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G H >3 nicht der fühle mich ; „Verzeihe ; rechten Arm und reichte ihr die Hand entgegen, mir!" Das Mädchen lachte hell auf. Das war richtige Weg, sie zu "beruhigen. „Annuschka!" rief der Schloßherr. „Ich plötzlich der alte Fedor, der ergraute Diener des Hauses, I seinen Herrn beiseite. Ein Mädchen wäre da, sagte er, . das seinen Namen nicht nennen wollte und durchaus den ! gnädigen Herrn zu sprechen wünsche. Herr von Poransti befahl dem Diener, das Mädchen j in das Schloß zu führen, in das Vorzimmer der Biblio- » thek, die ziemlich abseits von den übrigen Räumen des ! Schlosses lag. Als er eintrat, glaubte er Jelonka in ver- I füngier Gestalt vor sich zu sehen. Es war ihre Tochter j Annuschka, die bei ihm Schutz und Hilfe suchte. Vom » Sterbebett ihrer Mutter brachte sie ihm die letzten Grüße. ! Die Sterbende vertraute auf den Edelmut ihres einstigen i Vesehrers und hatte sich nicht getäuscht. Annuschka wurde j freundlich ausgenommen und wie ein Kind des Hauses » behandelt. ! VierLes Kapiier. Noch immer tag der Schloßherr totenbleich auf seinem j Ruhebett. Dian sah ihm an, daß sein Körper schwer » arbeitete und seine Pulse in heftiger Erregung fd ugcn, ! Sein ganzes Leben flog in diesen Minuten au scuem i inneren Gesicht vorüber. Mit einem einzigen Worte, mit j dem fiebernden Rnfe nach Jelonka hatte er in Annuschka » Vermutungen erregt, die sich in ihr nur selten an die Ober- ! fläche drängten und die sie dann nur kurz beschäftigten, ! weil sie es schon zu oft aufgegeben hatte, sie jemals zu j klären. Was hatte sie denn für Rechte an Herrn von Poranski - und an ihre Umgebung? Dienend, immer mit der Last I der Dankbarkeit beladen, hatte sie ihr Leben hier im I Schlosse hingeschleppt. Zwar ihre Erziehung und ihre ; Veranlagung waren so, daß Poranski sie und sie selber sich ! nicht zu dem unteren Hauspersonal zählten. Sie war das > „Fräulein" im Schlosse, aß am herrschaftlichen Tische und i hatte ihr besonderes Zimmer. Aber ihr ungezügeltes f Temperament ertrug diese Stellung nur widerwillig. Sie ' wollte sich hier im Schlosse eine dauernde Position schaffen. > Sie liebte Viktor, sie ahnte, daß sie ihm nicht gleichgültig r war, sie wollte auf Chmilowo einmal Herrin werden! ! -kDas alles waren bisher Träume gewesen, die ihr in ' gedrückten Stimmungen schier unerreichbar schienen. Sie I hatte Herrn von Poranski einen versiegelten Brief von I ihrer Mutter zu übergeben gehabt. Was enthielt er? ! Enthielt er Papiere, die über ihre Herkunft Auskunft k gaben? War sie die Tochter des Milewski, dessen Namen i sie führte, der ihre Mutter nach kurzer Ehe verlassen, von I dem sie nur mit tiefer Verachtung sprach . . . Oder . . .? ! Weshalb hatte die sterbende Mutter sie zu Herrn von Po- ! ranski geschickt, weshalb hatte er sic bereitwillig aufge- I nommen? Sollten ihr die Papiere in dem Brief nicht » Aufschluß geben? Wo waren die Papiere? Sie wollte auf alle Fälle ! in ihren Besitz kommen. Mit vorgebeugtem Körper schritt ! sie erregt im Zimmer auf und nieder. Ihr scharfer Tritt störte den Schloßhcrrn aus seinem ; bewußtlosen Zustand auf. Er öffnete die Augen und sah > Annuschka nach. „Annuschka!" sprach er. Er erhob mühsam seinen ! j existierte das Thearer noch; vielleicht wußte der Direktor, ; wo Jeloicka jetzt gastierte? Der Direktor des kleinen Theaters in der Wiener Vor > stadt erinnerte sich der gefeierten Sängerin noch ganz I genau. Aber was in der langen Zeit ans ihr geworden ; war, Las konnte er Herrn von Poranski nicht sagen. Er . teilte ihm nur mit, daß Jelonka noch vier Jahre bei ihm I ausgetreten, während dieser Zeit einen Sänger namens > Milewski geheiratet hatte und dann an ein anderes Wiener ; Theater engagiert worden sei. Er nannte Herrn von Po- - ranski auch den Namen dieses Thaters. Mit bestem Danke I verabschiedete er sich von dem alten Manne, der ihn nicht I wiedererkannt hatte, obwohl Herr von Poranski früher fast ; täglich sein Gast gewesen war. Der Fiaker fuhr nach der Stadt zurück. Und hier fand er sie wieder! Nach jahrelangem Umherwandern in Prag, Budapest - und Triest war Jelonka vor einem Jahre wieder in Wien » gelandet und hatte an einer kleinen Bühne ein Engaae- I ment gefunden. Sie wirkte, als Herr von Poranski in I das Bureau des Theaters trat, gerade in einem Aüs- ; stattungsftück mit. Er hinterließ ihr ein kurzes Billett, , worin er ihr mitteilte, daß ein alter Bekannter sie nach I Schluß der Vorstellung bei Sacher erwarte. Jelonka kam. Poranski erkannte sie sofort, sie ihn aber erst, als er - auf "sie zugetreten war und sie bei dem Kosenamen genannt, I mit dem er sie in den früheren Zeiten angeredet hatte. ' Da blitzten ihre Augen, die in den zwanzig Jahren » nichts von ihrem tiefen Funkeln eingebüßt hatten, freudig ! auf. Auch ihre biegsame Gestalt war dieselbe geblieben > Nur ihr Gesicht war herber geworden. Diese Frau mußte in der langen Zeit viel erlebt ha- ; ben. Und so gingen die ersten Stunden ihres Beisammen- » seins nicht so unbefangett und natürlich hin, wie Herr I von Poranski es gehofft hatte. Er war ja auch nicht mehr I 25 und sie 17. Und an beiden war die Zeit nicht spurlos » vorübergegangen. Sie waren auch innerlich älter gewor- , den. Wie alte gute Freunde trennten sie sich. Gestählt zu festen Entschlüssen, traf Herr von Poranski I in Chmilowo ein und trat vor Frau Maria, aus deren ; daseinsmüden Händen er das Besitztum seiner Väter ent- » gegennehmen wollte. Ihre milde Erscheinung mit Len I edlen Zügen, ihre hoheitsvolle Gestalt hatte all das Un- I glück, Las sie an der Seite eines wenig liebenswerten Ge- ; mahls betroffen hatte, nicht niederzudrücken vermocht. » Diese edle Frau hatte er einst geliebt, doch seine große > Oberflächlichkeit und sein Leichtsinn hatten Maria, seine I heutige Schwägerin, daran gehindert, seine Zuneigung zu ; erwidern. So wurde Maria die Frau seines Bruders, » der es bester verstanden hatte, die in ihm schlummernden I bösen Eigenschaften vor Maria zu verheimlichen. Als I sie beide sich nun nach zwanzig Jahren zum ersten Male ; wieder die Hände drückten und in die Augen sahen, ? tauschten sie in ihrer großen inneren Erregung nur höf- i liche, nichtssagende Redensarten aus. Dann erst besprachen I sie alles sachlich und warm miteinander. Die finanziellen i Angelegenheiten des Gutes standen schlimm, aber nicht » so ungünstig, um Len Besitz nicht noch retten zu können. I Der Boden von Chmilowo war sehr ertragreich, eine I tüchtige, energische Hand konnte hier bald Ordnung und ; neues Leben schaffen. Herr von Poranski hoffte schon mit ' der Hälfte seines in Amerika erworbenen Kapitals die I Schulden regeln zu können. Der Witwe seines Bruders I und ihren Seiden Kindern, Viktor und Helene, sicherte er i in vornehmster Form ihre Existenz in Lemberg. Viktor, ? der in einem vornehmen Reiterregiment stand, sollte zur I Unterstützung seines Onkels aufs Gut kommen, um später I die Erbschaft von Chmilowo anzntreten. ; Neues Leben war wieder auf Chmilowo eiugezogen. » Unter der zielbewußten Leitung des neuen Herrn blühte I das große Besitztum zusehends auf. Der Frühling ging I mit großen Hoffnungen ins Land, die der Sommer gläu- ; zend erfüllte. Die Ernte war reich und vortrefflich aus- » gefallen. Nach den anstrengenden Arbeiten des Winters und I Frühjahrs hatte Herr von Poranski seinen alten und ; neuen Bekannten ein großes Sommerfest gegeben. Von » weit und breit waren die vornehmsten Adelsfamilien der Umgegend auf Chmilowo znsammengeströmt. Da bat sehr schlecht, mein Herz schlägt wie rasend. Wir wollen i morgen darüber reden." „Nein, gnädiger Herr," erwiderte Annuschka scharf, . ohne in ihrem Aus- und Abgehen inuezuhalten. „Ich habe ! schon zu lange auf diese Stunde gewartet. Sie sind krank, I gnädiger Herr, schwer krank, und La soll man nichts ver- schieben. Ich aber muß mich beeilen, denn ich habe nun . schon zwanzia Jahre die Sehnsucht, frei aufzuatmen. Das I kann ich jetzt endlich, gnädiger Herr! Sagen Sie mir im l Angesicht des Todes, wer bin ich hier im Schlosse? Haben j Sie je eine Träne gestillt, die ich um Glück und Heimat ; aeweint? Dienen, dienen, Las war das ewige Wort, die . ewige Unterhaltung, Lie für mich übrig war. Wofür? i Hatten Sie ein Recht dazu, es zu sprechen? Ich will es i nttr jetzt von Ihnen holen! Wo sind meine Papiere?" rief ; sie noch einmal und trat, an allen Gliedern bebend, an den » Schloßherrn heran. (Fortsetzung folgt.) I