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UnteryMimas-Beilage - KMM WU UM Druck und Verlag von I. Ruhr Nachf. Dr. Alban Frisch, Hohenstein-Ernstthal. ll Fortsetzung.) Die Hochzeitsfahrt. Roman von Else Krafft. „Unsere lieben Holperfleine, . . . sag' bloß darüber nichts," bat Grete, indem sie das Rütteln der Kutsche be nutzte, um einmal dem Bräutigam, und das andere Mal der Freundin ans Herz zu fallen. „Die gehören zu meiner Hei mat und zu meinem Kinderglück, die haben auch Schuld, daß ich Hans so schnell kriegte. Er hat uns vom Ball nach Haus gebracht, während Vater und Mutter da drüben in der Ecke schliefen, und da . . ." „Rumpelte es auch so schön wie heute," vollendete der junge Ingenieur vielsagend. „Sie flog mir zuerst entgegen, und man konnte die schöne Gelegenheit doch nicht unbenutzt lassen. . ." „Ja, er war gleich furchtbar frech," strahlte Grete, mit einen« erneuten, schon mehr willkürlichen Ruck „ihm" ent gegen. Maria saß, so steif und gerade es ging, auf dem rissigen Lederpolster. „Daß ich Hans so schnell kriegte," . . . der Satz sagte ihr genug. War denn die Kleine ganz und gar von Sin nen? Sie vergab sich ja förmlich diesem Manne gegenüber, sie legte ja schon von vornherein jede Rechte in seine Hand, und war töricht genug, kein Hehl daraus zu machen, wie sehr sie nach ihm verlangte. Es war ein Glück, daß Maria doch noch zur rechten Zeit dem unüberlegten und welt fremden Kinde ein wenig die Augen öffnete. Die Kleine plauderte genau so viel wie damals in den sechs Wochen am blauen Meer. „Aber Schatz," versuchte der junge Mann ein paarmal dagegen zu protestieren, als sein Bräutchen so viel von sich und ihm verriet. „Ich bitte dich, das interessiert ja die gnä dige Frau alles gar nicht so sehr . . ." „Doch, . . . was Maria? ... Ich habe dir doch da mals auch immer alles gesagt," meinte die Kleine im ent rüsteten Stolz. „Desto weniger sie erzählte, desto mehr konnte ich es tun, ach . . . und du hast immer so geduldig und still zuhören können, weißt Lu noch? Ich hatte immer so schreck liches Mitleid mit dir und Leinen schwarzen Kleidern, ich dachte mir gleich, ehe ich dich kannte, daß du schon viel durch gemacht haben mußtest, und hatte bloß immer den einen Wunsch, dir irgend etwas Gutes anzutun, ja! Als mir dann unsere Pensionswirtin sagte, du seist Witwe und säßest auf deinem Balkon ganz alleine, da habe ich mich denn so sachte rangemacht, ... ach, Maria ... es war doch eine himm- lisc^ Zeit, nicht? Vater hatte mit seiner Mir zu tun, kümmerte sich gar «richt um mich, und Lu warst gleich so nett zu mir dummen Jöre,... Hans,... du kannst dir ja den ken, gerade achtzehn war ich damals . . „Ja," . . . lachte er etwas gezwungen und verlegen. Ihm schien das verschlossene schöne Frauenantlitz unbehag- ! lich zu werden in der engen und warmen Kutsche. Es stand in seiner kühlen und höflichen Freundlichkeit in zu großem Kontrast mit dem lachenden, warmen und lebendigen der Braut, und er begriff Liese Freundschaft nicht recht zwischen den beiden Frauen. (Nachdruck vetboten.) „Feiert ihr denn heute auch Polterabend!" fragte Maria vorsichtig ablenkend, als ihr das Thema der kleinen unbehaglich und gefährlich zu werden schien. „Ich wundere mich überhaupt, wie ich zu der großen Ehre komme, von dem hohen Brautpaar leibhaftig von der Bahn abgeholt zu wer- den. Das hatte ich ganz bestimmt nicht erwartet. Ich wollte ins Hotel, da ihr doch sicher schon genug Logiergäste habt." „Nein, das gibt es nicht," regte sich Grete auf, „wo ich mich schon solange darauf gefreut habe, dich endlich mal wiederzuhaben! Du, und in die „Goldene Krone", denk' bloß, Heinz, das wäre direkt, komisch. Da können Heine manns hin und Onkel Otto und deine Freunde, Heinz, was? Aber Maria, meine stolze, angebetete Maria, nein, in mein Zimmer kommst du, das habe ich schon lange aus gemacht. Frieda muß für die eine Nacht raus, und schläft init Hannchen zusammen und Großmama oben in der großen Giebelstube. Auch Kurtchen wird da noch rein gesteckt. Ach, das geht sehr gut, denn im Kinderzimmer logieren die Schwiegereltern. Das ist das hellste und schönste nach dem Garten zu. Heinzels Mutter ist süß, so'n ganz kleines, feines Frauchen mit 'ner Spitzenhaube, und immer so'n rührendes Lächeln um den Mund, als ob sie sagen wollte: „Kinder, nehmt's auch gar nicht übel, daß ich schon so alt bin, und noch so'n kleinen Jungen habe, der erst Hochzeit macht." Jetzt lachte Maria und zog zum erstenmal das rede selige Mädel aus freien Stücken zu sich heran. „Gibt es überhaupt einen Menschen, dem du nicht gut bist, kleine Schwärmerin?" „Na, na," scherzte der Mann, „das will ich mir doch sehr verbeten haben! Du hast ja der gnädigen Frau noch gar nicht auf ihre Frage geantwortet. Nein, Gottlob, was man hier so unter richtigem Polterabend versteht, das haben wir uns geschenkt. Mem Schwiegervater war ver nünftig genug, cinzusehen, daß morgen genug gefeiert wird, und die Hochzeitsgesellschaft deshalb heute nicht so lange aufbleiben soll. Die üblichen Scherben werden ja fliegen, und wie ich meine Schwägerinnen und so das ganze junge Volk hier kenne, wird man wohl auch meiner Grete mit den üblichen Verslein dies und das zum Abschied aus der Mädchenzeit überreichen, aber die meisten Gäste kommen ja erst morgen, und das ist sehr gut." „Gottlob," dachte Maria erleichtert, ihr hatte vor Polterabendaufführungen und einem Gelage bis in die Nacht hinein schon gegraut. Und daß sie das Zimmer mit der Braut teilte, war ihr sehr wünschenswert. Da kam ihr der Zufall ja direkt entgegen, und sie fand wohl heute abend noch eine ungestörte Stunde zu vernünftiger Rede mit dem verliebten Mädel. Der Wagen fuhr langsamer und schüttelte dabei noch mehr. „Jetzt sind wir da," jauchzte Grete, als Erste aus der ! Kutsche springend. „Bekränzte Türen, weißgekleidete I Jungfrauen, du findest alles, Maria . . ."