich auch am liebsten einen tüchtigen Kauf- I mann zum Schwiegersohn hätte, die Hauptsache ist doch, I daß sie glücklich wird. Ich werde nach dieser Richtung hin ; niemals einen Zwang auf Eva ausüben, es sei denn, daß " ihre Wahl auf einen Unwürdigen fiele." „Und wenn sie nun schon gewählt hätte, Rudolf?" Gernsheim sah sie in einiger Unruhe an. „Hat sie ; dir etwas Derartiges gestanden?" ' „Nein. Aber ich habe so meine Anzeichen, und ich I finde überhaupt, daß es eigentlich gar nicht anders kommen » konnte, nachdem du Stuart Milner so oft Gelegenheit ! gabst, mit ihr zusammenzutreffen." Der Konsul atmete auf. „Der? — Run, der wäre I allerdings das Schlimmste noch nicht. Er ist zwar noch I sehr jung, aber ein anstelliger Bursche und aus gutem Hause. ! Eines Tages wird er mehr als eine Million besitzen." „Du wirst ihn also nicht abweisen, wenn er vielleicht l noch heute um Eva anhält?" „Falls sie ihn haben will — nein! Aber es scheint ü doch, liebe Magda, als wenn du hier schon ein wenig die ! Vertraute gespielt hast." „Der arme Stuart ist so schüchtern. Er offenbarte sich » mir, weil er nicht den Mut hatte, sich gleich an Lich oder » an Eva zu wenden. Ich habe ihn für heute zu Tisch ge- ! laden, um ihm Gelegenheit zur Aussprache zu geben." Gernsheim lachte. „Euch Frauen liegt das Heiraten- > stiften doch nun einmal im Blute." „Wenn man so glücklich ist wie ich, möchte man denen, i die man lieb hat, doch auch gern zu ihrem Glück verhelfen." Des Konsuls Gesicht strahlte und er beugte sich über > sein schönes junges Weib hinab, um ihre LiAren zu küssen. » „So fühlst du dich wirklich an meiner Seite ganz glücklich, » meine geliebte kleine Maus?" „Wie magst du danach erst noch fragen, Rudolf? Ich » bin jedenfalls viel, viel glücklicher, als ich es jemals zu ; träumen gewagt hätte." , „Nun, dann wollen wir in Gottes Namen das I Menschenmögliche tun, um auch diesen liebeskranken jungen ; Leuten zu ihrer erträumten Seligkeit zu verhelfen." Das Mädchen meldete, daß der Wagen vorgefahren sei, i und der Konsul begab sich nach herzlicher Verabschiedung I in die Stadt. Eine Stunde lang arbeitete er mit dem Prokuristen, ; dann ließ er Stuart Milner zu einer Unterredung bitten, i Magdas Versicherung, daß sie sich in ihrer Ehe vollkommen I glücklich fühle, hatte ihn in eine so großmütige Gebelaune ! versetzt, daß er entschlossen war, dem schüchternen jungen I Engländer sein Vorhaben nach Kräften zu erleichtern. Er forderte den Eintretenden in seinem freundlichsten I Tone auf, sich zu ihm zu setzen, und ging, als er seine Be- , fangenheit sah, ohne viele Umschweife auf die Sache los. ! „Das sind ja nette Geschichten, denen ich da auf die i Spur gekommen bin, mein lieber Stuart! Meine Frau hat I mir gewisse Andeutungen gemacht, die mich nicht wenig » überrascht haben. Wenn Sie etwas zu Ihrer Rechtferti- ! gung vorbringen können, so schießen Sie los!" Milner, der sehr blaß geworden war, sah verlegen vor I sich nieder. „Ich weiß in der Tat nicht, Herr Konsul, ob » ich es in meinen jetzigen bescheidenen Verhältnissen wagen i darf —" „Na — was denn? Mit so einem halben Satz kann j ich beim besten Willen nichts anfangen." „Da Sie bereits wissen, um was es sich handelt — i ja, ich liebe Fräulein Eva, und ich würde sehr glücklich sein, I wenn Sie — und wenn Fräulein Eva selbst —"