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in der Laube zu verbringen, die Nachmittage schreibend im Zimmer zu sitzen. Ich verstehe das, wie gesagt, nicht.' „Hat es dir je an irgend etwas gefehlt?" fragte sie leise, doch empört über diesen Angriff. Er schien zu überlegen. „Nein, das nicht, aber ich glaube, wir könnten manche Streitigkeiten vermeiden, wenn du dich nicht hartnäckig gegen alles sträuben würdest, was ich sage. Ich bekomme manchmal den Eindruck, als hätte ich nur nötig, irgend etwas zu verbieten, damit es dir zum Befehl wird, es gerade zu tun. Ich habe keine Lust, im ewigen Unfrieden zu leben." „Otto," sagte Renate ganz ruhig, „ich will ihn dir nicht bringen. Tue, was dir beliebt, ich hindere dich in nichts, ich nicht, verstehst du? Ich weiß sehr gut, was dich ver anlaßt, so hart gegen mich zu sein." Sie wollte ihn mit dem Worte treffen, ihn unsicher machen, aber sie mußte seine Haltung bewundern und sich sagen, daß sie ihm mit allen Zweifeln unrecht getan. Er stand da, als könne nichts seinen Gleichmut erschüttern, auf der Stirn zeigte sich, aügegrenzt, eine blaue Ader. Stach dem Essen stand er auf. sagte seiner Frau einen kurzen Gruß und nahm den Weg zur Weinholdfchen Wohnung. „Ich komme nicht vor acht Uhr nach Hause," sagte er, „ich gehe noch einmal auf das Werr." Sie hörte seinen Tritt vom Garten verhallen und lief in Rene die Stufen hinunter. Er wandte den Kopf, sah sie stehen; der Ausduck ihres Gesichts griff ihm an das Herz. Aber, da sie nichts sprach, unfähig blieb, ihre Lippen zu öffnen, eilte er weiter. « „ » Der Empfang, den Malwe Weinhold ihm zuteil werden ließ, entschädigte ihn für die bösen Stunden. Sie ging langsam im Vorgarten hin und her, und als das Gitter sich in seinen Angeln bewegte, eilte sie auf ihn zu, als habe sie ihn voll Sehnsucht erwartet. Tropischer als sonst leuchteten ihre Lippen. „Das ist brav. Sehen Sie, ich wußte, daß Sic kommen würden. Ach, ich hatte einen wunderbaren Tag. Schon lange nicht war ich in einer solchen Stimmung, zu üben, schon seit Monden habe ich nicht mit solcher Leidenschaft gespielt wie heute. Sie sollen auch königlich dafür belohnt werden." Und sie zog wie ein Kind ihn an der Hand hinter sich her. „Malwe!" Otto blieb stehen. „Malwe, habe ich einen Teil daran?" „Wie man es nimmt." Sie bewegte die Augen hin und her und sah ihn mit einem allerliebsten, schelmischen Blick von der Seite an. „Das wissen Sie nicht? Nein, das brau chen Sie nicht zu wissen, sonst wären Sie heute schon ein gebildet." Wie sie lachte, wie sie kindlich sich freute, sie schien ihm die Verkörperung der Freude des Lebens. Und ohne ein Wort zu sprechen, zog er sie an sich und seine Lippen preßten sich auf die ihren. Er fühlte die willen lose Hingabe aus ihrem Kusse und sie riß ihn fort. Wild, flammend und glühend ruhte Mund auf Mund, bis sie sich mit einer plötzlichen Bewegung freimachte, wie ein Kind, das satt ist, die Speise zurückschiebt. „Kommen Sie, Tante wird sich freuen, Sie begrüßen zu dürfen. Sie meinte nämlich, daß Sie heute bestimmt zu Hause bleiben würden bei Ihrer F"... Er hätte ihr, da sie beinahe Renate erwähnt hätte, am liebsten die Hand auf den Mund gedrückt, aber sie fand es selbst besser, jetzt nicht von der anderen zu sprechen. Sie wollte seine Liebe haben, solange sie noch hier war, denn sie fühlte unter seinen glühenden Knabenküsscn ihre Kraft, ihre Macht in den Tönen wachsen. Als sei die Leidenschaft der Sturm, der sie fortriß. Und im Herbst schon wollte sie in einem großen Kon zert glänzen, das ihr Ruhm und Zukunft bringen mußte. Nun ließ sie sich nicht mehr von ihm festhalten, wie er es wollte; sie lief voraus und rief in das Zimmer hinein: „Tante, siehst du, Herr Storm ist gekommen. Jetzt wird er prachtvoll belohnt. Sie sollen selbst sagen, ob Sie schon einmal so spielen gehört haben." (Fortsetzung folgt.) Er ergriff ihre Hand, hielt sie wieder mit langem und > zärtlichem Druck fest. Sie wandte sich ab, schritt durch den ! Sonnenschein dahin, das Grün des Parkes nahm sie auf, i ließ das lichte Kleid hier, da noch einmal durchscheinen. l Professor von Lohe sah ihr nach, bis sie sich seinen Blicken » entzogen. Dann ließ er sich auf eine Bank fallen und seine ü Schultern hoben sich schwer. Renate erreichte auf einem Umwege ihr Haus. Die I Uhr schlug die zweite Stunde, als sie eintrat. Sie war be- » nommen von dem, was sie erlebt, ging, ohne nach ihrem ! Manne zu fragen, in das Schlafzimmer und setzte den Hut I ab. Ein rascher Blick in den Spiegel sagte ihr, daß man I die Spuren vergossener Tränen noch an den Augen, in » dem leidvollen Antlitz sah. Otto kam herein, stand schwei- i gend einen Augenblick vor ihr und fragte: „Wo warst du? Du hattest wohl vergessen, daß ich I heute zu Hause bin?" „Aber ganz und gar nicht." Sie lächelte, sie war nicht » in der Stimmung, mit ihm eine Auseinandersetzung zu I haben. „Und weshalb gingst du fort?" „Ich sah keine Veranlassung ein, hierzubleibcn, wenn k die Lust, hinauszugehen, mich rief. Du bedarfst meiner I nicht, und da ich meine eigenen Ideen auch einmal allein I spazieren führen wollte, bin ich gegangen, als du noch : schliefst." » ' „Das habe ich gefühlt." Er war auch ruhig, in I dem Bestreben, die Frau nicht zu verletzen, weil er ihr ge- < genüber sich schuldig fühlen mußte. „Ich gebe zu, daß ich » gestern sehr häßlich gegen dich war, wie ich dir meine Ge- i sellschaft entzog, aber mußtest du dich gleich rächen? Ich I hoffte, dich zu sehen, und war nicht wenig bestürzt, als ' Kandida mir sagte, du seiest spazieren gegangen. 2Henn ; man dich nun getroffen hätte, wenn Frau Weinhold dich i zum Beispiel allein gesehen, da sie doch wußte, daß ich zu I Hause binl" Renate hob mit einer verächtlichen Bewegung den i Kopf. „Das ist allerdings ein Beweggrund, der mich leiten I könnte." Sie lachte boshaft auf, sie war empört, daß sie I schon wieder den anderen Menschen ihre freie Selbstcnt- ' schließung opfern sollte. Das hatte sie getan, als sein Herz, ! seine Liebe sie für alles entschädigte. Heute, da sie sich allein I fühlte, übernahm sie jede Verantwortung für ihr Tun f allein. Otto sah sie zum Kampf gerüstet und er rief > Malwes Bild, das lächelnde, friedvolle, zur Hilfe. Er > sagte: „Kind, du kommst mir sonderbar vor. Wußtest du f nicht» daß du auf alles hier Rücksicht zu nehmen hast, wenn ; du meine Frau bist?" „Es fragt sich nur, wie weit das geht. Ich meine, ich I bin nicht unmündig geworden, weil ich dich geheiratet l habe." j „Da irrst du, mein Kind. Ich habe die Macht, dir zu ' verbieten, was mir nicht recht erscheint, nur hoffe ich, daß dieser Fall nicht eintreten wird." „Und wenn er eintreten sollte, Otto, so besitze ich die i Macht, mir nichts verbieten zu lassen, meine Arbeit, die dir ! — ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll — die dir einmal nicht der Mühe wert scheint, angesehen zu werden, > setzt mich in die angenehme Lage." Er fürchtete, zu weit gegangen zu sein. „Deine Arbeit? Du irrst, Kind, wenn du so darüber denkst. Ich schätze sie wohl — an sich, verstehst du? Aber j ich kann es nicht dulden, daß sie dir Erwerb wird. Nein, > meine Kollegen lesen alles, was in den Zeitungen, die i deine Werke drucken, steht; sie sehen nicht mehr in mir, sondern in dir die Erhalterin der Familie, des Hauses. ! Das ist mir unangenehm, besonders, weil ich mich in ab- j hängiger Stellung befinde. Wäre ich ein Mensch in einem freien Berufe oder verdiente ich Unsummen durch meine Arbeit, dann dächte ich möglicherweise anders darüber." Sie schüttelte den Kopf. „Schüttele nicht den Kopf," sagte er heftig, „es ist so > und ich verstehe außerdem nicht, daß dir die häuslichen > Pflichten überhaupt dazu Zeit lassen. Die anderen Damen, die in der Führung ihres Haushaltes ihre Erfahrungen haben, brauchen den lieben, langen Tag dazu, du aber hast immer Zeit, spazieren zu gehen, den Vormittag draußen uni»