Volltext Seite (XML)
ß rigem Eifer zu ihren Begleiterinnen und Begleitern wandte » und darauf sie miteinander in ein schönes, großes Nachbar- I zimmer geleitete, um sie an eichener Tafel mitten unter I festbegeisterten Kommilitonen am angenehmsten Garten. I ausblick unterzubringen. Nur einen Augenblick standen sie, bis man sich auf den ! Eichenstühlen in der gemütlichen Runde einrichtete, eng I nebeneinander; heimlich berührten sich die Hände zum j stummen Gruß. Jetzt wechselten sie kein Wort, keinen Blick; » aber die Seligkeit, daß in diesem Schweigen Herz zu Herz ! um so ungestümer hinüberschlug, band ste für eine kurze, I berauschende Ewigkeit aneinander. Dann grüßte er; dann hielt er ihre Hand noch einmal, » wußte in der heftigen Bewegung des Augenblicks kein Wort ü zu finden und schaute ihr heiß und tief in die Augen, die I ihm in schwarzer Glut aus Abgrundtiefe entgegenleuch- l teten, die sich wie ein Tor des Glücks vor ihm öffneten und » ihm mit diesem einen Aufflammen tausendmal Lieberes ! enthüllten als die verräterischen Worte. Als trügen ihn Flügel, stürmte er davon, mit dem z Herzen voll Glück und Hochsinn, feinen ernsten Pflichten » entgegen, r . An diesem Nachmittag stieg das Fest unter der uner- I müdlichen guten Laune der Sommersonne wiederum zu » einem Hellen Gipfel auf. Im Gartenfest im Grünen Jäger » am Waldsee weit draußen vor der Stadt rückte alles, was I im Bürgertum jung war oder noch einmal jung sein und ß jung werden wollte, im bunten, schwirrenden Drang der » akademischen Gäste zu frischen, frohen Taten heran, zu » Konzert und Tanz und Spiel, zu Festaufführungen in I Gottes freier Waldnatur, zu Äierulk und ausgelassenen l Posten, oder zu stillen, poetischen Liebesnovellen; zu Kaffee- » gelage und Kuchenletze, zum Zapsanstich riesiger Tonnen » kostbaren Gerstensaftes, zum gesegneten Abendtafeln an I zahlreichen Tischen im Grün des großen Parkgartens bis I weit in den Wald hinein, — in behaglicher, freundlieber, » stürmischer oder zärtlicher Enge dicht beieinander, Bursch i und Mädel, Student und Fräulein, Lachen und Spiel, I Leichtsinn und heimliche Sehnsucht, kühner Scherz und tief- l sinniger Ernst. Feuer hier und da — und hätte man es alles auf einen » Stoß zusammentürmen wollen, es wäre ein zum Himmel I auflodernder Flammenturm geworden, der den sinkenden I Abend mit Rosenglut durchleuchtet hätte über alle Wald- » und Buschfelder hinaus bis in die verlassene Ruhe der weit » zurückgebliebenen Stadt. Der Abend hüllte seine Weichen Dämmer- und Dunkel- > schleier um das glänzende Wogen vom plätschernden See » bis in den raunenden Wald. Aus der Dunkelheit glühte » der feurige Schimmer unzähliger Lichtketten und Farben- I lampen. Und die ersten Sterne blickten erstaunt in die I irdische Lust. Wie der lieblichste Traum, der köstlichste Gedanke oft - ungerufen und geheimnisvoll aus der Seele steigt, sich in I die Feder drängt und Gestalt gewinnt, man weiß nicht, I woher er kommt und warum er auf einmal da ist, — so sah » er plötzlich, als er am Seeufer rasch entlangschritt, um sich » nach der rechten Vorsorge für das geplante Feuerwerk um- I zutun, im Hin und Her der Lustwandelnden das tiefste I Sonnengeheimnis seiner Seele in körperlicher Gestalt nahe » gegenüberstehen. Es geschah so unmittelbar überraschend, und so nahe I waren ste plötzlich beisammen, daß sie schon Hand in Hand I zum frohen Gruß voreinander standen, ehe sie sich dessen * noch recht bewußt wurden. Und als sie sich dann schwei- » gend in die Augen sahen und darauf, sich mit den Blicken I ausweichend, nach Worten suchend über das glänzende I Lichtschimmern im spiegelnden See und seiner Umgebung » schauten und dann sich doch wieder freudig zueinander. » kehrten, war es so, als wären sie nie getrennt, sondern I immer so vereinigt gewesen. - Wer sollte das erste Wort finden? Was hätte es sagen ; sollen? Die brennende Herzenslust, sich wiederzuhaben, » und das verborgene Weh, doch nicht zueinander zu gehören, I sprachen mit eindringlicherBeredsamkeit aus der stummen I Augenrede, mit der sie sich immer wieder betrachteten. Aus dem See erhob sich eine Insel. Sie war mit bunt » leuchtenden Papierlampen umkränzt, in ihrer Mitte flammte I ein strahlendes Ritterkreuz von elektrischen Farbenflämm. chen. Boote lagen an der Insel, im ihrem Lampionschein I polulierten schwärmende Studenten an Bord mit jungen ! Damen, hier klangen Ziehharmonika und Triangel, dort ! Zitherschwirren, Gitarre und Lautensang. Tas alles spiegelte sich in der dunklen Tiese des Sees > und zitterte und schwebte in dem Wellenschlag, wie sich , Erinnerungen spiegeln im Nachtgrund der Seele. Das un- ! endliche Lichtmeer an allen Ufern, in Gebüschen und an I flammenden Masten, dahinter an Tischen und Tafeln und I in Laubenwinkeln, in Veranden und Gasthaussenstern, wo , überall warm beleuchtete Gestalten und Gesichter sich in I geselliger Lust bewegten, bis in den Wald unzählige Glüh- I birnchen im vielfarbigen, entzückenden Spiel, wie fernes I Herüberglänzen der Johanniswürmchen aus fernem ! Traume der Johannisnacht dies alles spiegelte sich ! gleichfalls im schweigenden, zitternden See. So schimmerten Gegenwart und Vergangenheit in I ihren dunklen Gedanken. Sie wurden in den raschen ! Worten der Freude laut, die sie miteinander wechselten, in I den Fragen nach Ergehen und Erleben und in den Ant- I Worten, die manchmal nur ein erschrecktes Schweigen I waren, ein Beiseiteschauen voll stummer Bitterkeit, ein . rasches Ausblitzen der Seligkeit Auge in Auge. ! Wer kümmerte sich von all den Hunderten, die rings- l um im holden, leichtsinnigen Schwärmen ritterlichen Nei- j gungen und Vergnügungen nachgingen, irgendwie und » -wo aufmerksam darum, was die andern taten? ! Elga hatte sich von ihrer Gesellschaft getrennt. Der i ihr Lebensgefährte geworden war, der hielt sich von dem stolzen Glanze dieses Festes so finster fern wie einst von » dem seligen Rausche unter dem Johannisbaum. ! Das unruhige Verlangen, mit sich allein noch einmal I in diese Lust zu lauschen und darauf unbemerkt sich davon- l zustehlen und in ihr Heim zurückzueilen, hatte sie an diesen « Zaubersee getrieben. Den Gatten hielten» so sagte sie, ärzt- ! liche Pflichten in der Stadt; später wolle er vielleicht I kommen, sie abzuholen; doch lieber komme sie ihm zuvor, j Und es schimmerte in ihren lieben Augen dunkle Sorge, die » sich hinter einem Lächeln rasch verbarg. ! Auf der lichtsunkelnden Wasserfläche, die wie fließen- I des Feuer auf- und niederschaukelte, näherte sich Orchester- , musik. Ringsum an den Usern sammelte sich Festgedränge, - hinter der Insel hervor bewegte sich ein Ruderschiff, von ! einer üppigen Rosenlaube überwölbt; Rosen in allen I Farben und Arten wiegten sich sacht an den umrankten > Säulchen und Bogen und wetteiferten mit den Blüten- » ketten farbiger Glühbirnen. Auf dem so bekränzten und umleuchteten Schiff fuhren I im Farbenschein Herr und Frau Goethe aus Weimar und , ein urgroßväterliches Gedränge von Altweimarer Bürger- ; mädeln und Jenaer Studenten. Se. Exzellenz waren zu . Schiff aus dem vorigen Jahrhundert herübergekommen, l hielten in einer erstaunlichen Echtheit des Antlitzes, der j Miene und der Haltung fröhliche Rundschau über das » akademische Festgetriebe und bemühten sich, die Hand , erhebend, unter dem Orchesterdröhnen der Egmortt-Ouver- I türe von Beethoven mehrmals vergeblich, dem wimmelnden f Epigonengeschlecht den göttlichen Gruß des Parnaß zu ; überbringen. Ein Studio aus Alt-Jena drängte sich vor, mit der i Burschenmütze jener Freiheits- und jener Knebelungs- I stürme, mit der Kollegienmappe, dem Tabaksrohr und ge- ; wattiger Dogge, riß ein böse sich sträubendes Heidenrös- » lein herrisch mit sich und siel dem Dichterfürsten von l Weimar mit feurigem Ungestüm in die Redebewegung, wo- I bei das Orchester auf dem Hinterschiff das „Heidenröslein" ; über die funkelnden Wasser blies. Schallend fiel Alt- » Weimars und Altjenas Korona ein. Der ehrwürdige Gast ließ überrascht die Hand sinken; I mit königlichem Lächeln blickte er sich in der Runde der Be- ; geisterten um, wandte sich zu dem streitbaren Liebespaar, » drohte dem Burschen, beschwichtigte das Fräulein und I klopfte ihm mit erhabener Zärtlichkeit die Wangen. WUd sprang vor dem alternden Rat die Eifersucht ; empor. Zornvoll entrüstet riß der Junker das Röslein in » seine Arme. Doch siehe — gleich stach es ihn garstig, ent- I zückend, mit spitzigem Dorn und hatte ihn, schneller als sein l wütender Kuß, rechts und links ergrimmt um die Ohren ; geschlagen. ! (Fortsetzung folgt.)