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viel und muß seine Ruhe haben. Ich lasse ein Sofa aus I unseren Zimmern für dich hinüberschaffen, es wird schon . gehen, wenn es freilich nicht bequem ist." Z Renate versuchte zu lächeln, ihr Gesicht war verzerrt. I Sie empfand die Unfreundlichkeit doppelt schmerzhaft. I Galt sie keinem Menschen etwas? »Mache dir keine Umstände, Gerta, ich beabsichtige I morgen wieder" ... sie verbesserte sich hastig: „morgen I weiter nach Berlin zu reisen. Mama wird mir ihre Woh- I nung Zur Verfügung stellen. Ich habe einiges Geschäft- , liches-Hu erledigen. Mein Roman ist beendet, ich will mit ; einem Verleger sprechen." ' Wie Renate von ihrem Werk anfing zu erzählen, I wurde Gerta zutraulicher und bedeutend liebenswürdiger. ' Sie schob ihren Arm in den der Schwester und bekam I einen bewundernden Blick fertig. „Einen neuen Roman? Hast du ihn in deiner Ehe ge- I schrieben?" „Was sollte ich sonst den ganzen Tag beginnen?" ; Gerta zog den Mundwinkel herauf. „Dich ausruhen, i dich pflegen. Ich mache keinen Finger krumm, tue nichts, I i bewahre, ich denke nicht daran." „Besorgst du dir deine Wirtschaft nicht?" Renale brach Z erschrocken ab. Sie fand, daß sie bereits auf das Ge- i sprächsthema von Frau Landolf und Frau Settgast ge- i kommen war. „Fällt mir gar nicht ein! Wozu habe ich meine Mäd- ! chcu?" „Meine Mädchen . . . hast du mehrere?" „Selbstverständlich! Denkst du, ich quäle mich ab? ! Nein, dazu ist der Mann da! Die Herren der Schöpfung ' wünschen auch nicht, daß wir arbeiten. Sie lieben uns i nur, wenn wir ihnen als Sphinx und Rätsel erscheinen, I nicht aber als brave Hausmütter." Wie die leicht hingeworfenen Worte Renate an das i Ohr schlugen, nickte sie still vor sich hin. Gerta hatte recht I mit ihrer Lebensweisheit. Ihr Streben ging einst darauf, den Mann durch ihre . Arbeit, ihre Hilfe glücklich zu macken Er hatte es ihr mit i Verrat gelohnt. Sie wollte ihm nickt mit den kleinen Sor- > gen des Alltags in das Reich feiner Gedanken fallen. I Darum ging er hin und vernachlässigte sie einer anderen > wegen. Gerta hatte recht, tausendmal recht. Einst war I ihre Liebe groß, grenzenlos gewesen: er hatte sich über- I sättigt gefühlt. Sie gab ihm keine Rätsel mit ihrer ehr- I lichen, geraden Natur. Wie ein dunkler Schleier legte sich . die Erkenntnis auf ihre klaren Augen. Gerta merkte die I Schwäche der Schwester nicht. Draußen hörte man einen Schlüssel in das Schloß I stecken, Schritte gingen langsam, wie müde, über den Flur. , Auf Gertas hübschem, nichtssagendem Frauengesichte I zeigte sich eine Falte des Unmutes. „Da ist Walter schon. Er geht jetzt stets gar so pünkt- I lich. Mir scheint, er hat nicht genug zu tun." „Willst du deinem Mann nicht guten Tag sagen? Laß Z dich nicht durch mich stören!" sagte Renate. Aber Gerta hob I entsetzt die Hände. „Wie er von der Arbeit kommt? Nein, er muß sich um- . kleiden, bevor er meinen Kuß bekommt!" I Es dauerte eine geraume Zeit, da erschien Walter I Neintal im Herrenzimmer, wohin die Mutter mit den bei- I den Schwestern sich zurückgezogen hatte, während man im . Eßzimmer den Tisch deckte. Das eilige Klappern der Mes- I ser drang herein, die Teller klirrten, und Gerta hielt sich S mehrere Male die Hände vor die Ohren. Mit einer falschen I Lässigkeit sagte Gerta, ehe der Mann die Tür öffnete: „Rasch herein, Walter! Schau, wer hier ist!" Z Renate erkannte den Mann, der herzlich auf sie zutrat, I zuerst kaum, ebenso, wie sic Gerta nicht wicdercrkannt hatte, i Er schien gealtert. Sein schönes, braunes Gesicht sah müoe ; aus. Die Augen blickten melancholischer, die Kleidung Z zeigte nicht mehr die Sorgfalt, die Renate von früher her i in Erinnerung hatte. In dieser Ehe war es, als habe Gerta i alles an sich gerissen, was Leben und Freudigkeit bedeutet. ! Nachdem er Renate begrüßt hatte, schritt er zu Gerta hin, Z legte seinen Arm um ihre Schultern und sagte zärtlich: I „Das ist schön. Gerade heute hatte ich eine so große I Sehnsucht, nach Hause zu kommen. Nun freut es mich dop- . Pelt, früher hier zu sein." ' (Fortsetzung folgt.) erlebte dergleichen in der großen Stadt nicht selten. Das Mädchen machte keine Miene, ihrem Wunsche nachzu kommen. Da rief Renate laut: „Melden Sie mich bitte." In der gleichen Minute öffnete sich die Tür eines Zimmers. Renate erkannte die schöne Dame nicht, die selbstbewußt, erhobenen Hauptes eine Weile hinausschaute und herrisch, befehlend fragte: „Was gibt es, Sophie?" Nun stieß sie einen Ruf der Überraschung aus. Sie lief mit ausgebreiteten Armen auf die Schwester zu: „Renate, Renate, du bist es wirklich? Eben habe ich mit Mama von dir gesprochen, komm herein." Sie gab dem Mädchen einen kurzen Wink, der Schwester die Sachen ab zunehmen, und hatte ihre Fassung wiedergewonnen, um die Dame zu spielen, die sich nie Hinreißen läßt. Sie öffnete die Tür zu dem Zimmer der Mutter. „Mama, ahnst du, wer hier ist?" Frau Heinsius erhob sich von dem Stuhle, legte die Stickerei zusammen, und in ihrer Bewegung lag etwas I Ängstliches, als sie die Tochter sanft umarmte. §» „Kind, du? Guten Abend. Wie kommst du auf einmal her?" Die junge Frau zwang ein Lächeln in ihre Züge. „Ich I wollte euch einmal überraschen. Gestern faßte ich den » Entschluß, heute kam ich. Ist das so sonderbar?" „Wo ist Otto? Ist er auch gekommen? Hat er dich I wirklich allein fahren lassen? Wir glaubten, du seiest für > uns verschollen in deinem Liebesglück," rief Gerta über- » mütjg und drehte sich, daß Renate ihre Eleganz bewundern ! konnte. Die sah nichts. Um ihre Lippen zuckte es bitter. I Gertas Heiterkeit war ein quälender Gegensatz zu ihrer > Stimmung. Eigentümlich schwermütig befiel es sie, wie - sie sich in dem Zimmer umsah. Sie standen in einem ! großen Salon, der letzten Mode entsprechend eingerichtet. I An den Fenstern hingen lichte Stoffgardinen, mit einem f künstlerischen Muster geziert. Das gleiche Muster in den » verschlungenen Gardinen wiederholte sich in den Stühlen, ! aus dem Wandbehang, sogar in Gertas Kleide schienen I einige von den seltsamen Blumen wiederzukehren. Sie j dachte an ihr Heim, an ihr kleines, trautes Reich. Die » Kehle war ihr wie zusammengeschnürt. Gerta sprach unaufhörlich. Sie pries die Wohnung, 1 die sie bewohnte, schwärmte von den Menschen, mit denen I sie verkehrte. Sie spielte offensichtlich vor Renate eine » kleine Komödie, um ihr zu zeigen, wie gut sie es ge- » troffen hatte. Frau Heinsius wagte in Gegenwart der I Tochter kaum einen Laut von sich zu geben, sie begleitete > mit liebenswürdig sanftem Lächeln alles, was Gerta cr- !» zählte, und hatte ihre Handarbeit wieder ausgenommen. ! Es war eine kunstvolle Decke für Gertas Flügel, der ihren I Salon zierte, obgleich kein Mensch darauf spielte. Endlich wandte sie sich wieder den Dingen ihrer Um- » gebung zu. „Du bist so still, Renate, ich bin eine schleckte ' Wirtin, nicht wahr? Lasse dich lange sitzen und biete dir I nicht eine Erfrischung an. Komm', mache es dir in meinem j Schlafzimmer bequem." Sie lief voran, mit bewußter An- » mut, die sie gern übertrieb, deutlich von dem Wunsche ! beseelt, der Schwester die anderen Räume zu zeigen. „Nicht wahr, es ist hier schön? Hättest du gedacht, daß I es einmal in meinem Heim so aussehen könnte? Walter ; hat alles angeschafft. Er wollte eine andere Einrichtung, - gut bürgerlich, aber ich?" Sie lachte auf. „Er sah rasch I genug ein, daß ich recht hatte." „Wie geht es Walter?" Renale wunderte sich, daß ; Gerta seinen Namen jetzt zum ersten Male erwähnte. „Gut," sagte sie leichthin und reichte Renate ein Hand- I tuch. Nun kam eine kleine Verlegenheit in ihr Gesicht. „Es I ist lieb, Renate, daß du gekommen bist, sehr nett, ich freue ; mich aufrichtig..." „Aber?" fragte Renate. Die Finger der Jüngeren schlangen sich unablässig I ineinander, lösten sich und begannen das gleiche Spiel ; von neuem. „Kein Aber, nein, das ist es nicht; doch du hast wohl I nichts dagegen, mit Mama in einem Zimmer zu schlafen? I Unser Fremdenzimmer. Wir haben nur eins ... Wenn ; du das nächste Mal wiederkommst, sollst du ein Zimmer » für dich allein haben. Mein Schlafzimmer kann ich nicht 8 entbehren und Walter das seine gewiß nicht; er arbeitet