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Sie Sie ich das daß I Des Weibes ureigenste Bestimmung ist die Ehe. Sie ist I der natürliche Schutzwall gegenüber der Unbill des Da- „Danke, gut, Fräulein Mayen! Und Ihnen? sehen blaß aus!" „Ich stand erst -kürzlich vom Krankenlager auf. sind also noch immer bei der Gräfin Berghain?" „Gewiß, Fräulein Mayen. Altere Leute wie „Mein liebes, tapferes Kind! Meinst du nicht, d^ß ! es das beste wäre, diese Antwort in die Tat umzusetzen? I dumpfer Fall. Lydia war ohnmächtig auf den Teppich » gesunken. Er hob sie empor und trug sie auf seinen Armen nach I ihrem Zimmer. „Und du hast geantwortet?" „Mit drei Worten: ich habe mich verlobt! Ist nun ein Ende?" Der Professor küßte sie bewegt auf die Stirn. tigen, das sie noch nicht kannte. Ein Puppcnhaus mit winzigen Fensterchen, die teils auf die enge Gasse, teils in einen kleinen Garten blickten, trug die Inschrift, daß hier Peter Eckermann, Goethes Sekretär und Freund, ge wohnt habe. In diesen unscheinbaren Bau nahm ein Glücklicher die goldenen Worte mit, die Goethes Mund ihm tagsüber beschert. In den kleinen Wiegen schlief da mals das Glück! Nach dem Mittagessen besuchte Lydia Fräulein Ehrhard, die ihr mit großem Vergnügen aus ihren vergangenen Tagen vorplauderte. Noch einmal betrat Lydia das Goethemuseum,. besah das Innere des Schlosses und schritt dann über den Fürstenplatz in den Park. Der alte Schloßturm stieg im verschleierten Märzlicht dunkel in die Höhe. Von oben übersah man die Stadt und das Hügelland, das sich zärt lich daran schmiegte. Aber nur höchst selten erklomm jemand den Turm. Lydia stieß plötzlich einen leisen Schreüensruf aus. Etwas Warmes hatte ihre Hand be rührt und ein Paar schwermütige Hundeaugen sahen sie in freudigem Erkennen an. Romeo . . . Verlegen hielt Lydia nach der Begleitung des Hundes Umschau. Eine hagere, überhängende Frauengestalt mit einem spitzen Altjungferngesicht kam heran und grüßte so freundlich, daß Lydia, welche äußerst eilig vorüber eilte, unwillkürlich stehenblicb. „Sie sind es, Fräulein Therese? Wie geht es Ihnen denn?" Er erhob sich, um zu gehen. „Versprich mir, Lydia, I daß du zum letzten Male Weimar betreten willst! Die Er- I innerungen dieser Stadt sirch weder dir noch mir heilsam. » Und nun muß ich fort!" » Eine Woche später fuhr Lydia mit dem Morgenschnell- i zug nach Weimar. Es war noch winterlich kühl, aber an j den kahlen Sträuchern zeigten sich hier und da doch schon » die grünen, spitzen Ohren, welche auf den Klang der Wun- » derglocke zu lauschen schienen, deren Ruf der holde Früh- I lingsknabe folgte. Von weither sandle er seine Boten j voraus, den schüchternen Sonnenstrahl, Welcherder brau- ; nen Erde ihre blühenden Wunder entlockte, uralte Wun- - der, aus Sehnsucht und Licht gewoben, wie die rastlosen I Träume der Menschen. Und bald trugen die südlichen I Winde auf ihren Fittiche,. Lac brausende Liei der Auf- » erstehung ins Land « Eingehüllt in ihr' Gedanken durchwanderte Lydia die I Stadt, in der Aufenthalt zu nehmen ihr einst höchste Er^ j füllung bedeutete. Es war gerade Markttag, und der » schöne, regelmäßige Platz bot mit seinen verschiedenen , Ständen, den Käufern und Verkaufenden ein buntes l Bild Die mächtigen Rückenkörbe der Thüringer Väue- > rinnen wogten darin wie Schiffe auf und nieder Es war » nicht leicht, zwischen ihnen durchzukommen. » Lydia sah dem Treiben eine Weile zu, dann bog sie I in die Seinhardgasse, das Eüermannhäuschen zu besich wurzeln schwer in neuem Boden fest, und dann hat sich I die Gräfin in den letzten Jahren auch merklich zu ihren ; Gunsten verändert. Sie ist lange nicht mehr so herrisch » und hochmütig wie früher. Ich glaube, das fing an dem I Tage an, als Sie uns so plötzlich verließen. Sie brauchen I nicht rot zu werden, Fräulein.. Je älter man wird, desto I nachsichtiger beurteilt man die Jugend. Aber was ich vor- ! hin sagte, ist wahr. Ich glaube, es tat der Gräfin nach- I träglich sehr leid, daß sie Sie so rücksichtslos in der Nacht I aus dem Hause jagte. Sie sragte mich auch ein paarmal, ! ob ich nicht wisse, was aus Ihnen geworden sei, worauf ' ich ihr wieder nicht antworten konnte. Dann lasen wir I eines Tages von dem Morde in Zoppot und sanden dabei I gleichzeitig Ihren Namen. So schlimm also hatten Sie es ! getroffen! Mit den neuen Gesellschafterinnen hatten wir ! übrigens nach Ihrem Weggang großes Pech. Den jungen I wurde es immer gleich zu einsam und die alten ließen > sich nichts befehlen. Seit einem halben Jahr hat die Gräfin ! überhaupt keine Gesellschafterin mehr, sondern bloß eine ! Vorleserin, die täglich zweimal kommt. Ansonst ist sie I allein, was ihr aber gar nicht gut bekommt. Der Arzt hat > den Beginn einer krankhaften Melancholie festgestellt, die « nicht ungefährlich ist, da sich damit eine immer mehr zu- ! nehmende Appetitlosigkeit verbindet." Lydia drückte Romeos Kopf mit zitternder Hand gegen ; ihre Knie. „Glauben Sie, daß die Gräfin mich empfangen ! würde?" fragte sie erregt. Die alte Dienerin riß erstaunt die Augen auf. „Vielleicht ... ich weiß nicht . . . möchten Sie denn ; wieder zu ihr in Stellung, Fräulein Mayen?" „Nein, nein, es ist etwas anderes . . . etwas, worüber I ich Ihnen nicht Auskunft geben kann. Nur soviel verrate I ich Ihnen, daß ich ein Mittel besitze, das die Gräfin sicher ; von ihrer Melancholie heilen wird. Was mir einst durch ! sie geschah, war verdient und ist seitdem durch viel Schlim- ! meres abgelöft worden Es ist heute kein Groll mehr in ! meinem Herzen gegen die Gräfin, sondern der ehrliche ; Wunsch, ihr zu helfen. Deshalb muß ich sie sprechen. I Ich werde eben unangemeldet bei ihr eintreten. Die Ver- I antwortung sür meim Handlungsweise übernehme ich , selbst." : Mit scheuer Hochachtung sah Therese zu dem jungen I Mädchen empor, dessen kühne Entschlossenheit keinen Wider- j spruch zuließ. - „Auf Ihre Verantwortung denn!" nickte sie. (Fortsetzung folgt.) * * * „Na, Mädchen, ich bin glücklich, daß du schon wieder I so Wohl bist!" Zärtlich strich Professor Ebenftein über die schmale, I von kaum merkbarer Röte überhauchte Wange. „Wenn » es warm wird, gehen wir gleich ans Meer oder wohin ! du sonst willst. Das waren ja nun allerdings ein paar I böse Wochen, aber jetzt ist's, Gott sei Dank, glücklich vorbei. 1 Wenn du irgendeinen Wunsch hast, Lydia, so sprich ihn » frei aus! Ich tue ja alles, um dich wieder froh zu machen!" ü Ihr Blick wanderte an ihm vorbei. „Etwas wünsche ich mir, aber du darfst nicht böse j sein darüber. Nach Weimar möchte ich wieder einmal!" „Das ist sehr unvernünftig von dir, Kind! Was ! suchst du denn in Weimar?" „Den Beweis meiner Kraft! Ich habe überwunden j und bin ganz ruhig. Nun möchte ich auch von dem Ort, » von dem meine Qual ausging, für alle Zeit Abschied ! nehmen. Diese Fahrt wird mich belehren, wie stark ich I geworden bin!" „Ich weiß nicht, ob ich dir zustimmen darf, Lydia. - Stark sein wollen und stark sein, ist zweierlei. Ein kluger ! Mensch geht dem aus dem Wege, was ihn peinigt." Sie schüttelte den Kopf „Wer seinen Wünschen ein Ziel gesetzt hat wie ich, - hat nichts mehr zu fürchten. Etwas weißt du nämlich noch ! nicht. Während meiner Krankheit kam ein Brief von I Mark, den er in einem fremden Hafen aufgegeben hatte I und in dem er mich beschwor, ihm anzugehören." » seins." „Ich kann diesen Gedanken heute noch nicht erfassen. I Das einzige, was mich in diesem Augenblick stützt, ist das j Bewußtsein, recht getan zu haben. Daran klammere ich » mich. Deshalb kannst du mich auch ruhig nach Weimar » fahren lassen. Ich werde mit leichtem Herzen von dort I zurückkehren. Und nun antworte auch du mir auf eine I Frage: Hast du denn nie wieder versucht, dich der Baronin » Bergham zu nähern? Sie ist doch seit langem verwitwet." „Nie, mein Kind! Alte Wunden soll man nicht ohne I Not aufwühlen. Auch schien die Gräfin späterhin sich auf I ihren Adel besonnen zu haben. Man sprach zuweilen von » ihrem unerträglichen Stolz."