Volltext Seite (XML)
Unterhaltungsbeilage V zum K Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger Ein Blatt Roman do« L ! (5. Fortsetzung.) „Gott sei Dank, daß wir heraus sind! Es war schreck- > lich!" Die Baronin lachte hell auf. ! „Sie sind ein Kind! Aber Sie werden sich gewöhnen!" „Woran?" „An die Spielsäle!" ; „Wollen wir denn öfters hingehen?" „Gewiß, wir müssen doch Anschluß finden!" „Anschluß . . . ." Eine Bemerkung über die fragwürdigen weiblichen ! Gestalten, an denen sie vorbeigestrefft waren, lag Lydia l auf der Zunge. Aber sie gab ihren Worten noch rasch eine > inildere Wendung. j „Diese Frauen sehen nicht aus, als ob sie außer Ge- > Winn oder Verlust noch andere Interessen hätten," sagte I pe zaghaft. „Wer spricht von den Frauen! Ein Kavalier ist's, ! den wir nötig haben. Es gibt hier Vergnügungen ohne ! Ende, die man aber ohne männliche Begleitung nicht be suchen kann." „Nun, ich für meine Person würde mich fürchten vor ; einem Manne, der sich mn des schnöden Geldes willen i ruiniert, Frau Baronin!" „Sie sind urdrollig! Lassen Sie die Männer sich . ruinieren. Meistens tun sie es mn einer Frau willen, und I das ist recht. All unsere Demütigungen verdanken wir i ihrer Übermacht. Wenn sie sich unseretwegen ruinieren, s nm so besser! Es ist Revanche!" Ein prick^ndes Unbe- . Hagen stieg Lydia zum Herzen. Die letzten Worte der ! Baronin enthielten ein Programm. Beabsichtigte sie sich I hier einen Hofstaat zu gründen? Auf fremde Kosten etwa? s Schamröte färbte ihr bei der bloßen Vorstellling das ; Gesicht. Und sie als Begleiterin, die Ehre der Baronin ! hütend, welche von dieser Ehre höchst merkwürdige Be- I griffe zu haben schien! Vielleicht war sie bei ihrem Stel- I lungswechsel vom Regen in die Traufe gekommen. Dort ; die Klausur eines Nonnenklosters, hier das tändelnde - Spiel mir einer heimlich verspotteten Moral! Aber noch I war nichts geschehen, und sie besaß kein Recht, anzuklagen. Als die Baronin am Abend in einer sittsam hochge- ! schlossenen Samtrobe neben ihr an der Pensionstasel saß ! und sich von einem alten, bärtigen Herrn mit freundlicher I Wißbegier die Prinzipien Les Buddhismus erklären ließ, « nahm sie ihren bangen Verdacht zurück. Die Baronin « hatte vielleicht bloß gescherzt. Und . . . eine Genossin in > unerlaubten Dingen würde sie an ihr gewiß nicht finden. I Zu Lydias unangenehmer Überraschung fuhr die ' Baronin schon am folgenden Nachmittag wieder nach den I Spielsälen, diesmal in einer Toilette, die durch die ras- I finierte Zusammenstellung der Farben unbedingt auf- ! fallen mußte. Eine Reiherfeder wippte melancholisch auf ! den weißen Nacken nieder, der sich erst an der Grenze des I Möglichen des für ihn bestimmten Kleidungsstückes besann. im Winde , rnore Panh. (Nachdruck verboten.) ; Befangen folgte Lydia ihrer Führerin. Diese blieb l bald hier, bald dort stehen, entfaltete abwechselnd ihren l Fächer und ihr Lorgnon und nahm dann mit einem ; kleinen Seufzer neben einem jungen, dunkellockigen ' Manne, der sie schon eine ganze Weile entzückt angestarrt I hatte, Platz. In dem goldenen Netz, das ihr am Arm hing, I raschelten die Banknoten. Gleichmütig schob sie diese vor ! sich hin und verlor. Mit einem Achselzucken wandte sie ! sich gegen Lydia, die hinter ihrem Stuhle stand. „Noch einmal, Fräulein? Sie machen so strenge ; Augen, und ich möchte für niein Leben gern . . . aber ; Verwirrt begann sie in ihrem Täschchen zu wühlen. „Ich i möchte doch . . . nun, da heißt es allerdings aufbvechen!" I „Gestatten Sie mir! Wieviel wollen Sie einfetzen, ' gnädige Frau?" ! Heiße Augen brannten vor ihrem Gesicht. Sie senkte I errötend die ihrigen. „Helfen Sie mir nicht! Ich bin ein Unglücksrabe!^ , „Ich bitte dennoch! Wieviel . . ." „Eine Kleinigkeit! Tausend Mark!" Die Kugel rollte, die hundert Frank verschwanden, s Wieder und wieder warf der junge Mann das Geld auf L den Tisch, jedesmal mit demselben Mißerfolg. Zwei- « tausend Frank waren bereits fort... Da berührte die schlanke Hand der Baronin feinen I Arm. i „Um Gottes willen, halten Sie ein!" „Nicht eher, als bis ich Ihnen den Spielgott gezähmt I zu Füßen legen kann!" „Sie sehen doch, daß er mir feindlich gesinnt ist!" 5 „Er ist galant! Unglück im Spiel, Glück in der Liebe!" ! „Sie irren ..." I Ganz plötzlich verwandelte sich die Sopranstimme der I Baronin in vibrierenden Alt. Sie sprang nervös auf. « „Fort aus diesem Sündenpfichl! Kommen Sie, Fräulein!" ! Schlank, elastisch, bog ihre mittelgroße Gestalt um I den Tisch, den auch ihr dunkeläugiger NaMar ebenso » rasch verließ. „Darf ich mich Ihnen anschließen, gnädig« Frau?" , „Als Gläubiger, gewiß!" Dunkelrot vor Erregung sah er pe an. „Fügen Sie zum Unglück nicht auch den Hohn! Im ; übrigen .... Rheinsberg ist mein Name!" „Ich erwidere Ihre Höflichkeit! Baronin Wander- I heim und hier Fräulein Mayen, meine Gesellschafterin! ! Wenn Sie mir bis morgen Kredit geben, möchte ich jetzt ! meine gewohnte Ausfahrt machen. Es ist noch ein Platz l im Auto frei!" Beglückt leistete er der Aufforderung Folge. Lydia ; sah in die Ferne. Der Kavalier war also gesunden. Ihre « unschuldige Ahnungslosigkeit schwankte im Urteil zwischen I einem Zufall und einer wohleinstudierten Komödie, aber I sie gelangte zu keinem Resultat. Ein kühler Hauch, welchen die einfallende Dämmerung » von der See herübertrug, machte die Baronin erschauern. I