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' —— — ! Anterhaltungsbeisage ff zum Hohensiein-Emstthaler Tageblatt und Anzeiger Llm das Erbe der Orewendts. j Kriminalroman von « (19. Fortsetzung.) ., Holly, der wußte, daß die Person, welche die Schränke I durchsuchte, noch ganz andere, schlimmere Dinge vollbracht ; hatte oder noch plante, schüttelte ungläubig den Kopf. * „Ich glaube nicht, daß eine Frau vahintersteckt. Mindc- I stsns wäre sic kaum allein dabei tätig. Wenn es also Frau s v. Hergsell getan hätte, müßte man annehmen, daß sie ; vielleicht im Auftrage ihres Sohnes —"- Da fuhr der Baron auf. „Valentin? Was fällt Ihnen ein? Das ist.'ganz ausge- Ü schloffen. So unsympathisch seine Mutter ist, so offen, dank- ! bar und liebenswürdig ist Valentin! Er hängt auch viel " mehr an uns als an seiner Mutter. Ausgeschlossen!" Holly errötete vor Ärger und Scham über sich selbst, ß Warum, war ihm das — er wußte selbst nicht wie — ent- ! schlüpft? Wie kleinlich, daß er feine Gedanken immer durch » die Eiferfucht nach dieser falschen Richtung lenken ließ? „Dann kann cs nur jemand von der Dienerschaft sein," » sagte er ablenkend. „Sie haben einigen, Vie auf Wiesental H alt geworden sind, große Legate vermacht." „Das größte — Posch! Aber alles in mir sträubt sich I dagegen, gerade ibn in Verdacht zu haben. Wir sind zu- , sammen alt geworden, und ich hätte felsenfest auf ihn ge- baut! Freilich" — sein Kopf sank Lief auf die Brust und » seine Stimme bekam einen, schmerzlichen Klang — „man i täuscht sich oft in den Vien scheu. Das habe ich ja erst gestern ; wieder erfahren müssen." Holly hatte gern gefragt: „Was hat es denn gestern i gegeben?" Aber angesichts der hilflosen Schwäche, die sich 1 als Folge Ver Erregung nun wieder so deutlich in Baron ü Davids Zügen ausdrückte, schwieg er. I „Und wenn nicht Posch," fuhr der Kranke nach einer I Weile trübsinnig fort, „dann ein anderer im Haus. Ein H habgieriger Spion, der auf meinen Tod wartet, wo ich mich ! von ehrlichen, treuen Leuten umgeben wähnte. Ein mise- Ü rables Gefühl, wenn man dazu krank ist, Doktor, und auf j dieses Gezücht angewiesen! Wo treibe ich nun einen neuen z Kammerdiener auf, ohne fürchten zu müssen, vom Regen - in die Traufe zu kommen? Denn natürlich habe ich unter » diesen Umständen nicht Lust, einen von den Hausleuten I zu wählen." Jäh wie ein Blitz zuckten Fernaus letzte Worte in k Hollys Erinnerung auf. War da nicht eine vom Zufall gc- k schaffens glänzende Gelegenheit, den findigen Detektiv un- I auffällig ins Haus zu bringen? „Was das anbelangt," sagte er eifrig, „so könnte ich ; Ihnen wohl einen passenden Mann verschaffen, für dessen » Treue und Ehrlichkeit ich mich verbürgen kann. Wie es ! freilich um seine Gewandtheit steht, weiß ich nicht. Ich I glaube, er hat noch nie eine Stelle als Kammerdiener be- : kleidet." „Was war er denn bisher?" „Bnreaudicncr," log Holly. „Aber er sucht einen I Posten im Privatdienst." „Und Sie kennen ihn als zuverlässig?" „Gewiß. Für seine Charaktereigenschaften übernehme !I ich jede Bürgschaft." Erich Ebenskein. - F (Nachdruck verboten.) ; „Wie heißt er?" „Martin Winter," antwortete Holly, dem in der Eile I kein anderer Name einfiel- als der seines eigenen Bureau- ; dieners. „übrigens ein guter Einfall," setzte er im stillen » hinzu, „denn Martin wird uns Vann wohl den Gefallen I tun, Fernau seine guten Zeugnisse zu borgen." i „Wann könnte der Mann eintreten? Ich möchte näm- ! lich Posch, nach dem, was vorgefallen, so bald als möglich 5 verabschieden. Er mag meinetwegen zu seinem Bruder I ziehen, der im Meierhof Kutscher ist und eine Dienst- » Wohnung hat." „Winter ist frei und könnte jeden Dag eintreten. , Wenn Sie wünschen, stelle ich ihn Ihnen noch heute abend » vor." — L „Ich bitte darum." NeunzehntesKapitel. Holly wurde von Posch an seinen Wagen geleitet, ohne ! daß der Alte ein Wort sprach. Lon den übrigen Schloß- ; bewohnern hatte Holly niemand zu Gesicht bekommen. Als er aber die kurze Lindenallee vom Portal zum j Parktor hinabfuhr und den Ausgang fast erreicht hatte, trat « plötzlich aus dem Gebüsch seitwärts des Weges eine weid- z liche Gestalt rasch an den Wagen heran und gab dem I Kutscher ein Zeichen, anzrchaltcn. Es war Melanie, die, in einen schwarzen, langen ' Mantel gehüllt und das Köpfchen ganz durch einen vielfach » umgeschlungenen Gazeschleier verhüllt, hier scheinbar auf I ihn gewartet hatte. I „Bitte, steigen Sie aus, Dr. Holly," sagte sie leise, „und ! lassen Sie Ihren Wagen einstweilen bis zur Brücke vor- k ausfahren. Ich führe Sie dann auf einem verborgenen I Fußpfade dorthin. Ich habe Ihnen so viel zu sagen, und » doch soll es niemand wissen." Obwohl ihr Gesichtchen blaß, ihr Blick unruhig und > ihre Stimme voll Ängstlichkeit war, hätte Holly sie am lieb- e sten laut jubelnd in die Arme geschloffen, wie ein schon ' halb verloren geglaubtes Juwel, das sich im letzten Augen- ; blick wiederfindet. Indessen bezwang er sich, gab dem Kutscher seine I Weisungen und schritt dann stumm hinter ihr her, bis ! Melanie, in einen dicht verwachsenen Pfad einbiegend, " plötzlich stehenblieb. » „So," sagte sie aufatmend, „hier kann uns vom Schloß ! aus niemand mehr seben!" „Wäre dies denn so schrecklich gefährlich?" versuchte ! er zu scherzen. Aber sie ging auf den Scherz nicht ein. „Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß ich allen miß- > traue und mich nirgends mehr sicher fühle! O, Dr. Holly, ; es ist ein schreckliches Leben, das ich jetzt auf Wiesental » führe! Und Vas Schrecklichste ist, daß ich mit niemandem I darüber zu reden wage, daß ich alles, was mich beun- z ruhigt, in mich verschließen muß. Sie sind ja der einzige, ; dem ich mich anvertrauen kann, und wenn Sie heute nicht - gekommen wären, so würde ich Sie morgen wieder in I