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Staat bezi die breiten Gestern, weißt du, gestern haben wir j Nicht gleich. uns zufällig getroffen, daS heißt, nicht ganz zufällig, am Mik Glück. Skizze von BettyRittweger. (Schluß.) (Nachdruck verboten.) Nun hielten sich die Schwestern an den Händen und Viktoria sagte in zärtlichem Ton: „Kleine, wie prächtig siehst du aus! Man merkt's nicht, daß du so viel getanzt hast. Jeder Brief erzählte ja von einer Festlichkeit. Aber die Saison ist dir vorzüglich bekommen!* Eunild erwiderte lachend: „Es war ja auch so schön, so wunder — wunderschön! Komm, Vikh, laß uns eilen, aus dem Gedränge zu kommen. Ich habe solche Sehn sucht, dich allein — ich muß dir so viel sagen. Gelt, wir machen einen Umweg durch die Anlagen. Die Amseln singen schon, denk' nur!* Viktoria übergab ihr Gepäck einem Dienstmann und dann gingen die Schwestern Arm in Arm durch die An lagen, die im ersten jungen Grün standen, der Stadt zu. Gunild begann: „Guck mich mal an, Viky! Merkst du nichts an mir?* „Nun, ich sagte dir schon, du siehst vorzüglich aus, kleine Eitelkeit. Genügt das nicht?* „Das ist's doch nicht. Ich meine, Du müßtest bemerken, daß ich — daß etwas — nun eben, daß ich — Braut bin —* „Braut? Du, Kleine, Braut! Und seit wann ich bin starr —* „Seit vorgestern, Viky. Und ach, du glaubst nicht, wie glücklich ich bin! Und wie lieb er ist. Ich wollt' dir schon immer von ihm schreiben, aber ich hatte solche Angst und konnt's nicht glauben, daß er's wirklich ernst meinte. Aber vorgestern hat er mir's gesagt. Er war mein Tischherr bei Amtsrichters, und nachher saßen wir während einer Quadrille, wo die Paare nicht aufgingen, in dem kleinen Nebenzimmer, ganz allein, und da — ach, Viky, das läßt sich gar nicht beschreiben. Ich war wie im Himmel, und ich bin's noch. Aber Muttchen weiß noch von nichts, ich wollte dich erst zur Hilfe haben, Viktzschwester.* „Zur Hilfe?* „Ach Gott ja, Viky. Du weißt doch, Mutter ist die beste in der Welt. Aber daneben ist sie doch auch noch die Frau Oberstleutnant von Wengern, geborene von Löwen stern, und — und — er ist nur Ingenieur. Aber er ist fertig mit seiner Ausbildung und ist am Elektrizitätswerk angestellt. Mit fünfundzwanzig Jahren, denk' nur! Er ist eben furchtbar tüchtig, das sagen alle. Ich finde Ingenieur etwas sehr Schönes, und er hat auch die höhere Karriere, und er hat das Abiturientenexamen gemacht. Und der Technik gehört doch jetzt die Welt, nicht wahr? Und aus guter Familie ist er auch, ein Pastorensohn. Und, ach, er ist der liebste, prächtigste Mensch auf der Welt! Aber Mutter wird's doch nicht begreifen, daß ich ihn heiraten will. Er hat auch noch kein großes Gehalt, und Vermögen hat er auch nicht. Und er weiß, daß ich auch arm bin. Das hab' ich ihm gleich gesagt. Er ist nicht verwöhnt, und ich, weißt du, ich könnte trockenes Brot essen mit ihm! Wenn Mutter es nur einsehen möchte. Hans — er heißt Hans, Hans Schulz, das wird Mutter auch nicht begreifen. Mir ist's natürlich einerlei, aber Mutter — ach Gott, wenn sie ihr Oberstleutnantsgesicht macht, dann fürcht' ich mich so. Weißt du, wie du dich vor vier Jahren für einen Beruf ausbilden wolltest, da hat sie's auch nicht zugegeben. Es schicke sich nicht für eine Wengern, sagte sie." „Ja, ich weiß. Aber dies ist doch etwas anderes, Gunild." Viktoria schwieg eine Weile, und Gunild schaute trotz ihrer Sorgen mit verträumtem Lächeln ins Grüne und lauschte den Amseln. Aber lange hielt sie's nicht aus: „O, Viky, sag' doch etwas. Sag', daß du's für möglich hältst, daß wir uns im Herbst heiraten. Hans will durchaus nicht länger warten." Diese Worte rissen Viktoria aus ihren Gedanken, die Vergleiche gezogen hatte zwischen dem Glück der jungen Schwester und zwischen dem, was Tante Julie ihr, Vik torias, „kolossales" Glück nannte! „Das habt ihr gleich alles besprochen, Kind?" fragte sie lächelnd. Don der Wiege bis zum Grabe. Der Sommer naht, Die Ernte reift, Und nun Lie Saat Man erst begreift: Aus Kleinem wird das Große werden, Das war, das ist, das bleibt auf Erden. Das Kind wächst auf, Es wird zum Mann, Schnell geht der Lauf, Bergab, bergan: Das Ziel muß jeder selbst sich wählen. Beizeiten seine Glieder stählen. Erst Maid, dann Weib Im Mutterglück, Mit Seel' und Leib Versonnt der Blick: Das gibt erst wahren Wert dem Leben, Der Frau das Glück, dem Mann das Streben. Das Herz ruht aus Von Freud und Leid, Bestellt das Haus Und seid bereit: Nun heißt es unerbittlich scheiden, Und eingeh'n in des Himmels Freuden. Kriegerdenkmal. Und da haben wir das alles überlegt. » Und am 1. Oktober bekommt Hans zweihundert Mark l Gehalt. Am Sonntag will er zu Mutter kommen. Und I heute ist Donnerstag. Du mußt mir helfen, Viky, du bist » doch so klug. Glaubst du, daß man mit zweitausendvier- » hundert Mark ganz bescheiden leben kann, Viky? Hans i raucht nicht und trinkt nur ganz selten ein Glas Bier. I Das ist schon eine große Ersparnis, nicht wahr? Und ; dreitausend Mark reichen doch zu einer Aussteuer? Mehr » ist ja nicht für uns da. Das hat Mutter oft gesagt. Die I Brüder haben zu viel gekostet. Nicht wahr, man kann mit I dreitausend Mark eine Menge anschafsen?" ! „Allzuviel nicht, Kleine. Aber nun hör' mal, was ich ' dir zu sagen habe. Ich bin auch verlobt, seit drei Tagen, i mit dem Kommerzienrat Normann, einem Bekannten von I Onkel Max und Tante Julie. Er ist Millionär, und er i ist Witwer. Ich komme in ein vollständig eingerichtetes k Haus und brauche nur Garderobe und Leibwäsche, meint k Tante Julie. Tausend Mark genügen dafür. Es ist ein I kolossales Glück, das ich mache. Du kannst die übrigen ' zweitausend Mark von mir bekommen, liebe, kleine Gunild. ! Ich bin ja so froh, daß ich dir damit helfen kann, dein I Nest zu bauen." Viktorias Stimme war voll Wärme und Zärtlichkeit, » als sie hinzusetzte: „Du sollst glücklich werden mit deinem » Haus, glaub' mir." „Und du, Viky? Und du? Bist du's auch? Es ist » so sonderbar, daß du Braut — und du sprichst auch gar » nicht wie —" „Närrchen! Ich bin ein spätes Mädchen, und der I Kommerzienrat ist schon über sünfzig, nochmal so alt wie > dein Hans. Da saßt man Las anders auf wie ihr junges » Volk." Gunild merkte nichts von dem inneren Beben, mit dem I die Schwester das sagte. Sie rief: „Ach ja, natürlich, das ; halt' ich nicht überlegt. Aber lieb habt ihr euch doch auch, ! nicht wahr?" „Wir sind uns sympathisch, Gunild." „Sympathisch!" Gunild sah die Schwester erstaunt, ! fast scheu an. Sympathisch, wie kühl das klang! Aber ; es mochte Wohl sein, daß nicht alle Verlobten so fühlten i wie ihr Hans und sie. Da waren sie am Haus angelangt, und oben am ! Fenster stand die Mutter und winkte grüßend und ahnte I nicht, was sie in der nächsten Viertelstunde alles hören I sollte. Hand in Hand erstiegen die Schwesternbräute die I drei Treppen. Gunild leichtfüßig wie auf Federn und , Viktoria mit einem Gefühl, als habe sie Blei an den ! Füßen.