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-- 3.« D^a^tgang durchs Dorf. Alle Straßen still und leer. Alle Hütten träumen, Nur der weiche Somincrwind Flüstert in den Bäumen. Und er raunt im Lindcnbaum Eine alte Weise, Singt so tief und schtoermMövoll, Klagt sein Weh ihm leise. Und ich geh' durchs ganze Dorf, Durch die dunklen Gassen, Alles um mich schwarz und tot, Ich bin ganz verlassen. Ksfchka. Erzählung von Max Dautschat. .) (Nachdruck verboten.) Sie trat dicht an Bronislaus heran und ihre Är^en I bohrten sich in die seinen: „Und ein Unglück gibt's, ein I Unglück, wenn ich dich und die Bozena nochmals über- I rasche!" Kaschka hatte in der Erregung ihr Kopftuch fallen I lassen. Das aufgelöste, lang herabsallende Haar ließ ihr i Aussehen noch dämonischer erscheinen, und wie sie mit i drohend erhobener Hand und sprühenden Augen vor ihm , stand, glich sie einer der Erde entstiegenen Erinnye. Bro- I nislaus erbebte am ganzen Körper. Er hatte kein reines i Gewissen. Die Geschichte mit der Bozena stimmte. Sein ! Vater und der alte Herkowicz hatten den Kontrakt bereits ! geschlossen, und er mußte Ja und Amen Lazu sagen, wollte ; er nicht von Haus und Hof vertrieben werden und das i reiche Erbe der Stiefmutter zukommen lassen. Das durfte I um seine Seligkeit nicht geschehen. Lieber gab er der I Kaschka den Laufpaß. Das Mädchen würde sich sicher auch I bald beruhigen, und wenn er ihm eine anständige Ab- i findungssurrune jukommen ließ, ihn bald vergessen. Dieser ! Kascha freilich, die da vor ihm stand, durfte er jetzt mit ! solchen Dingen nicht kommen. Da hieß es, zu sanften f Mitteln greifen. Hierbei kam ihm der Umstand sehr zu- i statten, daß Kaschka sich tatsächlich getäuscht und er erst I durch ihren Aufschrei aus dem Gehöft gelockt worden war. ! Seinen eindringlichen Reden gelang es denn auch schließ- ; lich, das Mädchen wieder umzustimmen und ganz zu be- j ruhigen. Er sah ihr nach, wie sie leichten Fußes, sich wieder ' und wieder nach ihm umwendend, ihrem Häuschen zueilte, j Dann ließ er sich auf die vereinsamte Bank nieder und starrte lange in dumpfer Versunkenheit vor sich hin. einmal schallt dieselbe Frage durch den finsteren Raum. Dann erhebt sich Kaschka blitzschnell und geräuschlos und kleidet sich eiligst an. Mit einem letzten Blick auf das Bett der alten Petruschka verläßt sie lautlos das Haus. Sie hat sich dicht vermummt, dennoch schaudert sie heftig zu sammen, als sie in dis kalte Nachtluft hinaustritt. Völlige Dmnelheit umgibt sie, aber ihr sicherer Fuß findet bald den gewohnten Pfad hinter den Gehöften. Kaum ein Vierteljahr ist seit jenem Abend vergangen, als sie auf diesem Feldweg heimkchrte, glücklich und zu frieden. Was hatte sie inzwischen erdulden müssen! Sie konnte es nicht glauben, daß er eine andere heimführen würde. Tis hatte gezweifelt und gehofft bis zum letzten Augenblick, bis der Hochzeitszug sie heute mittag belchrte. Ein rasender Schmerz packte sie und warf sie aufs Kranken bett. Doch der Gedanke der Rache ihrer in den Schmutz gezogenen Ehre hatte sie nicht einen Augenblick verlasse^ ja, ihr wieder Kraft gegeben, sich vom Krankenbett zu erheben. Jetzt fühlte sie es wieder in ihren Adern rollen und kräftig pulsieren, das heiße Blut! Sie will es denen dort unten im Dorfe zeigen, daß sie nicht vom Schlage jener schwachen Geschöpfe ist, die man ungestraft ausnützt und dann von sich stößt. Sie wird sich nun selbst zu Gaste laden bei Lem großen Freudenschmaus, und ein Hochzeits- gast wird sie sein, ein toller, wilder Hochzeitsgast! — Haha! Sie stößt ein kurzes, scharfes Lachen aus. Dann bleibt sie ! erschreckt stehen. Sie hat gar nicht bemerkt, daß sie bereits ! in unmittelbare Nähe des Festhauses gelangt ist. Vor- I sichtig tritt sie unter dem Schutze der Dunkelheit in den Hof f und blickt forschend um sich. Die Hintere Haustür steht > halb offen und durch den Spalt sieht sie auf dem Herd in ! der Küche ein verglimmendes Feuer glühen. Sie schleicht I sich langsam heran. Es bemerkt sie niemand. Alles ist < drinnen in den Stuben, dem Genuß hingegeben. Mit » einem Sprunge ist Kaschka am Herd. Ihre Augen funkeln, I sie zittert am ganzen Körper. Sie streckt die Hand aus. I Sie zaudert. Da, ein Geräusch von Schritten. Blitzschnell > ergreift sie ein brennendes Scheit und stürzt hinaus. ' Drinnen kreischt die Fiedel, dumpf brummt der Baß dazu, i und die Burschen und Dirnen jodeln und Hüpfen, sinnlos I vor Freude. Lief in einen Winkel gedrückt, steht Kaschka ! im Dunkel des Hofes. Sie blickt mit starren Augen auf ; das glimmende Scheit, das ihre Hand krampfhaft um- i schlossen hält. Sie sieht zu dem Strohdach hinauf. Ein I Wurf! Und dann hinein in den wirbelnden, rauschenden ; Totentanz, den alle, alle da drinnen mittanzen müßten. ; Alle, alle! Aucher! Sie würde ihn festhalten, mit eisernen i Armen umstricken, bis die Trümmer sie begraben und die I Flammen sie verzehren, zusammengeschweißt für alle ! Ewigkeit! ! Oder sollte sie ihn allein mit den anderen vernichten l und sich selbst in Sicherheit bringen? Wer würde je er- j fahren, daß sie den roten Hahn aufs Dach gesetzt hatte? Sollte sie ihn töten? War er wirklich der Schuldige? ! Verdienten nicht eher die anderen, die Buhlen und ihre I Gevatterschaft das Schicksal? Sie hatte ihn doch mehr als j ihr Leben geliebt liebte ihn noch. Sie kämpft einen schweren Kampf. Dann entgleitet langsam das brennende Holz ihren Händen und wie im Traum schwankt sie zum Hofe hinaus. Immer schriller wird drinnen im Hause die Musik, immer toller der Jubel, Z immer einsamer und dunkler der Weg der „schönen Kaschka In dem kleinen, armseligen Häuschen am Dorfende ! wirft Las Talglicht einen flackernden, düsteren Schein auf l zwci einsame Menschen. Im Bett liegt die „schöne Kaschka" l mit brennend roten Wangen und fieberglänzenden Augen. - Neben ihr hockt die alte Petruschka. Sie legt kühlende Üm- s schlüge auf Stirn und Brust. Der Sturm rüttelt an dem j lockeren Fenster und pfeift und heult. Vom Dorfe her i dringen, vom Wind getragen, abgerissene Töne, Musik . unv Jauchzen. ! In der kleinen Stube ist's totenstill. Da wendet die Fieberkranke, die seit einer halben ! Stunde regungslos dagelegen, den Kopf und horcht auf: , „Hörst bu's, Großmutter?" ! „Was, mein Kindchen?" „Hörst du's? Sie blasen, sie feiern Hochzeit!" „DaS ist nur der Wind, mein Herz, laß nur und schlaf , weiter —" ! „Nein, Großmutter, das sind sie, sie rufen mich, ich soll I kommen!" „Du Haft nur geträumt, Kaschka!" „Nein, nein, ich träume nicht. Ich höre sie ganz deut- ' lich. Ich sehe sie auch, Großmutter. Sie winken mir zu, I sie schwingen die Hochzeitsfackeln. Ach, wie schön, wie j hell das ist! Wie das leuchtet und brennt, wie das brennt! » Sieh doch, Großmuttchen, sieh!" Die alte Petruschka drückte sanft und beruhigend die I erhobene Hand der Kranken nieder. Wieder herrscht tiefe Stille in dem kleinen Raum. » Deutlicher dringen die Klänge der Musik und die Juchzer ! vom Dorfe herauf. Der Wind bläst durch die Feusterfugen, I unruhig züngelt die kleine Flamme des Talglichts hin und f her. Ader auch in den Augen Ler Kranken beginnt es un- « ruhig aufzuflackern. Das ist nicht mehr der ängstlich ! irrende Blick der Fiebernden. Dieses wild auflohendc i Feuer kündet einen unheimlichen Entschluß an. Bange f Minuten vergehen. Die alte Petruschka ist müde geworden . und läßt den Kopf sinken. „Geh zu Bett, Großmutter, ich werde auch schlafen!" Die alte Frau überzeugt sich, daß ihr Enkelkind vor I läufig keine Aufwartung mehr braucht, löscht das Lichi - und legi sich angekleidet auf ihr Bett. „Großmutter, schläfst du auch?" läßt sich Kaschka nach i einer Weile hören. Es erfolgt keine Antwort. Aber noch