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und anderen kecken Knabenwegen tn ihrem Sohne frisch und kraft- und talentsprühend sein frohes Wesen. Indessen hatte Dr. Georg Waldhausen die Bekannt schaft der schönen Susanne Strohbach gemacht und wurde ein immer häufigerer Besucher ihres eleganten Heims. Ter wildsüße Abenteurerduft ihrer dunklen Wege aus den Niederungen fesselte den ungezügelten Waldsohn, und ihre Zigeunerschönheit umschlang ibn mit den Stricken einer üvpigen Liebeskunst. Nicht ihm allein gab die Fama schuld. Sie tuschelte auch von der starrsinnigen, stolzen Kälte feines Weibes. Und doch hängt sich ihr ganzes, un veränderliches Mitleid an diese schlanke, fast elfenhast königliche Gestalt, und die Fabel fügte hinzu, daß die un- glückliche, einsame Verlassene mit einem wachsenden Herz leiden zu kämpfen habe. Man umspann ihr stilles, Welt-! fernes Leben mit romantisch-poetischer Tragik und zwar doch zugleich bereit, dem abgeirrten Galten den Skandal zu verzeihen, um seiner glänzenden Dozentenberedsamkeit willen, die ihm den Hörsaal immer dichter füllte. Dr. Konrad Bauer schöpfte seine eingehende Wissen schaft aus Quellen, die ihm seine junge Amtstätigkeit als Oberlehrer an den Frankeschen Stiftungen zu Halle er schlossen hatte. Er konnte als ein zuverlässiger Chronist gelten, um so mehr, als er wußte, wie sehr es sich in der Chronik des Hauses mit den dorischen Säulen um des eigenen Leibburschen und Freundes dunkle Liebesschatten handelte. Wolfram Brockenschmied saß vorgeneigt, finster vor sich niederblickend, die Fäuste ineinanderkrampfend, unbeweg- ! lich ihm gegenüber, verschlossen und in eiserner Selbstbe herrschung. Daß sein Lebensopfer umsonst war, daß sie in kalter, furchtbarer Vereinsamung verlassen in den Friedhofs schatten ihres zerstörten Daseins rang, daß der, aus dessen räuberischer Habgier Elend und Zusammenbruch ent standen war, auf den Trümmern noch Schimpf und Hohn auftürmte und seiner unersättlichen Lebensgier einen Tempel der Schmach baute. Das Mitleid und der Jammer um Elgas Schicksal erschütterte seine Seele bis tn ihre letzten Tiefen, und mit einem reuevollen und doch unendlich süßen Weh sah er als tiefsten Schatten in ihrer Herzenstragödie sich selber stehen. Zwischen Waldkulissen, graurotem Porphhrfels und weich von den Wolkendünsten umdämmerter Stadtslur schwärmten die Ausflügler vom Dampfer über den Lan dungssteg dem betürmten Städtchen, den engen Gassen und der grauen Burg auf dem ragenden Felsen zu. Ter Zufall fügte es, daß Wolfram Brockenschmied beim Aussteigen nicht mit Georg Waldhausen zusammen- stieß. Tie feindlichen Wege der beiden Söhne des Harz waldes liefen weit aneinander vorbei. Als man in Gruppen in froher Sommerwanderlust gesellig des Weges zog, ergab sich eine rasche Vereinzelung des Privatdozenten Dr. Waldhausen und der schönen rot blonden Su'anne Strohbach. Cie suchten wohl auch selbst die Absonderung. Als man jenseits der Gassenviertel und Bauerngchöfte und grünen Gärten burgwärts zog, hatte sich das Paar ver- loren und war im Wirtshausgarten mit sich selbst zu- frieden in der Wildweinlaube zu Gaste gegangen. Man ließ es vorderhand unerörtert, daß es für die > Äbgcjchweisten keine andere Möglichkeit der Heimkehr - geben würde, als den unten am Landungssteg friedlich f rastenden Dampfer der Askania. Den sinkenden Abendwolken zum Trotz setzte man, als > nach etlichen Stunden von Orchester und Liedern, Spiel » und Tanz umjubelter Tafel der Abschied kam, die tausend- I jährige graue Stammburg in ein rosenglühendes Flammen- f meer bengalischer Beleuchtung. Wie eine Fackel leuchtete » sie ins Land und kündete deutsche Kraft und deutsche Treue ! in die Finsternis der Unholde über Wälder und Strom. Der Dampfer lag im Schmuck unzähliger Lampen, die I in das unablässig strömende Wellenspiel ihre zitternden > Spiegelbilder tauchten. Die dunkle Luft war von stiller ! Schwüle gesättigt. Hinter fernen schwarzen Felsrändern > ging ein stilles Wetterleuchten auf. Mit klingenden Wanderweisen im Orchester an der Spitze und im fröhlichen Zuge, von Fackeln und Wind lampen geleitet, durchzog die Askania mit ihren Gästen das Städtchen und schwärmte alsbald über den Landungssteg auf das Deck des Dampfers. Im kühlen Abend hüllten sich die Damen in Mäntel und Jacken, ja manch eine ver schwand lachend mit heißen Wänglein und glänzenden Augen im Sommermantel eines galanten Aktiven. Und trotz fernen dumpfen Rollens machte es sich ungeheuer ge mütlich an Bord. Und wem die feuchten Nixen der saale allzu vertraut und schwül die Seele zu umstricken trachteten, der stieg mit seiner Kumpanei in Lie kühlen, festlich ge schmückten Kajüten hinunter. Doch eben hier erregte ein kleiner Zwischenfall vor übergehende Unruhe. Wie und woher hätte niemand zu sagen vermocht, doch sie saßen friedsam und geduldig am Kajütentisch, Dr. Waldhausen und die schöne blasse Rot blondine, Lie nicht gebeten, niemand bekannt und von ihrem Begleiter mit waldwüchsiger Bosheit an die Stelle seiner ehrenvoll geladenen Gattin gesetzt war. Es war oben an Ler Kajütentreppe, daß Wolfram Brockenschmied dem ersten Chargierten mit zwingender Ruhe die Hand auf den Arm legte und ihn bat, die Un ritterlichkeit und Unverschämtheit, solaitge sie mit diesen Gästen an Bord nun einmal zusammengekettet seien, ritter lich mit Schweigen zu übersehen und alles andere einer späteren Stunde zu überlassen. Die flüchtigen Wellen des Aufsehens verloren sich wieder. Die Stimmung der Nachtfahrt unter Lampen schimmer über Len finsteren Saalefluten schlug varüber hinweg. Uber unsichtbare schwarze Tiefen riefen Lieder und Lachen ein Schalksecho aus den dunklen Felsufern. Das Askanenschiff zog in Nosenschimmer und Licder- freude, begeisterten Reden und Lrchefterfanfaren seinen Weg flußaufwärts durch die Nacht des Tales. Wetter schein und ferner Donner spielten eine geisterhafte Wolken musik dazu auf. Stunden waren für seine Insassen rasch wie wenige Minuten, nur für einen wie eine Ewigkeit vergangen, als es durch Kanal und Schleuse an seinem Landungsplatz anlangte. Wenige Laternen unter den dunklen Ufer bäumen beleuchteten bescheiden die Landung und das rasche Zusammenscharen Lerer, die, ehe Las Gewitter heraufkäme, gern miteinanLer gehen wollten auf dem Weg in die Alt stadt hinein zum Marktplatz, wo man noch einen guten Imbiß und einen tüchtigen Nachttrunk zu tun gedachte. Wolfram befand sich- wiederum in Gesellschaft der Base Lorke und ihres Oberlehrers Dr. Konrad Bauer. Wie es kam, Laß sie sich vereinzelten, das bemerkten sie kaum. In der schlecht beleuchteten Altftadtgafse schritten sie in einträchtiges Gespräch vertieft, indessen rings um den Himmel Blitze aufstiegen und schwere Schlüge sich im Berg rollen wie Löwen wieder niederlegten. Die andern waren schon weit vorauf oder eine andere Straße gegangen, sie wußten es nicht. Zwischen ihnen schritt Elgas Geist, als wäre sie körperlich bei ihnen: so lebhaft beschäftigten sie sich in dieser durchdröhnten Stille mit ihrem Schicksal. Doch waren es hauvsächlich Lie jungen Eheleute, die von ihr sprachen; Wolfram versank oft in düsteres Schweigen oder hörte mit stillem Herzenslauschcn aus ihr Gespräch und auf den feierlichen Donner darüber. Da bemerkten sie, eben als sie Lie Altstadtbrücks über schritten, die über einen Seitenarm Ler Saale führte, in der jetzt ansteigenden, altwinkeligen Straße nicht weit vor sich im Lichtkreis einer Laterne die große, stämmige Gestalt Waldhausens. Eng an seinem Arm schritt die zu leichter , Üppigkeit neigende schlanke Susanne Strohbach. Man sah eben, wie sie mit der freien Rechten ein wenig die Falten ! des Kleides hob, wobei die Ringe an Ler Hand ein blaues und rotes Funkeln streuten. Dann verlangsamten sie Lie Schritte. Mit Ler brillantblitzenven Hand wies sie auf ein altes Häuschen, das sich, von der Straße zurückweichend, hinter einem graugrün verwitterten Zaun, Malven und Sonnenrosen unter einem Ebereschenbaum versteckte. Es i war nur einstöckig, über der Steintreppe zur verborgenen Haustür war eine mit blühendem Wein dicht umrankte Laube aufgebaut. Das verwitterte Ziegeldach war ein wenig eingesunken. Aus dem Schornstein zog eine dünne Rauchsäule in die Dunkelheit unter den Sternen. ! (Fortsetzung folgt.)