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j gegen Onkel David etwas Schändliches plant: darum muß ; ich alles tun, um die Ausführung zu verhindern!" , «Gott weiß, durch welchen Zufall er etwas von seines I Onkels Plänen erfuhr und wem er es gedankenlos weiter- I erzählte! Aber nun denken Sie mal, wenn jemand darauf ; etwa den Plan gegründet hätte, eine falsche Erbin auf- » treten zu lassen? Wäre das etwa noch nie dagewesen? I Dagegen zählen so ein paar aus dem Wege geräumte I Menschen demjenigen doch nichts, der so etwas überhaupt - unternimmt!" „Welche Abgründe! Welche Abgründe!" murmelte I Losenstein und fuhr sich über die schweißbedeckte Stirn, j „Und das sollte Harpner . . .?" „Ich wüßte wenigstens keinen anderen. Dagegen ! traue ich ihm ganz wohl zu, daß er die günstige Gclegen- l heit entschlossen ausnutzte, vielleicht sogar den Diebstahl > selbst beging und Ihrer Kusine nachher vorschwindelte, » er sei ungesehen Zeuge davon gewesen, wie Sie den ! Kassenschein nahmen. Er soll damals mit den Kindern I und deren Bonne Verstecken gespielt haben und kann gut E dabei in das an das Kinderzimmer anstoßende Eßzimmer » gekommen sein." „Eines begreife ich trotzdem nicht. Angenommen I selbst, Sie hätten mit all Ihren Vermutungen recht, j warum würde er sich soviel Mühe gemacht haben, Andrea » zu entfernen, anstatt sie einfach zu töten wie jenen Lauter- ! deck? Sie mußte seinen Plänen ja noch viel mehr im Wege > stehen." „Das erscheint Ihnen nicht klar? Denken Sie doch: , wenn er Andrea tötete, würden die Zeitungen doch Pe- ! richte darüber bringen, und bei dieser Gelegenheit würde I auch ihre Herkunft zur Sprache kommen. Wie leicht könnte j man das auf Wiesental lesen, und wie sollte er dann dort . mit einer falschen Erbin austreten? Aber es gibt noch einen ! zweiten Grund. Wenn Ihre Kusine ihm im Wege stand, k so hatte er sie andererseits vielleicht auch noch nötig. Die l falsche Erbin konnte ja versagen, der ganze Plan durch . irgendeinen Zufall mißlingen. Schließlich hätte er ja auch I noch Sie und Ihre Mutter irgendwie beiseiteschaffen I müssen, da Sie die wahre Andrea kannten! Es ist darum j auch möglich, daß er sie auf irgendeine Weise zwingen . wollte, gemeinsame Sache mit ihm zu machen, und erst ! dann, wenn er ihrer sicher war, mit ihr in Wiesental zu I erscheinen." „Sie glauben also nicht, daß er sich schon dort be- » findet?" ! „Darüber weiß ich nichts. Ich war noch nie persönlich I in Wiesental und kenne die dort lebenden Personen nicht. I Ganz sicher aber hat er einen Vertrauten dort, übrigens , will ich mich nach meiner Rückkehr zuerst mit dieser Sache ! beschäftigen. Nun noch eine wichtige Frage: Haben Sie das I Zimmer, welches Harpner bei Ihnen bewohnte, bereits I wieder vermietet?" „Nein. Wir fanden bisher keinen passenden Mieter." „Das ist gut. Darf ich es mir morgen ansehen?" „Gewiß. Ich werde meine Mutter davon verstän- I digen." „Lieber nicht. Sie müßten ihr dann Erklärungen I geben, mindestens unsere heutige Zusammenkunft er- I wähnen, und das möchte ich unter allen Umständen ver- I meiden. Was ich Ihnen mitteilte, muß streng unter uns > bleiben. Ich tat es nur, weil ich Ihnen, als dem nahen ! Verwandten Andrea Drewendts, Offenheit schuldig zu sein glaubte, und weil ich andererseits auch in Zukunft ein wenig auf Ihre Mithilfe zähle. Es ist ja immerhin mög lich, daß Sie Harpner zufällig wieder einmal zu Gesicht be kommen oder sonst von ihm hören. In diesem Falle müßten Sie mich natürlich sofort durch eine Depesche davon verständigen." „Das soll gewiß geschehen. Wenn Sie übrigens wünschen, daß meine Mutter gar nichts von Ihrem Besuch erfährt, so läßt sich dies morgen ganz gut ermöglichen. Mein Dienst heginnt erst mittags, und da meine Mutter, wie ich weiß, morgen früh in die Stadt muß, so brauchen Sie nur zwischen 8 und 9 Uhr zu kommen, um mich allein anzutreffen." „Gut. Ich werde kommen." Fernau, beständig von der Unruhe eines Jagdhundes erfüllt, der zwischen einem Dutzend verdächtiger Spuren die eme, allein richtige, noch nicht absolut sicher im Geri hat, fand sich schon lange vor acht Uhr in der Bismar straße ein. Da er aber fürchten mußte, Frau Losenstein ui daheim anzutreffen, ging er in ein kleines CafS, ihre,. Hause gegenüber, ließ sich einen „Kapuziner" geben und be- hielt das Haustor zu Nummer 4a fleißig im Auge. Er hatte eine schlechte Nacht hinter sich und rührte mißmutig in seinem Kafsee herum, während ihm allerlei unstete Geoanken durch den Kopf jagten. Gestern, als er mit Willy Losenstein sprach, schien ihr alles so klar und einfach, daß er meinte» alle Fragen seic nun fast gelöst und man brauche nur noch ruhig warten, bis der Verbrecher selbst aus der Verborgende trete, um die Hand nach dem Preis seiner Taten auszu - strecken. Aber dann, gegen Morgen, war plötzlich eine große Ernüchterung über ihn gekommen. Was sich gestern i. logischer Folge Punkt für Punkt von selbst aneinander zufügen schien, kam ihm jetzt doch als noch recht mangel Haftes Stückwerk vor. Wieviele Lücken gab es noch, di« sein Scharfsinn nick ausfüllen konnte! Und beruhte denn nicht alles überhaupt nur auf Vermutungen? Harpner konnte ja schließlich wirklich der harmlos liebenswürdige Ehrenmann sein, für den ihn Losensteins und Frau Hartwig hielten. Die Bonne konnte ganz gut den Tausendmarkschein gestohlen und dann aus Angst und Reue wieder zurückgeschickt haben. Kurz, überall, wohin er blickte, stiegen „wenn" und „aber" auf, an die er gestern in seiner Genugtuung, wenigstens die Identität der Schmidt mit Andrea Drewendt festgestellt zu haben, gar nicht gedacht hatte. Auf Harpners Zimmer würde man auch nichts finden. Entweder er war wirklich ein Ehrenmann, dann gab es überhaupt nichts zu finden, oder er hatte bei dem Ver brechen seine Hand im Spiel, dann würde er Wohl dafür gesorgt haben, keinerlei Spuren zurückzulassen. Abgesehen davon, daß der Raum seitdem sicher schon so und so oft gereinigt worden war.... Drüben trat Frau Losenstein aus dem Hausflur. Sic trug ein großes, sauber verschnürtes Paket im Arm, dessen Schwere ihre zarte Gestalt offenbar über Gebühr belastete Wahrscheinlich ging sie mit fertigen Wäschestücken nach dem Geschäft, das ihr Arbeit gab. „Arme Frau!" dachte Fernau, während er dem Zähl kellner ein Geldstück hinwarf und aufstand. „Wenn man denkt, daß ihre Schwester die Schwiegertochter eines Millionärs war und sie ihr karges Brot mit dessen Enkelin teilen mußte, ohne daß man in all den Jahren auch nur fragte: Braucht ihr keine Unterstützung? Ist eine miserable Welt! Und nun, wo's vielleicht zu spät ist, möchte er Himmel und Erde in Bewegung setzen, um Verschuldetes gutzumachen! Wäre wahrhaftig nur gerecht, wenn jetzt der Herrgott da oben sagte: Nun will ich nicht! Hast du dich, um dein bluteigenes Enkelkind nicht früher kümmern können, mögen dir nun Fremde die Augen zudrücken und deine Millionen an sich reißen. Recht geschieht dir!" Nach dieser in Gedanken gehaltenen Standrede machte sich Fernau auf den Weg nach dem gegenüberliegenden Hause. Siebzehntes Kapitel. „Hier ist das Zimmer, das Harpner bewohnte oder vielleicht nur gelegentlich für ein paar Tage und Nächte benutzte." Willy Losenstein zog die herabgelassenen Fenstervor> hänge an beiden Fenstern auf, wodurch eine Fülle von Licht in den Raum strömte. Fernau sah sich enttäuscht um. Das Zimmer, in welches Frau Losenstein, um eine höhere Miete zu erzielen, ihre besten Möbel gestellt hatte, machte durchaus den typischen Eindruck der unbenutzten „guten Stube". Kein Hauch von Persönlichkeit lag über den Dingen. Kein Stäubchen auf den Möbelkanten. Nicht das kleinste Papierschnitzel in den sauber gereinigten Schränken und Schubfächern. Selbst die "blauweißen, Hellen Tapeten, in denen mau kein rechtes Muster erkennen konnte, machten einen unbestimmten Eindruck. (Fortsetzung folgt.)