Volltext Seite (XML)
Von Käte Lubowski „Von diesem alten Pfingstzauber haben Sie noch nicht gebärt Fräulein Eva?" wundert sich der Landwirt Ewald Frank, der den Gutsbesitzer Wcndenftett, während der in Nauheim sein Fettherz erholt, in Liebau vertritt. Eva Wendenstett, Studentin der Medizin im ersten Semester und nur daheim, um die Folgen einer Lungen- «ntzündung auszuheilen, möchte diesem kecken Menschen, der ihr fortwährend „dumm" kommt, gern wieder eins auswischen. Aber ... die Mutter sitzt dabei und dann ... redet er schon wie der weiter: „Ich weiß es durch die alte Borch arten, unsere heimat liche Dorfheilige, und habe ihr auf Wort — eine halbe Mark und zweiDoppelschnäpsefür die Preisgabe des Ge heimnisses bezahlt. — Also: Jedes, das seine inneren und äußeren Nöte los werden will, schreibe in der Pfingst nacht den Namen des sen, der ihm der Liebste auf der Welt ist, auf einen Bogen Papier, forme eine Rolle dar aus und trage sie ge nau um Mitternacht am Pfingstsonnabend an eilten entlegenen Ott.. „Das ist ja Heller Unsinn," lachte Eva spöttisch. — Die alte Borcharten setzt sich alsdann, ihrer Ansicht nach, nut den lieben Englein in Verbindung und verrät ihnen die Adresse der unbekannten Schreiberin — oder des Schreibers, nicht wahr?" Ewald Frank sieht sie mit seinem strengsten Gesicht an. „Wie wenig Kinderglaube ist doch in Ihnen! Das macht alle Gelehrsamkeit niemals wett, Fräulein W-i- denstett. — Zuverlässige Leute haben die Wirkung dieses Zaubers an sich erprobt. Durch die Ehrlichkeit und den festen Glauben gerührt, tragen die Engel in dieser Nacht der Wunder jene Rolle himmelwärts und . . . bringen eS im Lauf der Zeit fertig, daß die Schreiberin auch für den Träger des von ihr ausgezeichneten Namens das Teuerste und Liebste wird . . ." Eva lacht zwar weiter, aber es klingt ein wenig gezwungen. Zu einer schneidigen Abfuhr kommt sie nicht mehr. Herr Frank ist — mit einer leichten Verneigung — aufgestanden. Der Dienst winkt. Er will grade hier nicht versäumen. — Nun find Mutter und Tochter allein. „Was hast du nur gegen Herrn Frank, Eva," verlangt die Mutter zu wissen. „Seine Ansichten liegen ein Jahrhundert zurück. Er ist stehen geblieben, Mutter. Er kennt die Frau von gestern. Die Frau von heule ist ihm fremd." Frau Wendenstett muß lächcly. „Eva, die Fran von heule, die sich vornimmt, anders zu sein, ist etwas Gräßliches. Vubenköpfe und Klubs — Pingpongs und Budcnbesuche bedingen noch längst keinen Fortschritt in der Kultur. Kleines, liebes, dummes Mädel, vergiß cs nie, bei der Frau ist die höchste Kultur, wenn sie in sich und allen, auf die sie Einfluß hat, die Reinheit pflegt." „Aber — wie darf er mir solchen Blödsinn aufbindcn," grollt sic. „Wenn er nun aber — doch selbst an ihn glaubt, Kind." „Ich hasse ihn," ge steht Eva, schlägt im nächsten Augenblick die Hände vor daö Gesicht und beginnt bitterlich zu weinen. Draußen aber will sich die goldene Mal sonne halbtot lachen. Eva Wendenstett und Herr Frank sind böse mnemander. Eine neue Explosion hat aber kei neswegs zwischen ihnen stattgefunden. Sie hal ten sich nur offensicht lich voneinander fern. Eva Wendenstett fühlt sich aber totunglück lich. Sie schiebt das auf die Nachwehen der Lungenentzündung und be schäftigt sich eifrig mit ihrem Studium. Acht Tage nach Pfingsten gedenkt sic frisch genug zu sein, um nach Ber lin zurückzukchren. Eigentlich haßt sie die Großstadt. Und die Mutter hat recht — in der modernen Richtung liegt zu viel Unnatur — zu viel, das gewaltsam alles Zarte und Vergangene unter die Füße tritt. Sie schämt sich hinterher. Es macht der Mai mit seinem Duften und Verheißen. Diese Zeit der Ruhe kommt dazu. Es wird bester werden, im Hörsaal der Universität unter den andern, den Trägern der Kultur. So viel Gold wie dies Jahr streute der Mai noch niemals, meint sie. Und nachts scheint der Vollmond — rund und keck — aus ihr Bett. Sie schläft unrubia und wenig. Den Grund weiß sie nicht. Und dennoch gibt cs einen. Die Mutter mit ihren ruhigen, klaren Worten hat ihn gebaut, als sie sagte, daß Ewald Frank — ihrer Beobachtung nach — genau den gleichen Widerwillen gegen sie — die Eva —- hege, als jene gegen ihn. Daran muß sie nun immer in diesen klaren Silbcr- nächten denken! Die dumme — ganz blihdumme, völlig kulturlose Geschichte von der alten Borchartcn spukt ihr dabei im Kopf herum.