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Oie deutsche Familie. Von E. I ü n g st - Berlin. »Sie waltet weise Im häuslichen Kreise.* Wie die deutsche Ehe, so steht auch die deutsche Familie auf dem tiefgründigen Boden des Gemütes, während beim Franzosen mehr der Verstand als das Gefühl das ordnende Prinzip ist. Das hat wohl den scheinbaren Nach teil, daß die deutsche Familie, aus Neigung geschlossen, aus Neigung oder Pflichtgefühl fortgesetzt und durch die Fürsorge für die unmündigen Kinder befestigt und ver edelt, ihren äußeren Zusammenhang verliert, sobald die Kinder erwachsen sind und ihren eigenen Herd gegründet haben. Aber gerade diese Lösung führt andererseits wieder zu jener individualistischen Selbständigkeit, die in« deutschen Volksleben so viel Großes und Schönes erzeugt hat, und das warme Gefühl der inneren Zu sammengehörigkeit der Familienmitglieder bleibt auch dann lebendig. Seine Kraft schlingt oft viel festere Fesseln um die äußerlich Getrennten als die französische Familie, die, vorzugsweise ein Werk des ordnenden sozialen Ver standes, auch dann noch in ihrer Geschlossenheit fortbe steht, wenn sich die Kinder selbständig gemacht haben. Der Gefühlswert des deutschen Familiensinnes ist das Band, das die Sippe zu einer so starken Einheit zusammenfaßt und sie namentlich auch in der älteren deutschen Nechts- und politischen Geschichte zu einem Ler wichtigsten und kraftvollsten Faktoren machte. Solange die deutsche Familie ihren inneren Zu sammenhang hat, solange die Kinder im Hause sind, was bei schwer beweglichen wirischaftlichen Verhältnissen sich bis auf die dritte Generation ausoebnen kann, solange ist auch im deutschen Familienleben die Innerlichkeit der vornehmUchste Zug. Das zeigt sich, wie es namentlich Albert Freybo so anziehend ausgeführt hat, an nichts so sehr wie an der Stellung Ler Hausfrau in der Familie. Die patriarchalische Stellung und Gewalt des Familienvaters, wie sie im deutschen Familienleben liegt, findet sich auch bei anderen Völkern, aber die ehrerbietige Hochachtung vor der Frau, jene Verehrung, die die Haus frau nicht nur als wirtschaftlich sorgsame Erhalterin des Hauswesens, sondern vor allem als Trägerin tiefer mystischer Gemütskräfte und Pflegerin des Kindcrherzens in die Mitte des Hauses stellt, ist ganz deutsch. Noch beute ist der örtliche Sammelpunkt des noch nicht großstädtisch verflachten häuslichen Lebens der Herd. > Wie in alter Zeit die deutsche Hausmutter als Priesterin i des geweihten Herdes waltete, des Sitzes der Hausgötter! und auch Les Heiligtums der Blutsverwandten, so er blüht auch in aller Folgezeit vom heimischen Herd und von der Hausmutter am heiligen Herd der heimliche Familiensinn, der die natürlichen Bande der Blutsver wandtschaft durch ein ethisches Moment außerordentlich verstärkt und die Ursache der deutschen Häuslichkeit ist. Für diesen der Innerlichkeit Les Gemütslebens ent sprechenden Begriff haben die Franzosen ebensowenig ein Wort wie für Len ihm nahestehenden Ler häuslichen Gemütlichkeit. Der individualistische Deutsche und Engländer haben sich von jeher ihr Haus auf den Leib gemacht wie ihre Kleider. Der deutsche Bürger hat sich in seinem Hausbau nicht den Geboten eines formenstrengen Stiles gefügt, sondern er hat seinem Bedürfnis nach persönlicher Un- gcbundcnheit wie auch seinem das Malerische und die freie Bewegung bevorzugenden Kunstsinn Genüge getan durch ein regelloses Neben- und Übereinandersetzen von Winkeln, Erkern. Giebeln, Türmchen, durch den freien, bildnerischen, seine Persönlichkeit charakterisierenden Schmuck und durch viele andere Zutaten, die dem Hause das individuelle Gepräge seines Erbauers oder Be wohners geben. Das deutsche Dauerichaus und das frühere deutsche Bürgerhaus drücken aber auch die Inner lichkeit ihrer Bewohner schon in ihrer baulichen Anlage aus, ganz abgesehen von der rein auf das gemütliche Behagen gewendeten Einrichtung, die für den Nord länder um so wichtiger ist, als ihn schon das Klima viel mehr zum Leben im Hause zwingt als den Südländer. Das deutsche Wohnhaus ist gleichsam nach innen gekehrt, indem es der offenen Straße nur eine schmale Giebel front zuwendet und die meisten dem intimen Familien leben gewidmeten Räume nach dem abgeschlossenen Hof oder dem lauschigen Gärtchen verlegt. So wird rück wirkend das ganze Familienleben nach innen gezogen, dem Einblick und Einfluß der Außenwelt entrückt, indi vidualistisch gekräftigt. Diese Innerlichkeit des Familienlebens, in dessen Mittelpunkt die Hausfrau steht, dieses gemütvolle Ver wachsensein mit dem trauten Heim, dieses Gewinnen inniger persönlicher Beziehungen zu Haus und Flur, zu Berg und Wald der Heimat, sie sind es, die den deutschen Heimsinn in engeren, das deutsche Heimatsgefühl in weiteren Grenzen ausmachen. Sie sind es, die uns Deut schen in der Fremde ins Herz geschrieben bleiben und in der Erinnerung an ,zu Hause* das sehnsuchtsvolle Heim weh entzünden, das im Franzosen und Südromauen einen ganz anderen, viel verstandesgemäßeren und auf die Nützlichkeit und äußere Annehmlichkeit des Heimat lebens gerichteten konkreten Grund und Ausdruck hat. Im Wort »Geheimnis* spricht der Deutsche die stille heilige Abgeschlossenheit seines Heimes, im Worte »unheimlich* den Gegensatz zu all dem Traulichen, das ihm die Heimat ist, deutlich genug aus. Zehn Gebote zur Arbeiiserleichterung. 1. Qhae Arbeit kein Glück und keine Zufriedenheit! Deshalb muß man alles mit Eifer tun. Jede Arbeit, die man gern tut, strengt nicht so sehr an als eine, die man mürrisch verrichtet. 2. Man ergreife die Arbeit, die man weniger gern Int als andere» immer in der Hoffnung auf ihre endliche Vollendung. 3. Man nehme sich die Zeit, sich einer gelungenen Arbeit recht kindlich zu freuen, selbst wenn es auch nur ein gut gestrickter Strumpf ist, und nehme die Freude über diese gelungene Arbeit in seine weitere Beschäftigung mit. 4. Man wechsele zuweilen mit der Arbeit. Merkt man, daß die eine Arbeit zu sehr ermüdet, so nehme man eine andere, womöglich leichtere, vor, selbst auf Lie Gefahr hin, Laß es einmal ein wenig wild um uns aussieht. 5. Man nehme sich sogar die Zeit, ein halbes Stünd chen auf dem Bette oder Sofa zu ruhen, wenn man nicht mehr weiter kann. Doppelte Kraft nach dieser kleinen Aus spannung wird sicher die Folge sein. 6. Wer Herr seiner Zeit ist, lese dazwischen ein gutes Buch oder schreibe einen Brief, und er wird dann er frischt zur ersten Arbeit zurückkehren können. 7. Man gehe nicht zu spät zu Bett und stehe nur dann sehr früh auf, wenn dies durchaus nötig ist und man nicht wie manche Kopfleidende und Nervöse den ganzen Tag danach elend ist. Eine Frau über vierzig Jahr« darf schon bis Uhr schlafen, wenn sie nachher wirklich pflicht eifrig arbeitet. 8. Betrachtet man die Arbeit als ein Vergnügen, so wird eine gute Unterhaltung danach doppeltes Vergnügen sein. 9. Arbeit erhält frisch durch das Bewußtsein des Er folges. Selbst die „Unglücklichen* können einen Schatz von Glück in sich ansammeln, wenn sie fleißig sind und viel leisten. Wirklich Unglückliche sind nur die Tatenlosen, die über ihren Schmerz grübeln. Darum ist auch oft das Leid, sei es nun Witwenleid oder anderes Entbehren, in den gebildeten, nichtstuenden Ständen viel schwerer, weil diese zuviel Zeit haben, über ihren Schmerz und ihre Ver luste nachzudenken, während eine arme Witwe oder Waise durch ihre Arbeit von ihrem Schmerz abgezogen wird. Das Glücksgefühl aber wird auch ihr nie abhanden kom men; denn sie sieht, wie sie sich durchringt und durchbringt durch ihrer eigenen Hände Werk. Der Erfolg ist ein großes Glück! 10. Erfolg aber begleitet jedes aufrichtige, nimmer ermüdende Streben, denn jeder vollen Arbeit wird ihr Lohn. Man muß nur fein bescheiden sein; die meisten erwarten und verlangen zuviel. F. F.