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Nr. 248 HohenMn-EruHM ÄHeMMLllPM Freitag, den 23. Oktober 1925 Beilage Fm Mn niedersächsischen Bauernhaus Von Hans Dietrich Nirgends in Norddeutschland ist das deutsche Volkstum so unverfälscht erhalten geblieben wie in Niedersachsen, jenem Land, das sich von der Nordsee bis zum Harz, von der holländischen Grenze bis an die Elbe ausdehnt, im wesent lichen also die Provinz Hannover und den größ ten Teil von Westfalen umfaßt. Besonders iin altniedersüchsischen Bauernhaus kam es bis in die jüngste Zeit zum Ausdruck, ja teilweise leben die alten Sitten noch fort. Das häusliche Leben des niedersächsischen Bauern spielte sich fast ausschließlich auf der Diele, dem Flett, ab. Es war der einzige Wohnraum des Hauses, ursprünglich noch nicht von Kammern und Stuben umgeben; diese kamen erst später, als die Stadtkultur aufs Land zog. Das Flett war getrennt von der großen Lehmdiele, der Grotdäl; sie war die Stätte reger Arbeit, aber auch der Tummelplatz für das frei im Hof herumlaufende Kleinvieh. In der Mitte des Fletts stand der Herd, meist aus rohen Feldsteincn gefügt, in der Form rund und niedrig, selten viereckig. Das Feuer verlöschte kaum auf ihm, selbst nachts wurde es glim mend erhalten, indem man es mit eisernen Füerstülpern bedeckte; so brannte es unter der Asche in geborgener Glut, bis frühmorgens die sorgende Hausfrau es wieder zu lustigem Ge flacker entfachte für die Morgensuppe. Ueber dem Herde hing der Kesselhaken; das war eine lange, gezähnte Stange, unten zu einem Haken umgebogen, seitwärts ost mit Tüllen ver sehen für den lichtspendenden Kienspan. — Ein dämmeriges Licht erhielt der Naum von kleinen, auf beiden Seiten angebrachten Fenstern, die häufig mit buntbemalten Glasscheiben verziert waren. Es waren Geschenke von Nachbarn und Freunden, zur Erinnerung an die Husbörn sHausrichtung) und bei dem sogenannten Feil st e r b i e r gestiftet. Die Scheiben zeigten neben dem Namen des Stifters und der Jahreszahl Wappen, Hausmarken, Reiter, Handwerker bei ihrer Arbeit, Sprüche und dergleichen. Das Flett hatte auf jeder Seite eine wagerecht ge teilte Tür, die sogen. Blangendör (Lütt- dör), im Gegensatz zu der großen Tür, die auf die Lehmdiele führte und Grotdör wie auch Mittendör hieß. An den Seitcnwänden des Fletts befanden sich die Schlafstätten, mit Schiebetüren versehene Butzen. Hier standen auch die mächtigen Truhen und Schränke. An der langen Wand, der Hvwand, glänzten auf Borden als Stolz der Hausfrau die zinnernen und tönernen Teller und Schalen. Am Speck- wi einen hingen Schinken, Würste und Speck seiten zum Räuchern. Vor dem Herde stand eine niedrige Bank, und um den Herd herum einfache Stühle mit Sitzen aus Binsen- oder Weidenge flecht. Der lange eichene Eßtisch stand am Fen ster, an ihm wurden gemeinsame Mahlzeiten eingenommen. Jeder Hausbewohner hatte seinen bestimmten Platz. Messer, Gabel und selbstgefer tigte Holzlöffel steckten in einem Lederriemen an der Wand. Suppe und Milch wurden aus einer gemeinsamen Schüssel gegessen. Bei Tage gab es für die Männer reiche Ar beit auf den,l Felde, so daß die Frauen im Hause emsig iin Flett schaffen konnten. Zur Winter zeit, wenn die Feldarbeit ruhte, schnurrten hier die Spinnräder und die Haspeln, oder es klap perte unaufhörlich der Webstuhl, und auf der Grotdäl schlugen lustig die Dreschflegel den Takt dazu. Vielfach war die Arbeit im Bauernhaus dem einzelnen zugeteilt. Die Hausfrau sorgte fürs Vieh; sie kochte in dem Grapen über dem Herde die Kartoffeln für die Schweine, sie be sorgte das Füttern und Melken der Kühe und betrieb die Milchwirtschaft mit Buttern und Käsemachen; sie plagte sich ums liebe Federvieh; so hatte sie tagaus tagein voll zu tun. Dafür wurde aber dann für die Zubereitung der eige nen Mahlzeiten nicht viel Mühe verlangt, man lebte eben anspruchslos, aber gesund. Das Essen war einfach und reichlich — derbe Hausmanns kost! Man brockte sich Schwarzbrot in dis Milch suppe und löffelte sie mit Behagen, oder es gab Kartoffeln mit Schinken oder im Sommer Erb sen, Steckrüben und Große Bohnen mit Speck. Dasselbe gab es zu Abend, wohl oft auch Pell kartoffeln, und ganz was Feines waren die „Pannkoksn" (Pfannkuchen). Akan webte sich selber noch den Stoff zum Kleid. Daher stand der Flachsbau in Blüte, er machte viel Mühe und gab kargen Ertrag. Im Winter wurde gesponnen und gewebt, und alles half dabei, Magd und Knecht, und schön schim merte das Leinen, wenn die Verarbeitung ge lungen war. — Die Grotdäl war die Arbeits stätte für die Männer. Hier stand das Vieh: links die Kühe, rechts die Pferde, hier stand die Häckselschneidelade, und Abend für Abend ging es gleichmäßig „reck — schneck", wenn Futter ge schnitten wurde, was Anstrengung verlangte und starke Muskeln. Besonders zur Erntezeit gabs reichlich Arbeit auf der Grotdäl. Die Korn-und Heuwagen fuhren herein, und durch die Luke wurde ihre Last auf den Boden „gestakt", später wurden die Garben zum Dreschen wieder her untergeworfen, losgebunden und ausgebreitet, und schon hämmerten die Dreschflegel und hatten ihre Arbeit. Wenn der Abend kam, zog allgemach Ruhe ins Bauernhaus. Man saß gern uin den Herd zu sammen, dabei gab der Kienspan oder das Tran- krüsel mattes Licht. Nachbarn kamen oft, und man schmauchte und plauderte, oder auch der Christ-Andres erzählte seine Geschichten — er war Spökenkieker im Dorf — wobei allen gru selte. Man trank auch wohl eins. Aber früh legte sich alles zur Ruhe. Dann war es still im großen Bauernhaus, nur die Uhr im Flett tickte eintönig, und zuweilen bellte Caro, wenn vom Dorf ein Geräusch auf den Hof drang. Die neue Zeit nahm die schöne Geruhsamkeit und wandelte alles grundlegend. Man schaffte sich Maschinen an und baute schöne Stuben und Kammern im Flett ein. Das patriarchalische Verhältnis schwand und damit die gemütvolle Hausgemeinschaft. Der Flachsbau hörte auf, der Webstuhl verschwand in der Rumpelkammer. Die Milch wurde zur Molkerei geliefert. Der stei nerne Herd wurde durch den eisernen Sparherd ersetzt. Damit war die Küche da. Bald hörte auch der eintönige Takt des Dreschens auf. Und die „gute alte Zeit" sank dahin, um der moder nen Platz zu machen. Sie. brachte vieles mit: städtische Kultur und Manier. Des Bauern Töchterlein muß heute die seine Küche lernen, und den Spinnrocken nimmt sie in der Aussteuer mit, nicht weil sie spinnen möchte wie einst ihre Großmutter oder Urahne, sondern weil dis „vor nehmen Leute" ein solch Stück Möbel auch haben. Und die schönen Pannkoken kann sie kaum mehr backen, wohl aber Torten. Und wer Große Boh nen mit Speck essen will, muß schon im Bauern haus versprechen, wo eine richtige, tüchtige Land frau noch ihres Amtes waltet. 7 Sächsisches Hokenstein-Ernstthal, 23. Oktober 1925 —* Die Beschäftigung von ausländischen Arbeitern in landwirtschaftliche» Betriebe» ist auch für das Jahr 1920 von oer Genehmigung durch das Landesamt für Arbeitsvermittlung abhängig. Für das Genehmigungsverfahren ist die Verordnung des Präsidenten der Reichs arbeitsverwaltung vom 2. Januar 1923 (ver öffentlicht in Nr. 15 der Sächsischen Staats zeitung vom 18. 1. 23) maßgebend. Für die Anträge sind neue Vordrucke zu verwenden, die beim öffentlichen Arbeitsnachweis kostenlos zu erhalten sind. Die genau ausgefüllten Antrags vordrucke sind bis zum 10. November 1925 bei dem zuständigen öffentlichen Arbeitsnachweis einzureichen. Anträge die nach dem festgesetzten Termin eingehen, können grundsätzlich nicht be rücksichtigt werden. Die Anträge sind, um von vornherein Verzögerungen zu vermeiden, nicht an das Landesamt für Arbeitsvermittlung direkt zu richten, sondern an den zuständigen öffent lichen Arbeitsnachweis des Bezirks, in dem der Antragsteller wohnt. —Die Neichsbahnverwaltung beabsichtigt, in diesem Winter wieder Versuche mit der Ein legung von Wintersonderzügen unter Gewährung der für Sommersonderzüge vorgesehenen Ver günstigungen zu machen. In weichem Umfange derartige Züge gefahren werden können, wird nicht am wenigsten von den Witterungsverhält- nissen abhängen, da nach den Erfahrungen des Vorjahres nur bei günstigem Sportwetter auf eine ausreichende Benutzung der Wintersonder züge zu rechnen ist. Nähere Auskunft erteilen die zuständigen Reichsbahndirektionen, die von der Hauptverwaltung Berlin bereits ent sprechende Weisungen erhalten haben. —* Mit Ablauf dieses Jahres hat gemäß 8 15 des Gesetzes, betreffend die Handels- und Eewerbekammern, vom 4. August 1900 die Hälfte der Mitglieder der Gewerbekammer Chemnitz auszuscheiden. Es sind daher vom Wirtschaftsministerium Ergänzungswahlen un geordnet, die nochmals nach den bisher geltenden Bestimmungen zu erfolgen haben. Die zunächst vorzunehmenden Urwahlen werden demnächst stattfinden. Das Nähere über die Zeit und den Ort der Wahlen ist aus den amtlichen Bekannt machungen zu ersehen, die von den unteren Ver waltungsbehörden erlassen werden. Die bei den Urwahlen gewählten Wahlmänner werden im November dieses Jahres in Chemnitz zur Haupt wahl zusammentreten, bei welcher zehn Eewerbe- kammermitglieder zu wählen sind. Es scheiden aus von der Handwerkerabteilung je 1 Mitglied aus Annaberg, Döbeln, Hartha Penig und Olbernhau, sowie 2 Mitglieder aus Chemnitz, von der Nichthandwerkerabteilung je 1 Mitglied aus Burkhardtsdorf, Frankenberg und Chemnitz. Es sind demnach 7 Handwerker und 3 Nichthand werker zu wählen, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die Ausscheidenden sofort wieder gewählt werden können. Den bezirkseingesessenen Hand werkern und Gewerbetreibenden wird emp fohlen, sich recht zahlreich an diesen Wahlen zu beteiligen. Insbesondere muß es Aufgabe der Innungen, Handwerker- und Eewerbevereinp, wie aller sonstigen gewerblichen Vereinigungen sein, ihren zur Gewerbekammer wahlberechtigten Mitgliedern die Teilnahme an den Urwahlen nahe zu legen. — Zwickau, 21. Oktober. Am Eeorgplatz ist heute mittag 1 Uhr ein von der Reichenbacher Straße kommendes Auto mit einem Radfahrer zusammengestoßen. Der Radfahrer, der nach der Werdauer Straße wollte, fuhr vorschriftsmäßig. Dem Autolenker, der weder Fahrtrichtung noch Signal gab, trifft die Schuld. Der Radfahrer kam unter das Auto zu liegen, und wurde zwei Meter mit geschleift. Er erlitt eine schwere Brustkorbquetschung und mußte sofort ins Kran kenstift geschafft werden. — Kändler bei Limbach, 22. Oktober. Der hiesige kommunistische Bürgermeister legte sein Amt freiwillig nieder. Zu seinem Nachfolger wurde gegen die Stimmen der Bürgerlichen der kommunistische Landtagsabgeordnete Glombitza gewählt. — Chemnitz, 22. Oktober. Auf der Matthes- straße stürzte im Hofe eines Hauses ein zum Hausabputz aufgestelltes Gerüst ein. Bei dem Sturz fiel ein Arbeiter in eine Stube im zweiten Stockwerk, ein zweiter Arbeiter stürzte in den Hof hinab. Beide erlitten schwere Verletzungen und mußten in das Stadtkrankenhaus gebracht werden. — Beutha bei Hartenstein, 21. Oktober. Der Einwohner Fr., der einen Handel mit Zigarren betrieb, hat sich in der Schlafkammer seiner Wohnung durch Erhängen entleibt. Finanzielle Sorgen, in denen er sich in letzter Zeit befand, dürften ihn zu diesem Schritt veranlaßt haben. — Frankenberg, 22. Oktober. Infolge des Anschlusses an den Easversorgungsverband Mittelsachsen beschloß das hiesige Stadtparla ment in der letzten Sitzung, das städtische Gas werk stillzulegen. — Leipzi», 21. Oktober. In einem Grund- stück in Kleinzschocher verübten der 34 Jahre alte Arbeiter Schilde und die 16 Jahre alte Schmidt in der Wohnung ihrer Eltern durch Einatmen Der Herr im Haufe Roman von H. V. Schumacher Copyright 1916 by Greiner L Cvmp., Berlin W. 8V 10s (Nachdruck verboten. „Wenn du mir nur wenigstens sagen wolltest, Henriette," stieß er durch die Zähne, „was mit dem Hellmuth ist!" „Ach, er hat doch das Telegramm geschickt!" „Er hat also ein Telegramm geschickt? Gott sei Dank, das wüßte ich also! Und was steht in dem Telegramm?" „In dem Telegramm? — Rochus, du willst es wirklich wissen?" „Ja, mein Gott, wenn ich das nicht sollte, so hättest du mir gar nichts davon mitteilen dürfen! Also, ich bitte dich, Henriette . . . ." Sein Ton verriet, daß seine Geduld einer straff gespannten Saite glich. Noch eine Schwingung höher, und es gab einen Knacks. „Nein! Nein!" starrte Frau Henriette ihn angstvoll an. „Ich kann's dir nicht sagen! Ich kann's nicht. Der arme Junge!" Dem Freiherrn wurde unheimlich. Was in aller Welt mochte mit dem Jungen passiert sein! „Ja, zum Henker, was hat er denn gemacht? Ist er mit dem Perde gestürzt?" „Nein! Schlimmer, Rochus, schlimmer!" „Oder hat er ein Duell gehabt!" „Nein! Nein! Noch schlimmer, Rochus, noch schlimmer!" Herr von Nohnsdorff fuhr bleich zurück. „Noch schlimmer?" stammelte er. „Er wird doch nicht etwa ...." Er machte eine furchtbare Bewegung, wie wenn jemand an einem Strick hängt und mit de» Füßen zappelt. Frau Henriette schrie auf und schlug schaudernd ihre Hände vors Gesicht. „Um Eotteswillen, Rochus!" stöhnte sie. „Das wirst du doch nicht denken!" „Na, aber was denn?" „Noch viel schlimme:!" Er starrte sie fassungslos an. „Noch viel schlimmer?" wiederholte er und fuhr über die Stirn, wie um einen Nebel dort fortwischen. „Sollte er Schulden haben? — Aber das wäre doch nichts! — Noch viel schlimmer? — Schlimmer wie aufhängen?" Er setzte sich ganz schwach auf einen Stuhl. „Bin ich denn wirklich so dumm? — Ich bitte dich noch einmal, Henriette . . . Ihr habt eine merkwürdige Manier, einen Menschen vorzube reiten . . . .? Wenn du mir das Telegramm gä best, wie?" Frau von Rohnsdorff wurde verlegen. „Das Telegramm?" seufzte sie. „Ich ... ich habe es ... ich dachte, es wäre besser ... wenn du es nicht erführest .... und so habe ich es . . . aber dann bekam ich eine furchtbaren Angst, und da sagte ich es!" „Aber, Mamachen," mischte sich Litte in das Gespräch, „so sage doch nur, wo du das Tele gramm hast! Ich werde es holen!" Der Freiherr atmete auf. „Endlich ein vernünftiger Gedanke! — Also, wo hast du es mir versteckt?" Frau Henriette sah das Vergebliche weiteren Widerstandes ein. „Vielleicht erinnerst du dich noch," wandte sie sich mit oft von Schluchzen unterbrochener Stimme zu Litte, „des braunen Huhnes, dem Karo einmal die Schwanzfeder ausgerissen hat." Herr von Rohnsdorff war aufgestanden und erwartungsvoll näher getreten. Nun setzte er sich wieder und schlug resigniert die Hände inein ander. „Herrgott," stöhnte er, „was hat nun das Huhn damit zu tun!" „Pst, Papa!" winkte ihm Litte zu. „Gewiß, Mama," sagte sie dann zu dieser in einem sanf ten beschwichtigenden Ton. „Ich erinnere mich noch genau. Es konnte sich nie daran gewöhnen, seine Eier in die Nester der Hühnerstiege zu legen, sondern brachte sie stets in die Raps- Scheune!" „Ja!" fuhr Frau Henriette fort und trocknete eine Träne, welche ihr gerade über die Wange lief. „Darum habe ich ihm auch ein Nest in der Scheune zurecht gemacht. Und in diesem Nest, ganz unter dem Heu, da liegt es!" „Das Huhn?" rief der Freiherr nervös. „Nein, das Telegramm!" „Da hätte ich's freilich nicht gesucht, Hen riette!" sagte er endlich voll Ueberzeugung. „Flink, Litte, hol' es her!" Litte war davongeeilt. Die Zurückgebliebenen sprachen nichts. Frau von Rohnsdorff weinte in ihr Taschentuch, und der Feiherr trommelte mit den Fingern auf dem Nando seines Stuhles. Endlich erschien Litte mit dem Telegramm. Bei seinem Anblick schluchzte Frau Henriette wie der laut auf. „Rochus," flehte sie, „lieber, lieber Rochus! Du wirst dich aufregen, und du weißt, Onkel Eünzbergs Krankheit..zähle, Rochus, ich bitte dich, zähle!" Er achtete nicht auf sie. Mit zitternden Hän den riß er das Papier auseinander und überflog die wenigen Worte mit den Augen. Da stand es. „Sende, bitte, umgehend per Draht Erlaub nis zum Abschiednehmen — Hellmuth." „Das! Das!" schrie er außer sich. „Seinen Ab schied nehmen will er! Du hast recht, tausend mal recht! Das ist schlimmer als Schulden machen, mit dem Pferde stürzen, duellieren oder sich aufhängen! Das ist kompletter Wahnsinn! Was denkt denn der Narr eigentlich? Nichts denkt er! Weiß er nicht, wie ich mich abgerackert habe und geschunden Tag für Tag, um ihm eine gute Erziehung zu geben? Gott, wie bin ich ge laufen von Pontius zu Pilatus, damit er nur in das vornehme Kavallerie-Regiment kam! Und Entbehrungen über Entbehrungen habe ich niir auferlegt, um ihm seine Zulage nicht schmä lern zu müssen. Ein schneidiger Dragoner-Oberst sollte er werden, sollte die nie in Erfüllung ge gangenen Träume meiner Jugend verwirklichen; sollte erreichen, was ich selbst vergebens erstrebt. Ich, der Nater, war ein simpler Infanterie-Leut nant gewesen» etwas Unerhörtes in den Traditio nen der Rohnsdorffs. Da sollte er die Familie wieder zu Ehren bringen. Und nun — was will er, was tut er? Er wirft den Glanz und die Ehre von sich, wie einen elenden Bettel. Herr gott, ich darf nicht daran denken! Von wem hat er das nur? So sagt mir um des Himmelswil len, von wem hat der Schlingel das?" Er hob die Hand, welche das Telegramm hielt, in die Höhe, um sie auf den Tisch niederzuschmet tern. Doch erstaunt hielt er inne. Litte hatte diese Hand gefaßt und zog sie mit sanfter und doch zwingender Gewalt herab. Dann löste sie ebenso sanft das Papier heraus und bog die Finger auseinander, so daß die offene Handfläche ausgebreitet auf dem Tische lag. „ Soll ich dir sagen, Papa, von wem Hell muth das hat?" fragte sie, indem sie den Frei herrn ruhig in die Augen blickte und sich darauf herabbeugte, um über die Hand zu blasen. „Das hat er von dem — Fst!" Das einzige Wort brachte ihn wieder zur Be sinnung. „Du glaubst wirklich, Litte? — Fft?"