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HchmstMl-EmstthM Tageblatt «n-LuMr Nr. 262 Mittwoch, den 11. November 1925 Beilage Jie MMWt U NM lllUMDWO! Das Scheitern der Einheitsliste für die kommenden Wahlen (Bo« nnsercm Praacr KorrespondcMcn) Prag, 1. November In der tschechoslowakischen Republik leben 3,5 Millionen Deutsche. Die Zahl der Gesamtbevöl- kerung beträgt 14 Millionen. Das Deutschtum ist also eine ganz bedeutende Minorität. Im tschechoslowakischen Parlament, welches kürzlich aufgelöst wurde, waren sieben deutsche Parteien vertreten und es gelang im Laufe des Jahres nicht, eine Einheitsfront der deutschen Parteien zustande zu bringen. Alle betrieben eine andere Politik und schwächten infolge der Vertretung eigener Klassen- bezw. Parteininteressen die Position der Deutschen in diesem Staate. Die unrichtig betriebene Politik, namentlich die immer wieder in den Vordergrund tretenden parteipolitischen Interessen hatten es zur Folge, daß die Deutschen ihre Wünsche nicht zur Gel tung bringen konnten und daß der kompakten tschechischen Koalition keine kompakte deutsche Opposition gegenübergestellt werden konnte. Im September dieses Jahres, als der Unter richt in den Schulen wieder begann, wurden eine große Zahl deutscher Schulen und Klassen ge sperrt. Das tschechoslowakische Unterrichtsmini sterium wies auf den Rückgang der Zahl der schulpflichtigen deutschen Kinder hin und kassierte in den deutschen Gegenden zahlreiche Schulen. Statt dieser wurden sogenannte tschechische Min derheitsschulen eröffnet. Die Tatsache der Schul- sperrungen hat im deutschen Lager eine große Unzufriedenheit, ja fast eine Revolution hervor gerufen. Alls deutschen Parteien griffen die Regierung auf das heftigste an, indem sie auf einen „Abbau der Kultur" hinwiesen. Die deut schen Parteien vereinigten sich in diesem Kampfe, der unter der Devise eines Kulturkampfes ge führt wurde. Die einzelnen ganz unbegründeten und nicht zu rechtfertigenden Uebergrisfe der Be hörde haben diesen Kampf erleichtert. Im Ver laufe dieses Kampfes wurde die Idee der Grün dung einer Einheitsfront angeregt. Als das tschechoslowakische Parlament am 16. Oktober aufgelöst wurde, lag bereits ein Vorschlag der deutschen Agrarierpartei zur Schaffung einer Einheitsfront sämtlicher deutscher Parteien vor. Es wurde geplant, datz alle deutschen Parteien sich auf ein gewisses parlamentarisches Pro gramm einigen sollen, und datz auf Grund eines Uebsreinkommens eins Einheitsliste zusammen- gcstellt würde. Dies Hütte zur Folge gehabt, datz leine einzige Stimme bei den am 15. November stattfindenden Wahlen in Verlust geraten wäre, datz alle deutschen Parteien auf Grund des ver einbarten Programms im zukünftigen Parla ¬ ment die gleiche Stellung eingenommen, die Ver wirklichung der gleichen Politik angestrebt hät ten und so der kompakten Koalition sämtlicher tschechischer Parteien als kompakte Opposition der deutschen Parteien hätten gegenüberstehen können. Vom ersten Augenblick, als die Idee der Ein heitsfront angeregt wurde, war es klar, datz sich die deutsche Sozialdemokratie an einem derarti gen Unternehmen nicht beteiligen kann. Die Sozialdemokratie ist eine Partei der Internatio nale, während alle anderen, das heißt bürger lichen deutschen Parteien auf nationaler Grund lage stehen. Die Sozialdemokratie hätte ihre Prinzipien aufgegeben, und noch vor Eintritt in die unverbindlichen Verhandlungen bezüglich des Einheitsprogramms, den anderen nationalen Parteien Konzessionen gemacht, die der Sozial demokratie parteipolitisch vielleicht großen Schaden zugefügt hätten. Die sozialdemokratische Partei hat deshalb auch auf Grund ihrer prinzi piellen Stellungnahme den anderen bürgerlichen Parteien, namentlich der deutschen Agrarier partei, von der die Anregung zur Schaffung der Einheitsfront ausging, eine begründete Absage zugehen lassen. Nun wurde, nachdem der ableh nende Standpunkt der deutschen sozialdemokrati schen Partei bekannt wurde, die Idee der Schaf fung einer Einheitsfront sämtlicher, nicht mar xistischer deutscher Parteien der Tschechoslowakei angeregt. Dieser Gedanke hatte mehr Aussicht auf Verwirklichung, als die Zusammenfassung aller deutschen Parteien, die Sozialdemokratie inbegriffen. Die deutschen bürgerlichen Parteien hätten ohne größere Schwierigkeiten eine ge meinsame Handlungsbasis finden können, da sich doch in dieser deutschen Koalition nur bürger liche, das heißt der gleichen Klasse angehörende Parteien vereinigt hätten. Die vollkommene Einheit der deutschen Par teien bezw. der Deutschen in der tschechoslowaki schen Republik Hütte große Vorteile mit sich ge bracht. Ein einheitliches Auftreten bei den Wahlen hätte gezeigt, datz die Deutschen wirk lich alle das gleiche, nämlich den Vorteil der deutschen Bevölkerung wollen, datz die einzelnen Parteien nicht kleinliche Parteiinteressen, son dern die Gesamtinteressen des Deutschtums ver treten. Als der „Kulturkampf" entbrannte, dachte man allgemein, daß es den deutschen Par teien, den Parlamentariern wirklich um die Kultur ginge, daß sic wirklich die Kultur schützen wollten. Im Verlaufe der letzten Jahre konnte konstatiert werden, daß die deutsche Opposition gerade deshalb keine Erfolge in ihrem Opposi tionskampf aufzuweisen hat, weil sie uneinheit lich auftrat, weil rechtsstehende Parteien gegen eine reale Politik waren, weil der positiven Ar beit die Negation innerhalb des Parlaments vorgezogen wurde. Als daher der Kampf gegen die Regierung unter der einheitlichen Parole: Schutz der deutschen Kultur, einsetzte, hoffte man allgemein, daß es möglich sein würde, die Ein ¬ heit des Deutschtums herzustellen. Diese Hoff nungen wurden jedoch enttäuscht, Es zeigte sich bald, datz das Wort „Deutsche Einheit" nichts anderes als eine leere Phrase ist. Nachdem die Sozialdemokratie aus prinzipiellen Gründen der Partei der Landwirte eine Absage zukommen lietz und nunmehr der Gedanke der Schaffung der Einheitsliste der nicht marxistischen deut schen Parteien aufgeworfen wurde, war es die nationalsozialistische Arbeiterpartei, die sich gegen die Einheitsliste und Einheitsfront stellte. Die erste nichtmarxistischs deutsche Partei trat also zurück. Dieser folgten dann die deutsche christlich-soziale Partei und die deutsche Ge werbepartei. Diese beiden Parteien brauchten keine besondere Begründungen für die Ableh nung zu geben, da die Nationalsozialisten den Plan bereits zu Fall gebracht hatten. Die Deutsche Nationalpartei und die Deutsche Land- wirte-Partei sehen sich infolge der Absage dreier großen Parteien vor eine vollendete Tatsache ge stellt. Die Einheit der Deutschen konnte nicht geschaffen werden, und der Plan der Einheits liste mußte fallen gelassen werden. Es begann nunmehr der Wahlkampf. Alle Parteien stellen ihre eigenen Listen auf und werden für die Wahl ihrer Kandidaten kämpfen, sie werden diesen Kampf natürlich nur unter der deutschen Bevöl kerung der Republik führen und werden dadurch statt der Vereinigung eine weitere Spaltung herbeiführen. Der Wahlkampf ist heftig und rücksichtslos. Es wird wohl von allen Seiten betont, datz nach den Wahlen, wenn die einzel nen Parteien ihre Abgeordneten im Parlamente haben werden, datz dann ein einheitliches Vor gehen besprochen, vereinbart werden soll, datz dann erst die Koalition der Deutschen geschaffen werde. Welchen Wert diese Beteuerung hat, braucht nicht besonders erörtert zu werden. Die Ablehnung der Einheitsfront beweist nur, datz bei den einzelnen Parteien und Parteiführern die kleinlichen Parteiintercssen vor den Inter essen des gesamten Deutschtums gesetzt werden, datz die Rassenfragen nicht überbrückt werden konnten, datz der seit Jahren vernehmbare Ruf nach der Schaffung einer deutschen Einheit, vom Volke vielleicht wohl ernst von den Politikern, jedoch nur als Schlagwort gemeint war. Das Scheitern der Idee der Einheitsfront und Einheitsliste rief im deutschen Lager große Verwirrung hervor. Welche Folgen diese Ver wirrung haben wird, kann heute noch nicht ge sagt werden. Sicher ist, datz breite Kreise der deutschen Bevölkerung enttäuscht sind, daß sie das politische Treiben einfach nicht verstehen. Diese Massen werden der Gleichgültigkeit zugetrisben. Sie haben ihren Glauben verloren und wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen. Welche Wir kung die Verwirrung auf das Wahlergebnis haben wird, kann natürlich ebenfalls nicht vor ausgesagt werden. Fest steht, daß die tschechi schen Parteien jetzt über die wirklichen Verhält nisse im deutschen Lager unterrichtet sind und dementsprechend sich verhalten werden. Man hat nunmehr gesehen, daß sich die Deutschen nicht einigen können, daß sie wohl immer auf die große Gefahr der Unterdrückung des Deutsch tums Hinweisen, datz sie einheitlich den Kampf zum Schutze der deutschen Kultur führen woll ten, aber die Einigkeit doch nicht Herstellen konn ten. Die Zerklüftung im deutschen Lager wird weiter fortschreiten, und die Deutschen werden auch in der Zukunft nur aus eigenem Verschul den nicht als entscheidender politischer Faktor in der Tschechoslowakei in Frage kommen. Bohemicus ÄW! Ser ÄMMMMeinM M WM'Mn N MH» Ser AM» WMMMiM —IN. Die Vorsitzenden der Hausbesitzervereine aus den Kreisverbänden Chemnitz und Zwickau- Plauen traten am Sonntag nachmittag in Glauchau zu einer Tagung zusammen. Der Saal des „Lindenhofes" war bis auf den letzten Platz besetzt. Sehr stark vertreten war beson ders der Chemnitzer und der Kreis Vogtland. Kreisvorsitzender Kochsiek, Zwickau, eröffnete die Tagung um 3 Uhr mit begrüßenden Worten. Sein besonderer Gruß galt Herrn Verbandssyn- dikris Dr. Dumjahn. Das erste Referat hielt Herr Bezirksvorsitzender Enterlein, Oelsnitz i. V., über die gegenwärtigen Aufwertungs gesetze, insbesondere die Aufwertung der Hypo theken. Es folgte dann ein ausführliches Refe rat des Kreisvorsitzenden Neichstagsabgeordne- Len Lucke, Chemnitz, über die beabsichtigte Aenderung der Mieterschutzgesetzgebung, die gegenwärtige politische Lage und die Stellung der Hausbesitzervereine bei künftigen Wahlen. Die Ausführungen gipfelten in folgender, gegen zwei Stimmenthaltungen angenommenen Ent schließung: „Die heuto, am 8. November 1925, im „Lin- oenhof" zu Glauchau versammelten Vertreter der über 40 000 organisierten Mitglieder der Kreis verbände Chemnitz und Zwickau-Plauen in Ver band der sächsischen Haus- und Erundbesitzerver- rine blicken im Interesse der baulichen Erhaltung des Mietwohnhausbesitzes mit größter Besorgnis in die Zukunft. Aufwertung der Hypotheken und Wiederaufbau des Nealkredites sind nur durchführbar, wenn endlich die unheilvolle Woh nungszwangswirtschaft aufgehoben wird. Die Wohnungszwangsgesetzgebung ist ein Hohn auf jedes Rechtsgefiihl, sie verschuldet nicht nur den Ruin des Hausbesitzes, sondern sie führt auch vom Standpunkte der Eesamtwirtschaft zu einem fortschreitenden schließlich völligen Untergang der deutschen Wirtschaft. Ohne Beseitigung der Wohnungszwangswirtschaft ist ein Wiederauf bau unserer Wirtschaft und eine Gesundung unse res Volkslebens zu Moral und Sitte nicht er- Der Herr im HArise Roman von H. V. Schumacher CoporiglU IVIU bli lyskiner L (tonw., Berlin W. M 31s (Nachdruck verboten) Mit einem Schrei riß ihm Frau HenriUte die Hand herunter. „Schwöre nicht, Rochus!" rief sie wie außer sich. „Es könnte eine Zeit kommen, da . . . wenn er stürbe, Rochus, und er riefe dich zum letzten Male . . . oder wenn wir selbst, Rochus . . . das Dach über uns, es könnte . . ." „Du meinst," sagte er langsam durch die Zähne, „dieses Dach könnte eines Tages nicht mehr über unseren Häuptern sein? Da Härte der Junge ja den Zeitpunkt zur Flucht gut ge wählt! Na, ja, er hat recht! Winkelig ist's schon geworden, weniger das Dach, als das Erbe der Rohnsdorffs. Aber gerade darum halte ich es für eine Feigheit, zu fliehen. Auch über denen, die vor uns waren, hat es oft genug gespukt und gewankt in dem Gebälk da oben, aber sie sind nicht davon gelaufen, sie haben ihre Leiber unter die Last gestemmt und die Stützen mit ihren Ar men umschlungen, um sie zu halten, trotz drohen den Zusammenbruchs. Und so werde auch ich es tun, nach alter, ehrenfestr Art, dieser umstürzle rischen Zeit zum Trotz, und es wird auch mir ge lingen!" „Sieh', Henriette," begann der Freiherr nach einer kleinen Weile wieder, und Henriette merkte es an dem verschleierten Ton seiner Stimme, wie schwer ihm das Sprechen über Dinge wurde, die er bis dahin als seiner ureigent lichen Entschließung unterstehend betrachtet hatte; „der Gegenstand ist nun einmal berührt worden. Es steht nicht gut mit uns; ja, es ist bereits so weit gediehen, daß die Krisis vor der Tür steht, näher, als ich es selbst geglaubt hatte. Willst du mich anhören?" Frau Henriette nickte wortlos. Er führte sie zum Sofa und drückte sie sanft auf dasselbe nie der. Dann erzählte er ihr alles, indem er ihre Hand in der seinen hielt und sie ab und zu wie um Verzeihung bittend drückte. Nur zwei aus der großen Zahl seiner Freunde und der Geschäftsleute, mit denen er jahrelang in Verbindung gestanden, hatten ihm Aussicht auf Hilfe gemacht. Der eine, ein etwas anrüchiger Geldmann, wenn der Bahnhof Hohen- büch auf das Vorwerk Grafenstein käme und sich der Wert des Besitztums dadurch höbe; der an dere, wenn — „Es wäre das Letzte!" schloß der Freiherr mit finsterem Gesicht und preßte die Zähne aufein ander. „Aber wenn's nicht anders zu erreichen ist — ehe ich vom Schlachtfelde weiche ..... denn ein Schlachtfeld ist's in Wahrheit, auf dem wir Alten stehen im Kampfe gegen diese Emporkömm linge, die uns auch aus unseren ländlichen Sit ten bringen wollen, wie sie uns bereits aus fast allem klebrigen verdrängt haben . . . eher soll — es ist die Pflicht jedes einzelnen, auch des Schwächsten unter uns. ..." Er brach ab und legte die geballte Faust fest auf den Tisch. Und aus seinen Äugen glühte ein Strahl unbeugsamer Entschlossenheit. Frau Henriette betrachtete ihn erschreckt. „Was hast du vor, Rochus?" fragte sie und suchte einen Blick von ihm zu erhaschen. Er sprang auf. „Laß mich!" stieß er heraus „Wenn es nötig sein sollte, wirst du es immer noch früh genug erfahren! — Nun aber geh'," setzte er in milde rem Ton hinzu, „und biete noch einmal deine ganze Kraft für morgen auf. Auch jene beiden werden kommen, und es ist, wie du wohl jetzt ein sehen wirst, eine zwingende Notwendigkeit, sie wohl zu empfangen!" Frau voll Rohnsdorff erhob sich gehorsam. Draußen im Korridor blieb sie für einen Moment stehen, um ihre Hand über die Augen zu legen, Und eine einzelne, während ihrer Unterredung mit dem Gatten mühsam zurückgehaltene Träne tropfte ihr auf die bleiche Wange. Elftes Kapitel Das Gewitter war während der Nacht zum Ausbruch gelangt und hatte in einem gleich-' mäßigen feinfadigen Landregen geendet, dem selbst die wasserdichteste Kleidung nur schwer widerstand. So war der Morgen der Wahl grau in grau angebrochen, was jedoch die Bewohner von Hohsnbüch nicht hinderte, in zahlreichen Gruppen ruf dem großen Platze des Dorfes umherzustehen, oft leidenschaftlichen Wechselreden zu besprechen. Denn nach den beiden Vorvsr- sammlungen, welche gestern Abend bei Ruck und Großjohann abgehalten worden, waren die feindlichen Parteien auf offener Straße zu- sammcngrtroffen, und es hatte sich mitten im! Donner und Vlitzeszucken des Gewitters eine tätliche Auseinandersetzung entsponnen, die jedoch glücklicherweise durch das Dazwischentreten Kel lers, der bei beiden Teilen einen wunderbaren Einfluß zu besitzen schien, endlich beigelegt wor den war, nachdem Postmeister Tippelchens Degenklinge sich für Schullehrer Jordans Schä del als zu schwach erwiesen hätte und infolge dessen auseinandergesprungen war. Im Schlosse herrschte schon von Tagesanbruch an Leben. Die Knechte zogen die während der Nacht instand gesetzten Equipagen ans den Re misen und schirrten die Pferde an, um die erwar teten Gäste von der Bahnstation in der Stadt zu holen In der Küche hantierte Frau Henriette zwar mit ein wenig geröteten Augen — sie sagte, das rühre von dem Qualm des feuchten Holzes her — aber flink und eifrig im Verein mit Ulla, Litte und der Wirtschafterin umher, und Ber- 'tha, das Stubenmädchen, setzte, unterstützt von ein paar Hofmädchen, die Fremdenzimmer in Bereitschaft. Baumeister Waldeck, der sich selbstverständlich gleich Morgens dem Freiherrn vorgestellt und dabei seine beiden Zimmer zur Verfügung ge stellt hatte, war von seinem Gastgeber auf das Liebenswürdigste begrüßt worden. Aber um alles in der Welt hätte dieser seiner gerühmten Gastfreundschaft kein derartiges Armutszeugnis ausstellen mögen, daß er „einen so hervorragen den und wollkommenen Hausgenossen in irgend einer Weise beschränkt hätte!" So war Waldeck nichts übrig geblieben, als sich zu fügen, wenn er es auch ziemlich ungern tat. Die ausgesandten Wagen kehrten aus der Stadt zurück, und das große, alte Schloß füllte sich mit einer lustigen lärmenden Schar von Freunden und Bekannten, die sich zwanglos und, besonders die Jüngeren, zuweilen ein wenig ausgelassen bewegten, wie man dies seit Men- ! schengedenken bei den Rohnsdorsfs gewöhnt mar. Litte und Ulla, die von Frau Henriette aus der Küche getrieben waren, hatten alle Hände voll zu tun, um das hereingebrochene Chaos zu lichten, jedem Rede und Antwort zu stehen und die ost gar zu freundlich gemeinten Huldigungen der etwas derben Söhne des Landes in geziemenden Schranken zu halten. „So haben doch wenigstens die Mädchen etwas davon!" murmelte Frau Henriette stillsinnig vor sich hin, wenn einmal lautes Lachen aus dem Frühstückszimmer durch die absichtlich halbgeöff nete KUchentür zu ihr hineindrang. Sogar Ullas Stimme war hin und wieder darunter. „Möge ihnen das andere, das Drohende, das Schwere ganz erspart bleiben!" Und dann plötzlich qualmte das feuchte Holz unter dem Bratofen wieder so furchtbar, daß Frau von Rohnsdorff sich ein paarmal mit der Hand über die Augen fahren mußte; merkwürdi ger Weise jedesmal, wenn sie an ihren einsameiv