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Ein Kulturrorrmn von Fritz Skowronnsr. er. Nehmen wir an, Ihr Verdacht wäre gerechtfertigt, i Herr Jedlinski, so bringt er uns doch um keinen Schritt j „Wir haben heute noch ernste Dinge zu besprechen. Auf dem Rückweg ließ sich der Notar nicht ohne Ab sicht mit dem Kutscher des Schlittens, eineni alten Mann, der jahrelang in den Diensten des verstorbenen Schtoß- herrn gestanden hatte, in ein Gespräch ein. Er wußte, daß der klare Menschenverstand eines einfachen Mannes oft scharfsichtiger ist als der von mancherlei Beeinflussungen getrübte Blick des Fürsten. So erfuhr er, daß die Leute auf dem Schlosse über den Tod des alten Fedor allerlei orakelten. Er wurde darauf aufmerksam, daß der treue Hund des alten Mannes, der ihn auch aus seinem letzten Ritt begleitet Haire, ver schwunden war. Wenn wirtlich nur ein Unglücksfall vor- (Nachdruck verboten,) Noch wichtiger war aber für den Notar eine zweite I Tatsache, die der Kutscher im Gespräche erwähnte. Der » alte Fedor hatte vor seinem Ritt nach Lemberg in der » Schloßküche erzählt, daß er einen wichtigen Bries des ! asten Herrn von Poranski an den Notar Kolakowski fn I Lemberg bei sich trage. Dieser Brief war aber bei dem I Toten nicht vorgefunden worden. Außerdem sollte Fedor » doch nach den Worten Anuuschkas zum Arzt und nicht > zum Notar geschickt worden fein. Hier lagen Widersprüche I vor, die noch aufgeklärt werden mußten. Als der Schlitten in Leniberg vor der Wohnung ! des Notars angelangt war, gab der Notar dem Kutscher i ein gutes Trinkgeld, bemerkte aber gleichzeitig, daß das, was die Leute sprächen, wohl nur müßiges Gerede sei. , Jedlinski und Doktor Dubois, die sich nun verab- ' schieden wollten, wurden von dem alten Herrn festgehalteu. I „Kommen Sie mit mir in uieine Wohnullg," sagte l I lag, dann wäre doch der Hund nach dem Schloß zurück- ' gekehrt! Der Notar mußte sich sagen, daß diese Auslegung I des VolksempfindenS manches für sich hatte. ' (7. Fortsetzung.) „Das ganze Geheimnis beruht nur daraus," sagte er ' lächelnd, „daß hinter dem Wort ein Punkt gemacht wird. ; Der Knopf hier mit dem Punkt in der Mitte, das ist der i einzige Verschluß." Der Notar trat auf den Kunstschlosser zu und reichte » ihm die Hand. „Den Punkt habe ich vorgestern vergessen! ! Ich danke Ihnen, Meister." Der Kunstschlosser und seine beiden Gesellen packten I ihr Handwerkszeug zusammen und verabschiedeten sich ; von den anwesenden Herren. Mit einer gewissen Feierlichkeit zog jetzt der Notar I die Schranktür auf. Es war nicht leicht, sich in der Menge > von Papieren, die in dem Schranke regellos durcheinander- I lagen, zurechtzufinden. Mit geübter Hand sichtete der ! Notar das Wichtige vom Unwichtigen, aber außer einigen I Wertpapieren und Geschäftsbriefen, die sich aus die Ver- ' waltung des Gutes bezogen, fand sich nichts vor, das einer ! besonderen Aufmerksamkeit wert war. Der Notar war enttäuscht. Da fiel ihm ein Päckchen I vergilbter Briefe in die Hände, das besonders sorgfältig ' verschnürt war. Es waren Briefe des verstorbenen Herrn s von Poranski an seine Frau. Der Notar durchflog diese Briefe, doch der Ausdruck I in seinem Gesicht spiegelte deutlich seine Enttäuschung , Wider. Stanislaw Jedlinski war in den Briefen zwar I erwähnt, aber als Dokumente im gesetzlichen Sinne I konnten sie trotzdem nicht gelten. Und doch mußte der I Verstorbene Papiere, die sich auf die Abstammung feines « Sohnes bezogen, hinterlassen haben! Der Notar durch- ! suchte noch einmal den ganzen Gsldschrank, aber ohne ! Erfolg. Er nahm nun ein Protokoll über die Vorgefundenen ; Papiere auf, das er von den anwesenden Zeugen unter- » schreiben ließ. Damit war auch diese Amtshandlung geschlossen, und - da der Notar und seine Begleiter die Einladung, einen > Imbiß im schloß einzunehmen, ablehnte», fuhr alsbald ! der Schlitten vor, der die Gäste des Herrn von Poranski ! nach Lemberg zurückbringen sollte. Der Tod des alten Fedor hat jetzt eine Bedeutu^ ge- ' Wonnen, die ich anfänglich kaum angenommen habe." Einige Minuten später saßen sie in dem einfachen, aber - sehr behaglich ausgestatteten Arbeitszimmer des Vieche- ! schäftigten Notars. Von den mit dunkelroter Tapete be- ! zogenen Wänden hoben sich einige wertvolle Gemälde I alter Meister wirkungsvoll ab. über seinem Schreibtische j hatte der Notar an der Wans eine entzückende Gruppe » von kleinen Kupferstichen anbringen lassen, die er sechst » mit großem Kunsteifer gesammelt hatte. Auf dem Schreib- I tisch standen einige kleine Bronzen und in kostbarem , Nahmen das Bild einer reizenden jungen Frau, der früh ; verstorbenen Gattin des Notars. Der Notar hatte Wein und einen Imbiß kommen I lassen und ungeordnet, daß jede Störung fernzuhallen sei. ; „Nach dem, was ich soeben gehört habe," sagte der ! Notar ernst, „muß ich annehmen, daß Fedor keines natür- I lichen Todes gestorben ist." Doktor Dubois schüttelte den Kopf. „Nach meinen Feststellungen ist der Tod des alten ! Dieners insofern natürlich, als er durch den Absturz des I Pferdes herbeigeführt wurde. Eine Verletzung durch I Schlag oder Schuß ist völlig ausgeschlossen." ! „Wäre es nicht möglich, daß das Pferd plötzlich scheu ! gemacht worden ist?" warf Jedlinski ein. „In diesem l Falle würde doch wohl kein Unglücksfall, sondern ein > Verbrechen vorliegen." Der Notar stutzte. „Sie haben eine lebhafte Phan- i taste, Herr Jedlinski. Wer sollte das Pferd scheu gemacht i haben?" „Ich will keinen Namen neunen," meinte Jedlinski ! bitter. Eine Zeitlang herrschte Schweigen unter den drei I Männern. Endlich ergriff der Notar wieder das Wort. -