Volltext Seite (XML)
1 Menstein-EmHaserNgebNM Nr. 230 Freitag, den 2. Oktober 1925 1. Beilage - - ' . ------- ... ... H MMWGkbMW Von Bernhard Rausch Jedes Volk hat eine instinktive Treffsicherheit in der Wahl seiner Helden, wobei ihm mehr noch als geschichtliche Großtaten Charakter- und Seelenstärke maßgebend sind. Der Sieger von Tannenberg, der wie ein Symbol deutscher Größe aus gewaltigen Tagen in die Gegenwart hineinragt, ist nicht nur durch seine unsterblichen Leistungen im Weltkriege 'zum volkstümlichsten Deutschen geworden, sondern ebensosehr durch die hoheitsvolle Würde und schlichte Gediegenheit seiner Persönlichkeit, in deren Züge, Weisheit, Güte und Sorgen um das Vaterland ihre Linien gezogen haben und in denen sich bestes deutsches Wesen verkörpert. Hindenburg, dem Volks heros, schlagen am heutigen Tage, an dem er sein 78. Lebensjahr vollendet, die Herzen seines Volkes in Dankbarkeit und Liebe entgegen. Nach den schweren Jahren des Krieges, in denen er das deutsche Volk in Waffen so ost zu strahlenden Siegen geführt hat, würde kein billig Denkender es ihm verargt haben, wenn er die Bürde seines Amtes niedergelegt hätte. Aber für den in der harten Schule der Pflichterfüllung gestählten Feldherrn gab es kein bequemes Sich- zurückziehen. Inmitten revolutionärer Wirren hielt er auf seinem Posten aus, um seinem Volk in den furchtbaren Stunden des Zusammen bruchs ein Vorbild mannhafter Vaterlandsliebe zu sein. Ihm mar bewußt, allein noch die Auto rität zu haben, um dem Chaos vorzubeugen. So ragte seine unantastbare Persönlichkeit in ruhi ger Festigkeit über dem wüsten novemberlichen Treiben, für das die Faustworte gelten: „Sie streiten sich, so heißts, um Freiheitsrechte; Genau besehn, sinds Knechte gegen Knechte." Als dann nach Jahren wachsender Konsoli dierung der Reichsblock vor der Aufgabe stand, einen Kandidaten für das Amt des Reichspräsi denten aufzustellen, der eine überparteiliche Führung der Geschäfte und eine politische Ent wicklung garantiert, die uns aus dem Uebermaß unseres parteipolitischen Betriebes herauszu heben vermöchte, fiel die Wah! schließlich mit zwingender Notwendigkeit auf Hindenburg. Und wieder war dem Feldmarschall der Gedanke an eine Flucht aus der Verantwortung fremd, als der Ruf des Vaterlandes in die Behaglichkeit und den Frieden seines Heims nach Hannover drang. Nicht Ehrgeiz und Machthunger haben ihn geleitet, sondern das ihn auszeichnende tiefe Pflichtgefühl, dem er bei Antritt seines hohen Amtes ergreifenden Ausdruck in jenen schlichten Kundgebungen verliehen hat, die in ihrem per sönlichen Stil so wohltuend abstcchen gegen das hohle Pathos politischer Routiniers. Die Wahl Hindenburgs war ein Bekenntnis unseres Volkes zu deutschem Wesen und deut scher Geschichte, eine Tat nationaler Selbst achtung und bereits erste Erfüllung der Pro grammworte Hindenburgs: „Durch Selbst achtung zur Achtung der Welt." Hindenburg will nicht einer Partei oder Par teigruppe angehören, sondern dem ganzen deut schen Volke: „Das Reichsoberhaupt verkörpert den Einheitswillen der Nation." Ihm kommt es dabei nicht auf die Form, sondern auf den Geist an, im Sinne jenes fruchtbaren Staatsgedan kens, den Paul de Lagarde einmal treffend so formulierte: „Bei Staaten wie Lei Körpern gilt es nicht, den augenblicklichen Zustand zu konser vieren, sondern die Fähigkeit, zu leben, die Kräfte, die diesem Zweck dienen." Nach einem Sieg des parteipolitischen Kandidaten des Volks- blocks wäre Deutschland auf lange Zeit hinaus in zwei feindliche Teile gespalten geblieben. Hin denburg hat an Stelle einseitiger Parteipolitik den Geist wahrer Volksgemeinschaft verkündet, weshalb seine Wahl gerade von denen so erbit tert bekämpft wurde, denen nichts widerwilliger ist als nationaler Ausgleich und innere Versöh nung. Unter dem Deckmantel geheuchelter Ver ehrung und angeblicher Sorge um den Feldmar schall hatte man das deutsche Volk von seiner Wahl abzuschrecken versucht. Aber das für diesen Zweck erfundene Märchen von dem hilflosen Greis ist inzwischen völlig verstummt. Reichs präsident Hindenburg steht nicht nur vor den Augen seines Volkes, sondern vor der ganzen Welt achtunggebietend dH wie ihn mit unver hohlenem Mißvergnügen der deutschfeindliche Amsterdamer „Telegraaf" einmal zeichnet: „Der alte Feldmarschall wie ein eckiger, unbe weglicher Fels unter der Schar der Parlamen tarier . . . Jeder erstaunt über die natürliche Kraft, die von ihm ausströmt, an dem die Zeit spurlos vorübergegangen zu sein scheint. Allein schon die äußere Erscheinung erweckt den Eindruck einer unendlichen Sicherheit und Ruhe." Wie oft hat man im Lager der Gegner seiner Wahl prophezeit, daß Hindenburg in die Abhän gigkeit irgendeiner politischen Clique geraten müßte! Eine Unterstellung, die doppelt ver letzend einem Manne gegenüber ist, der sich in einem langen, erfolgreichen Leben stets gegen seine Umgebung durchgesetzt hat, und dessen Mannesstolz jedes Verleugnen seiner Ueberzeu- gung fremd ist. Ein halbes Jahr seiner Amts führung hat genügt, um seine starke Selbständig keit auch auf politischem Gebiet offenbar werden zu lassen, und die Eingeweihten wissen, daß er allen seinen Amtshandlungen, selbst den schein bar unbedeutenden, seinen persönlichen Stempel aufdrückt. Heute ist auch nicht mehr der geringste Zwei fel daran erlaubt, daß Reichspräsident Hinden burg seines hohen Amtes streng in den verfas sungsmäßigen Grenzen waltet. Aber wenn er auch weit davon entfernt ist, eine Aenderung in den Grundsätzen der Weimarer Verfassung her beiführen zu wollen, so war seine Wahl gleich wohl ein bedeutungsvoller Wechsel. Das partei politische System der Verhältnis- und Listenwahl hat den Einfluß der Persönlichkeit nur zu sehr zurücktreten lassen, das politische Leben schablo- nisiert. Hindenburgs Wahl bedeutete den Sieg der Persönlichkeit über die Zahl, des Staatsge dankens über die Parteipolitik. Deshalb hört der Chor der Parteifanatiker nicht auf, mißtönend in unsere Ohren zu gellen, und höhnisch weist er darauf hin, daß manche Hoffnungen auf „den Retter" Hindenburg ent täuscht worden wären. Als ob es dem Reichs präsidenten verfassungsmäßig überhaupt möglich wäre, grundlegende Aenderungen der auswärti gen und inneren Politik von sich aus durchzu setzen. Das, was Hindenburg als Reichspräsi dent seinem Volke zu leisten vermag und leistet, liegt auf einem ganz anderen Gebiet. Je weniger es uns Deutschen möglich ist, auf dem Wegs staatlicher Machtpolitik unser Haus auszubauen, desto mehr müssen wir es durch nationale Geschlossenheit im Innern festigen. Hierbei ist uns Hindenburg Helfer und Führer zugleich. Sein Beispiel selbstloser Hingabe an das Vaterland macht schlummernde nationale Kräfte lebendig, und er lehrt uns, daß auch ein besiegter Staat Würde haben kann. Das Gedächtnis seiner großen Geschichte ist die beste Kraftquelle eines Volkes. Wer vermöchte so wie der mit seiner Persönlichkeit und seiner Leistung fest im Alten wurzelnde Feldmarschall versöhnend die Brücke zum Neuen herüberzuschla gen, das haltlos ist ohne die lebendige Verbin dung mit unserer großen nationalen Vergangen heit! Hindenburg bleibt uns der getreue Eckart, der uns in düsterer Gegenwart den Glauben an eine bessere Zukunft nicht verlieren läßt. Sächsisches Hobenstetn-Ernstthal, 2. Oktober 1925 —" Falsche Fünf-Rentenmarkschcinc sind im Umlauf. Als besondere Merkmale anzufüh ren: Es ist gewöhnliches Normalpapier dazu verwendet, das Wasserzeichen ist undeutlich und die Fasern sind durch rote und blaue Farbstriche nachgeahmt. Der Stosfauflauf ist durch Ueber- tünchen mit einer gelben Farbe vorgetäuscht. Der Schaurand weicht durch diese gelbe Tönung von den echten Scheinen auffällig ab. Die Farb tönung auf der Rückseite ist abweichend und wäh rend dort bei den echten Scheinen der Unter grund in der linken unteren Ecke mit einem Zierstück beginnt, auf das die Wertzahl 5 folgt usw., fängt das Falschstück mit der Wertzahl 5 an. Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß die Deutsche Rentenbank auf die Festnahme der Fälscher und die Beschlagnahme der Platten eine Belohnung bis zu 1000 Mark ausgesetzt hat. —Uns wird geschrieben: „Tüchtige junge Kaufleute gesucht." Der Ruf geht immer wieder durch die Wirtschaft hindurch und verlockt viele junge Leute, diesen Beruf als Lebensaufgabe für sich zu wählen. Als Berufsorganisation der Kaufleute und Angestellten muß von uns darauf hingewiesen werden, daß nur tüchtige und be fähigte junge Leute, die besondere Eignung siir unseren Beruf mitbringen, Aussicht auf Fort kommen haben. Ein verhältnismäßig hoher Prozentsatz älterer Kaufleute und Angestellte sind durch die schwierige Lage der Wirtschaft erwerbslos geworden. Wenn auch die jüngeren Verufsangehörigen nicht in dieser Gefahr schwe ben, so ist doch auf die späteren Aussichten des Vorwärtskommens mit zu achten und die sind eben in unserem Beruf auf lange Sicht nicht glänzend. Wer aber trotz der hier angedeuteten Schwierigkeiten den Kaufmanns- bezw. Ange- stelltenberuf wählt, der wende sich zwecks näherer Auskunft an den Eewerkschaftsbund der Ange ¬ stellten, Geschäftsstelle Chemnitz, Zschopaus» Straße 2. — Affalter, 1. Oktober. Ein aus Glauchau gebürtiger 21jähriger Webereiarbeiter drang am Hellen lichten Tage durch ein offenstehendcs Fenster in das Vechersche Bauerngehöft ein und lehnte seelensruhig sein Fahrrad inzwischen an den Eartenzaun. Aber seine Vorsichtsmaß nahme, die seine Flucht hatte beschleunigen sollen, wurde ihm zum Verhängnis. Eine Nach barin hatte den frechen Burschen beobachtet u.ü> veranlaßte seine sofortige Festnahme. Er wurrw dem Amtsgericht Lößnitz zugeführt. — Hainichen, 30. September. Bei Erdar beiten in der Gellertstratze wurde eine Silber münze gefunden. die von besonderem geschichtlichen Wert ist. Die Inschrift ist lateinisch und lautet in der Nebersetzunq auf der Vorderseite: „Fried rich," Kurfürst, König von Böhmen, gekrönt am 4. November 1619." Auf der Rückseite ist eine von der Sonne bestrahlte und von fünf Händen gehaltene Krone dargestellt, um die herum die Worte stehen: „Durch Gottes Gabe und die Ein tracht der Stände." Diese Münze ist unter der Regierung des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz geprägt, den die evangelischen Stände Böhmens 1619 gegen den proteftantenfeindlichen Kaiser Ferdinand wählten. — Leisnig, 30. September. Ein 15jähriaei Artist des Lier gastierenden Zirkus Maine, der mit seinem Vater in einem hiesigen Gasthofwohnte, hat sich, als der Vater nach d-m Zirkus gegan gen war, mit einem Handtuche erhängt. Als Grund zur Tat kann nur Schwermut angenommen werden. — Erfnrt, 30. September. Lebendig ver brannt ist hier die hiesige Ehefrau Reinhold aus der Alte Fritz-Straße durch unvorsichtiges Um gehen mit einer Spiritusflnsche, wobei beim Nach- füllen der noch brennende Kocher zur Explosion gekommen ist. Die Beklagenswerte wurde von den Flammen erfaßt und erlitt lebensgefährliche Brandwunden, denen sie nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus erlag. — Weimar, 30. September. Eine schwere Bluttat trug sich Sonntag in der Töpfergaffe zu. Der Chauffeur Thomas kam betrunken nach Haust und rempelte, indem er sich vermutlich in dek Haustür irrte, die vor der Tür stehende Ehefrau Zeunert an, die sich mit einigen Nachbarinnen unterhielt. Als sich die Frau die Flegeleien ver bat, drang Thomas auf sie ein und folgte ihr ins Hails. Er mißhandelte sie in schwerer Weise. De» bedrängten Frau kam schließlich der Ehemann zu Hilfe, auf den Thomas ebenfalls eindrang. Der Ehemann Zeunert holte darauf aus seiner Woh nung einen Revolver und feuerte auf den Bettun kenen zwei Schüsse ab, durch die Thomas im Kopf und in der Lunge verletzt wurde. Er starb au» dem Wege zum Krankenhaus. Zeunert wurde in Haft genommen, nach Feststellung des Sachverhalt- wieder entlassen. Thomas ist Vater von neust Kindern, von denen das jüngste erst einige Wochen alt ist. — Teplitz, 30. September. Während der Elek tromonteur Alscher aus Grmlpen bei einem Land wirte in Schwanz eine Reparatur am Motor vor nahm, kam er den Drähten zu nabe, die unter Strom lagen und wurde auf der Stelle getötet. Alscher ist 27 Jahre alt und wollte kommende Woche heiraten. — Komotau i. B., 30. September. Der 19- jährige Schimmer aus Falkenau war beim Kauf mann Schuh in Goffengrün als Knecht ange treten. Auf seiner ersten Ausfahrt, als das Pferd bei einer Steigung nicht anzog, schlug eS der Bursche schwer mit der Peitsche, wobei ihm die Zügel entfielen. Als er sie aufhob, schlug ihn das Pferd derart mit dem Hufe auf den Kopf, daß der Bursche blutüberströmt zusammenbrach. Im Spital starb er. Gefunden Von Walter Steeger Es war ein warmer, sonniger Herbsttag des Jahres 1788. Der Herr Geheime Rat Goethe hatte schon lange an die Fensterscheiben seines Arbeitszimmers getrommelt und hin und her er wogen, ob er bei diesem prachtvollen Wetter nicht einen kleinen Spaziergang unternehme. Die Arbeit am „Faust" wollte heute sowieso nicht recht gelingen. Nach eineni kurzen Entschluß nahm er dann seinen Hut, griff zu dem alten Spazierstock, der neben dem Schreibpult stand und verließ das Zimmer. Draußen küßte ihm die Sonne Wan gen und Hände, was er mit einem wohligen Ge fühl empfand. Es herrschte eine traulich-behäbige Stille in dem Städtchen Weimar. Nur hin und wieder erklangen ein paar Rufe aus Kinder mund, sonst war alles ruhig. Die wenigen Er wachsenen, denen Goethe auf seinem Wege be gegnete, grüßten den Dichter ehrfurchtsvoll und sahen hinter ihm her. Er war noch nicht zu lange wieder in Weimar. Am 18. Juni war er von seiner fast zweijährigen italienischen Reise zu- rückgekommen. Anders, als er von Weimar ge gangen war. Er war ruhiger, stiller geworden und schloß sich von der Außenwelt immer mehr ab. Seine ehemaligen Freunde mieo er und selbst Frau von Stein besuchte er nur noch wenig. Warum wohl? Ob er wieder eine andere liebte, er, dessen Leben so reich an Fraucnliebe ge wesen? Der Herr Geheime Rat Goethe empfand das alles nicht, was die guten Bürger Weimars von ihm dachten. Er war mit seinen Gedanken wie der einmal im Süden, aus dem er so viele Ein drücke nach dem Norden mit herausgebracht hatte. Er dachte auch an all die, mit denen er dort unten in einem vielseitig angeregten Verkehr ge standen, dachte an Angelika Kauffmann. Die Wipfel der Bäume im alten Park er zählten ihm von den Tagen, die er in heiterer und fröhlicher Gesellschaft hier verbracht hatte. So tief war er in die Erinnerung vergangener schöner Tage versunken, daß er das junge Mäd chen, das sich ihm unter demütigen Verbeugun gen auf dem Wege genaht, erst wahrnahm, als es ihn mit stockender, bebender Stimme anredete und ihm ein Handschreiben überreichte. Goethe überflog das Schreiben und las nur die erste Zeile. Bittgesuch stand da in großer, verschnörkelter Schrift geschrieben. Seine Stirn zog sich unmut'g in Falten. Sollte die Plagerei, der er zwei Jahre glücklich entronnen, nun wie der beginnen? Er schaute von dem Schreiben auf und geradewegs in die frischm, glänzenden Augen des Mädchens, das bang an seinem Ant litz hing. Das, was er sagen wollte, war vergessen; er mußte nur immer in des Mädchens Augen schauen, die ihn so ganz gefangen nahmen. Das Mädchen war unter seinen forschenden Blicken tief errötet. „Nun, mein liebes Kind," begann Goethe endlich zu sprechen, „wie heißt Sie denn und in wessem Auftrage überreichte Sie mir da das Bittgesuch?" „Ich heiße," begann das Mädchen und schlug bei den erneuten forschenden Blicken Goerhes verwirrt die Augen nieder, „ich heiße Christiane Vulpius. Mein Bruder, der in Jena von den Uebersetzungen aus dem Französischen und Ita lienischen lebt und sich in einer bedrängten Lage befindet, beauftragte mich, sein Bittgesuch dem Herrn Geheimrat zu überreichen und um seine freundliche Unterstützung zu bitten." Goethe hatte dem Mädchen lächelnd zugehört und mehrmals genickt. Als es nun geendet hatte, fragte er das Mädchen nach seiner häuslichen Beschäftigung. „Ich fertige künstliche Blumen sür Vertuchs Geschäft an," antwortete Christiane schlicht. „Da verdient Sie wohl recht wenig?" fragte Goethe weiter. Das Mädchen nickte. Ein langes Schweigen folgte, das Goethe endlich mit ver änderter Stimme unterbrach. „Nun ich will das Bittgesuch nachprüfen und alle Möglichkeiten er wägen, um Ihrem Bruder eine Stelle in Weimar zu verschaffen. Ich werde Bescheid geben. Adieu, Mademoiselle!" Er nickte freundlich und schaute dem Mädchen noch einmal in die Augen, und dann ging jedes seinen Weg weiter. Im Herzen oer beiden aber war eine Saite erklungen, die eine feine Melodie sang . . . Goethe war später als sonst, abends in sein Haus am Frauenplan zurückgekehrt. Sein Inne res befand sich in großer Erregung, die er nur mühsam dämpfen konnte. Immer noch glaubte er in die frischen, glänzenden Augen des jungen Mädchens zu schauen und ihre bittende Stimme zu hören. Die Ruhe und Sammlung, die er sich in den letzten Wochen so schwer errungen, hatte ihn ver fassen. Er ging in seinem Arbeitszimmer auf und ab und mühte sich, an etwas anderes zu denken. Aber es gelang ihm nicht. Das schöne, fremde Mädchen nahm seine Seele ganz gefan gen. Wieder war die Liebe in sein Herz ge kommen. Goethe trat an sein Echreibpult. Er mußt« zur Feder greifen, um das Liedchen festzuhallen, das seine Seele sang. Hastig, als könne er es nicht mehr hören, begann er auf ein Stück Papier niederzuschreiben: Gesunden Ich ging im Walde So für mich hin, Und nichts zu suchen, Das war mein Sinn. Im Schatten sah ich Ein Blümchen steh'n. Wie Sterne leuchtend, Wie Aeuglein schön. ... Als er tzas Liedchen zu Papier gebracht und die Tinte sein säuberlich abgetrocknet hatte, schloß er das Papier weg und ging dann hinüber in seine Schlafstube. In seinen Augen stand eist Leuchten und fest gab er sich das Versprechen, sein häuslich' Glück, das ihm heute begegnet, nicht wieder von sich zu lassen, sondern es sestzu» halten. Und der Herr Geheime Rat Goethe hat sein Versprechen gehalten. Ueber Jahresfrist nahm er Christiane Vulpius in sein Haus, wo für sie Beschäftigung genug war. Er hat es nicht be reut und sich nicht wieder von ihr getrennt, die machmaltz seine liebe Frau und die Mutter feines -August wurde.