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Unterhaltungs-Beilage zum WKW. WlW MM AI ÄM " Druck und Vertan von I. Ruhr Nnchf Dr7 Alban irisch. Hoyenstein-Ernsttdal. Liebeszauber Noma» vo» Oswald Bergener. l17. Fortsetzung.) Wo der Bug des Dampfers die rauschenden grauen Wogen des Flusses zornig durchschnitt, hatte sich im hoch gelegenen Bordwinlel eine frohe, lustbcwegte Gruppe zu- sammengcfunden — Wolfram Brockenschmied und. sein lieber Leibfuchs Oberlehrer Dr. Konrad Bauer mit seiner lieblich blühenden jungen Frau Lorle, Wolframs Base, aus dem engen Schloßwaldral im Unterharz. Tas über raschende Wiedersehen unter der Romantik der Saalc- burgcn entzündete die Herzen. Musik und Sang erfüllten die graue Luft mit Glan,;. Malerisch zogen die Waldufcr und Felsenhügel zu beiden Seiten vorüber. Als das Orchester an Bord die Weise anstimmte, fiel keiner in so schwärmerischer Begeisterung ein wie der glückliche Ehe liebste mit Lem blonden, krausen Kinnbärtchen: Auf den Bergen die Burgen, Im Tale die Saale Doch Wolfram Brockenschmied sang nicht mit; er hörte zu in stiller, schwermütiger Lust: Ich alleine der eine Schau' wieder hernieder Zur Saale im Tale, Doch traurig und stumm Ernst zurückgelchnt saß er am Bordgeländer, den Kopf leicht stützend, und ließ die Augen durch die festlich bewegte akademische Gesellschaft schweifen. Bald hier, bald da haftete sein Blick an dem schmucken jungscmcstrigen Nach wuchs der Askania und an der Nosenblüte lieblicher Saale- töchwr, an der sich die Askanenjugend begeisterte. Und forschte, in dunkle Erinnerungen verloren, weiter hinaus in das gesellige Treiben. Denn trotz der verdrießlichen Wolkenluft drängte sich alles aus Deck und freute sich in be haglicher Unterhaltung an den Felshügeln, Waldnischen und Dorsidyllen der grünen Ufer. Plötzlich neigte er sich vor. In seinen braunen Augen schoß das Blitzen heftiger Überraschung auf. Er täuschte sich wirklich nicht. Der dort unter dem Segeldach im Hinterdeck vertraut auf die schöne, blasse Rotblondine einsprach, das war Georg Waldhausen. Wolframs Hand legte sich auf die seines lieben Leib- suchsen. „Wie kommt der Waldhausen hierher?" „Tu weiht nicht —?" Konrad Bauer sah ihn fragend an. „Was soll ich wissen! Seit der Pistolensache steht eine Mauer zwischen seiner und meiner Welt. Seitdem sind Jahre genüg vergangen und die Mauer ist dicht ver- wachsen." „Verzeih'!" Konrad Bauer erhob sich und begab sich unter die Korona der Aktiven, um sich die Antwort auf Wolframs Frage zu holen. Als er dann zurückkam, saß er eine Weile schweigend dem Freunde gegenüber, der in finsterer Spannung auf seine Auskunft wartete. „Hast du nie wieder etwas von ihr gehört?" fragte Konrad Bauer endlich aus seinen eigenen aufgerüttclten (Nachdruck verboten.) Gedanken heraus. „Don Waldhausens Frau? Don Elga Schütze?" Wolfram erhob abwehrend die Hand. „Nein! — Wir waren nun einmal nicht füreinander bestimmt; so mußte es auch ganz geschieden sein." „Du weißt also nichts, gar nichts von jenseits der Mauer, — um bei deinem Bilde zu bleiben!?" „Nein — nein." Dr. Konrad Bauer und sein rofenjunges, liebliches Lorle wechselten euren Blick rascher Verständigung mit einander. „Tann muß ich dir doch die stille Tragödie von jen seits der Mauer erzählen, damit du verstehst, was du heute siehst." Wolsram schaute unbeweglich, in scheinbar starrer Ruhe, in das schäumende Kielwasser hinunter. „Willst du sie hören?" „Erzähle nur!" Und Konrad Bauer erzählte. Elgas Vater, Geheimrat Schütze, starb vor einigen Jahren auf der Reise zu den Erdschatzcn des Oberharzcs. Auf dem Bergfriedhof in Zellerfeld ist er im Erzglanz der Heimathöhen bestattet. Sein stiller, klarer Forschergeist hatte das Haus mit den dorischen Säulen für immer ver- lassen, es war verschlossen und tot und seine alten Ge- schichten und Märchen und seine Lieder versprengt und verloren. Dann aber hielt sich einmal Elga Waldhausen monatelang darin auf, ganz einsam. Es ging schon damals die Rede, sie habe sich von ihrem Manne getrennt und die Thiiringerstadt verlassen, um ihn und sich von dem Elend unerträglichen Zusammenlebens und zerstörter Ehe zu entlasten. Sie hatte ihren einzigen Buben bei sich, und Mutter und Sohn — es glich einem lieblichen, bald frohen, bald schwermütigen Märchen in der Parkstille und unter ! den Säulen. Um des Knaben willen aber ging sie doch ! wieder zu dem Manne zurück. Tarüber legte sich das schwere Schweigen des Winters. i Aber als Ostern kam und das Frühjahr, kündigte Dr. 1 Georg Waldhausen am Schwarzen Brett an, daß er sich an der Universität habilitiert habe und da und da und dann j und dann mit seinen Vorlesungen über das und das Thema beginne. Seitdem öffnete sich das Haus mit den dorischen Säulen zu neuem Leben. Doch hängte sich bald ein un freundliches Raunen daran. Durch das Gittertor, aus dem vordem nur vornehme Ruhe und Frieden schauten, schielte nunmehr der Klatsch neugierig, schadenfroh oder bedauernd hinein. ! Der neue Privatdozent war und blieb der Liebhaber ! eigener abseitiger Wege, der er schon als Waldförsterssohn ! in Len Tälern und Tannrnschluchten seiner Heimat ge- wesen war. Elga blieb fast unsichtbar in dem Zauber ihres einst- mals väterlichen Heims. Aber was sie noch an Glück und blühender Zukunftshoffnung besaß, das trieb auf Schul-