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Hohmstem-EmMaler Tagedlall MLn;eiger Nr. 136 Montag, den 15. Juni 1925 Beilage Sächsisches — Penig, 12. Juni. Ein Autounglück trug sich am Dienstag früh an Quodts Ecke in der Leipziger Straße zu. Ein von Chemnitz kommen- dec Autofahrer, dein die Steuerung des Autos zerbrochen war, konnte fein Auto nicht mehr be- ycrrschen und fuhr an den Fußsteig; er überfuhr dabei den Ibjährrgen Kaufmannslehrling Drechs ler. Nach sofortiger ärztlicher Untersuchung wurde der Lehrling nach Hause gebracht. —* Nenwiese, 13. Juni. Die hiesige Freiw. Sani- tetskolonne vom Roten Kreuz hält morgen Sonntag, den 14. d. M., die Prüfung für Kursusteilnehmer bei derlei Geschlechts ab. Gestellt wird vormittags pünkt lich °/.1O Uhr auf dem Feuerwehrplatz. Die Kolonne wird alarmiert. Geplant ist folgendes: Der Stein- druch am Waldgeländc ist ein Großbetrieb. Durch Sprengung und hereinbrechende Steinmasscn wird ein großer Teil der Arbeiter verschüttet. Die Kolonne eilt rasch herbei, um die Bergungsarbeiten vorzunehmen. Hauptverbandsplatz ist im Waldgelände am großen Teich. Freunde und Gönner der Sanitätssache von Nah und Fern sind auch hierdurch herzlich eingeladen. — Mit dem Bau der Kirche hat man hier bereits begonnen, so daß man in allernächster Zeit die Feier der Grundsteinlegung abhalten kann. — Neumark, 11. Juni. Am Mittwoch wurde das 10jähriae Töchterchen der Familie Engelhardt von einem Auto überfahren, wobei das Kind er hebliche Verletzungen davontrug und ins Kranken- süst Zwickau gebracht werden mußte. Bei einem nachmittag durchfahrenden Lastauto versagte un weit vom „Deutschen Hans" auf der steilen Nei- ldenbacher Straße die Bremse. Das Auto ging plötzlich rückwärts, streifte das Wagncrsche Wohn baus stark, riß zwei Fcnsterbleche und das Ab- slußrohr von der Dachrinne ab, durchbrach einen elektrischen Lichtma^, fuhr dann weiter zurück bis au den Schuppen des Joachimschen Wohnhauses, wo es die massive Giebclwaud eindrückte und sichen blieb. — GeringSwalde, 12. Juni In Ausübung seines Beruses wurde hier bei einer Untersuchung Tierarzt Dr Jnbling von einem Hund in die Hand gebissen. Da der Hund wegen Tollwut- vcrdachtes erschossen werden mußte, bat sich der Verletzte znr Schutzimpfungs-Behandlung nach Dresden begeben. — LeiSnig, 11. Juni. Vöm Zuge überfahren ließ sich in der Nähe der Einertbrücke die 28jäh- riae Arbeiterin Str. aus Gorschmitz. Liebeskummer dürste der Grund zn dieser unseligen Tat gewesen sti». — Hoyerswerda, 12. Juni. Ein zerstreuter Motor radler, der von Bautzen kam, machte die Feststellung, daß er unterwegs seine Frau, die er auf dem Sozius sitz mitgenommen hatte, verloren haben mußte. Noch kurz vor Hoyerswerda hatte er sich mit ihr unterhal ten, wobei er sich allerdings schon wnndcrtc, daß er keine Antwort bekommen hatte. Diese rätselhafte Affäre klärte sich bald aus. Unterwegs hatte er eine kleine Panne gehabt. Während er nun sein Motor rad untersuchte, ließ sich seine Frau im Straßengraben nieder. Nachdem nun der Motor wieder lief, setzte ec sich aus die Maschine und suhr davon, ohne auch nur daran zu denken, daß er seine Frau im Straßengraben hatte sitzen lassen. Diese glaubte zuerst, daß cs sich lediglich um eine Probefahrt handele, jedoch ver schwand ihr Mann um die nächste Waldecke und mut terseelenallein sah sie nun glücklich im Walde. Endlich, nachdem sie sich aufgemacht hatte, den Ort zu Fuß zu erreichen, kam im Eiltempo der Vergeßliche angefah ren, um zu seiner Freude feststcllen zu können, daß seine Frau noch wohlbehalten war. — Döbeln, 12. Juni. Die ehemaligen Kriegsgefan genen Mitteldeutschlands veranstalten vom 27. bis 29. Juni in Döbeln eine Wiedersehensscier und rufen alle ehemaligen zur Teilnahme auf. Die Einteilung der Standquartiere nach Gefangenenlagern läßt die Kameraden einander auch wirklich finden. Sonn abend und Sonntag finden grob angelegte festliche Veranstaltungen statt. Der Festbeitrag für Festab zeichen und Festschrift beträgt 2.S0 Mark. Für Quar tier wird gesorgt. Auskünfte und Anmeldungen er ledigt Kamerad A. Naumann, Döbeln, Friedrich straße 14. — Königshain bei Ostritz, 12. Juni. Feuer brach Montag früh gegen 4 Uhr in der mit Stroh gedeckten Scheune des Gutsbesitzers Böhmer aus. Während man dort mit den Löscharbeiten beschäftigt war, ging infolge Funkenslugs das Haus des Fabrikarbeiters Ebermann in Flammen auf. Als man nun die Was serschläuche auf dieses Gebäude gerichtet hatte, fing auch das ältere Wohnhaus des Böhmerschen Gutes zu brennen an, so daß nunmehr 3 Gebäude in Flammen standen. Der Perlentaucher von Ceylon Nach einer Unterbrechung von 19 Jahren ist jetzt die Perlenfischerei im Eolf von Mannar un ter der Leitung des Meeresbiologen der Regie rung von Ceylon wieder ausgenommen worden. Die Perlenbänke von Ceylon sind seit jenen fer nen Tagen berühmt, da der erste König von Cey- son, Vijaya, im 6. Jahrhundert v. Chr. kostbare Perlen seinem Schwiegervater, dem König von Madura, zum Geschenk sandte. Unterbrechungen in der Fischerei sind immer wieder vorgekom men durch das Verschwinden des Laiches und der jungen Austern, die durch widrige Strömungen oder allzu heftige Ausbeutung hervorgerufen wurde. Aber die Art des Pcrlentauchens, wie sie heute geübt ward, hat sich seit den Tagen des Königs Vijaya nicht verändert und bietet noch heute das gleiche malerische Bild, das ein Bericht erstatter der „Times" beschreibt. Das erste, was man an den Bänken entdeckt, ist eine lange Reihe von roten, weihen oder rot- weihen Fahnen, die über den weißen Gewässern des Indischen Ozeans im Morgenwind flattern. Dann erscheinen in Abständen die Schleppschiffe, die die Fischcrflotte mit den altertümlichen Boo ten. den „Dhoneys", nach sich ziehen. Diese Boote sind überfüllt mit den Tauchern und ihren „Mun- ducks", den Männern, die die Taucher an Seilen aus dem Boot hinunterlassen und sie mit den Austern wieder Heraufziehen. Sobald die Boote verankert sind, werfen die Taucher ihre an und für sich schon spärliche Kleidung ab und hängen sie an die Masten, die eine bunte Sammlung von farbigen Stoffen und Turbanen aufweisen. Es gibt Tamil-Taucher von der Südküste Indiens und arabische Taucher vom Persischen Golf. Die Araber sind die besseren Taucher; sie sind ruhi ger, sorgsamer und bleiben länger unter Wasser. Mit einer Stoppuhr wuiHe festgestellt, daß ein guter Taucher zwei Minuten in der Meerestiefe verbleibt; der durchschnittliche Aufenthalt ist jedoch nur zwischen 60 und 70 Sekunden. Der Taucher geht hinunter mit einem steinernen und metallenen Gewicht an einem Fuß, das an einem Tau befestigt ist. Mit einer Hand ergreift er ein anderes Tau, an dem ein netzartiger Sack für die Austern hängt. Ist das Wasser ruhig, so kann man dem Hinabgleiten der hellbraunen Körper bis zum Meeresgründe folgen. Der Taucher schaufelt die Muscheln hastig in den Sack, zieht am Tau und wird vom „Munduck" heraufgeholt. Die arabischen Taucher schießen, das Seil fest in der Hand haltend hinauf, die Tamilen schwimmen bisweilen an die Oberfläche. Die Taucher ar beiten paarweise und die von ihnen gesammel ten Muscheln werden an Deck des Bootes in grö ßere Säcke verpackt. Ein kleines Feuer brennt am Hinterteil der Dhoney, und wenn sie vor Kälte zittern, so wärmen sich die Taucher hier ein paar Minuten, aber nicht lange, denn sie dürfen keine Zeit verlieren. Das Perlentauchen hört um 12 Uhr auf, und dann fährt der „Siegelbeamte" in seiner Barkasse eine Stunde und länger von Boot zu Boot, um die Säcke mit dem Negierungs siegel zu schließen. Darauf versammeln sich die Boot wieder um die Schleppschiffe, die sie nach. Marichukaddi, der „Perlenstadt," zurückziehen. Angesichts des Hafens lösen sich die Boote von den Schleppern, und nun beginnt eine wilde Wettfahrt; alle haben sie ihre braunen und weißen Segel gesetzt und wie merkwürdige Vögel schießen sie nun über das Meer, weil jeder zuerst an Land kommen will, um seine Austern abzu laden. Aus ihren Köpfen tragen die Taucher die Säcke an Land, und nachdem die Austern von Negierungsbeamten gezählt worden sind, erhalten sie ein Drittel als Lohn, und dann beginnt der Markt aus einem großen offenen Platz, Scharen von Händlern warten hier. Tamilen, Singha- lesen, Malaien, Mauren, und unter großem Ge lärm vollzieht sich der Handel. Die Käufer stür zen mit ihrer Beute fort, und an einer anderen Stelle der Küste beginnen sie eine fieberhafte Jagd nach Perlen. In der wie ein Pilz auf geschossenen „Perlenstadt" gibt es eine Reihe von Hütten, in denen die eigentlichen Perlenhändler sitzen, ehrwürdige, langbärtige Indier, zu de nen nun die Austernkäufer die gefundenen Perlen tragen und die sie einer eingehenden Prüfung und Bewertung unterwerfen. Um 9 Uhr findet der Verkauf durch die Regierung statt, und zwar wird in drei Sprachen, in Singhalesisch, Tami lisch und Arabisch, ausgeboten. Da entsteht ein Stimmengewirr wie beim Turmbau zu Babel. Die Austern werden immer in lausend Stück zu sammen verkauft. Man läßt die Muscheln liegen, bis sie in Verwesung übergehen. Der Inhalt wird gesiebt, bis auch nicht die geringste Hoff nung mehr besteht, noch eine kleine Perle zu finden. Dies ist die widrigste Arbeit bei der Perlenfischereei, aber sie belohnt sich häusig, denn aus der verwesten Masse wird noch manche schöne Perle gewonnen. Kirchliche Nachrichten St. Christophori-Parochie Hobenstein-Er. Gctaust: Frieda Ursula, T. de« Gcschästs- iuhrers Johannes Karl Richard Reichel. Gisela, T. des Postinspektors Albert Erich Lange. Beerdigt: Anna Marie vcrw. Richter geb. Otto, des Maschinisten Christian Friedrich Richter Witwe, 63 I. 6 M. 11 T. Mittwoch Jungwauenvereiu Vortrag: „Die erste Verfolgung der Christen unter Nero". Donnerstag Studienkreis im Jungmänner verein: „Weltanschauungen im Wanoel der Zeit". St. Trimratts-P-ronnr Getauft: Wolfgang, S. des Reisenden Paul LouiS Pfefferkorn. Gerhard Albin Karl, S. de« Buchdruckers Albin Pilz. Joachim Willy, S. des Geschäftsreisenden Kurt Willy Mothrr. Begraben: Nadelmachec Hermann Richard Frenzel, Ehemann, 57 I. Klara Martha Wag- ncr, L. des Webers Emil Richard Wagner, 24 I. Max Heinz, S. des Schlossers Max Richard Nau mann, 3 M. Oberlungwitz Getauft: Chr sta Paula, T. des HandlnngS- gchilien Kurt Ewald Meyer. Johannes Fritz Rodert, S. des Kammanns Karl Fritz Gcyler Begraben: Joses Zeug, Jnvalo, 47 I. 4 M. 24 T. Mittwoch abends 8 Ubr Jünglingsverein ält. Abteilung, halb 9 Uhr Missionsstunde in der Gemcindediakonie. Donnerstag abends 8 Uhr Jungsrauenverein ält. Abt., halb 9 Uhr landeskirchliche Gemein- schast. BernSdorf Mittwoch, den 17. Juni, abends 8 Uhr Bibel- kreis im Piarrmal über 1. Kor. 1. 26sf. Freitag, den 19. Juni, abends 8', Uhr lan- deskirchliche Gemeinschalt in Hermsdorf. Sonnabend, den 20. Juni, nachmittags 2 Uhr Choralsingstunde im Pfarrsaal. »vufteuvranv Dienstag, den 16. Juni, abends halb 8 Uhr Versammlung des Jungsrauenvereins im Pfarr- haule. Donnerstag, den 18. Juni, abends '/,S Uhr Bibelstunde «m Psarrhause. Freitag, den 19. Juni, nachmittags halb 6 Uhr Jungschar im Psarrhause. EuUeudrr, »it Steicheudach Dienstag, den 16. Juni, abends 8 Uhr Jung- mädchenoerein im Konstrmantenlaal. ^vl.ck-conpä6Mk: z.6.okkLv^ Mausi Roman von Anny v. Panhuys Lopyrigth 1924 by Karl Köhler u. Co., Berlin W 15 10s (Nachdruck verboten.) Mausi richtete sich ein wenig im Bett auf. „Mutter, ich wurde vorhin ohnmächtig, sage, ist die Frau Justizrat da gleich mit Klara fortge gangen oder haben sie dir beigestanden, mir zu helfen? Es ärgert mich fast, daß ich vor den bei den schwach wurde." Frau Reinhards Züge sahen plötzlich hart aus. „Den zwei liebenswürdigen Mitschwestern habe ich unverhüllt und deutlich die Tür gewiesen, du dürstest kaum in die Gefahr kommen, ihnen oft zu begegnen." „Das — tatest — du, Mutter?" Fassungslos sah Maria Reinhard die Mutter au. Das halte die Mutter getan, die beiden, die sie gekränkt hatten, hinausgeworfen? Die Justiz- rätin Rohmer und Klara, die beide bisher für sie das Sinnbild höchster Vollendung aller Frauentugenden gewesen! Das erschütterte sie mehr, als alle sanften Worte der Mutter. „Ja, Kind, das tat ich, ich machte gründlich reinen Tisch." Mausi streckte den einen Arm aus, holte damit den Kopf der Mutter dicht zu sich heran. „Mutti, bitte sage mir, was ist mir dir, daß du mit einem Mal so ganz anders zu mir bist?" flüsterte sie. „Mir ist, als könnte ich dir jetzt alles sagen, und vor dem heutigen Tage brachte ich es doch nicht fertig. Bei Vater dagegen glitt nur alles leicht von den Lippen —. Sage, war um warst du nicht immer so?" Mausi erschrak. Das Letzte, das Hütte sie nicht aussprechen dürfen, das klang doch gar so vor wurfsvoll. Sie stotterte: „Ich mein«, Mutier —" „Laß Mausi, versuche das gesprochene nicht abzuändern und zu mildern, denn du hast recht." Die Frau machte sich aus dem Arm, der ihren Kopf festhielt, frei, und ein seltsamer Blick traf die Tochter. „Nein, nichts abünd:rn und mil dern." Sie strich über ihr schwarzes Kleid. „Ich weiß nicht, Mausi, ob du mich völlig ver stehen kannst. Ich glaube es kaum, ich glaube, das können nur verheiratete Frauen, die ihren Mann unsagbar lieb haben." Die Tochter neigte sich vor. Hatte denn die Mutter den Vater überhaupt besonders geliebt? Den Eindruck hatte sie doch niemals gehabt. Hatte sie doch den Vater oft mit ihrem robusten Wesen gequält und mit ihrem ewigen Hausfrauensorgen und nichtigen Wichtigkeiten nervös gemacht und verärgert. Mausi war zu mute, wie einen: Menschen, der an der Schwelle zu einem Geheimnis steht, der etwas erfahren soll, was er nie für möglich gehalten hatte. Frau Reinhard sah vor sich nieder. „Ich habe deinen Vater sehr, habe ihn über alles in der Welt geliebt Aber meine derbere praktischere Natur stand der seinen, die fantasie voll und poetisch veranlagt war, von Anfang an förmlich feindlich gegenüber und versuchte in ihm zu ersticken und zu töten, was mir kindisch schien, weil mir jegliches Verständnis für die Tiefe von Vaters Künstlergemüt fehlte. Weil ich nicht be griff, weshalb seine Sehnsucht in die Weite schweifte, dieweil wir es doch so hübsch und ge mütlich in unserer Ehe hatten, und er soviel ver diente, daß wir von Nahrungssorgen verschont blieben. Ich meinte, es sei genug, wenn er sich Herr Baumeister nennen durfte und man mir Komplimente machte, wie praktisch mein Mann die Schule in irgend einem Nest der Bergstraße ausgerichtet habe, oder wenn er bei irgend einem Wettbewerb für moderne Wohnhäuser den ersten Preis erlangte," St« nickte vor sich hin. „Mit meiner Verständnislosigkeit habe ich dann auch alles Stürmen und Drängen seiner jungen Jahre und allen Ehrgeiz und alle Sehnsucht zunichte gemacht, bis er scheinbar so wurde, wie ich ihn wollte." Eie sprach jetzt lauter. „Ob die Sehn sucht in ihm je ganz stille geworden, das weiß ich nicht, glaube es auch nicht, — aber er fügte sich doch äußerlich und ich war zufrieden. War zufrieden bis —" Sie schrie leise auf. „Ach Kind, was weiß man denn von sich selbst. Nichts, garnichts — bis irgend eine starke, gewaltige Macht einem klar macht, daß man auch ganz anders hätte sein kön nen, daß man nicht ein langes Menschenleben fal- ichen Göttern hätte opfern brauchen." Mausi blickte unentwegt die Mutter an. Solche Worte hatte sie nie aus deren Mund gehört, nie geglaubt, daß dieser Mund so zu sprechen ver mochte. Sie wagte keine Silbe einzuwerfen. Aber näher, immer näher kam ihr die Mutter durch das, was wie eine Art Geständnis war. Frau Reinhards Augen glänzten verdächtig, Tränen schienen darauf zu warten, sich loslösen zu dürfen. „Ja, alle die Jahre meiner Ehe opferte ich falschen ttern. Ich war schön, dein Vater liebte weiche Kleider an mir, ich fand derbe gediegene Stoffe praktischer, er wollte mit mir reisen, mir südliche Länder zeigen, ich schalt, das wäre hin- ausgeworfenes Geld, und erklärte ihm wichtig, daß man als Gatte und Vater die Pflicht hätte, zu sparen —". Sie seufzte. „Er ist mürbe gewor den und als er dann im Sarge lag, begriff ich plötzlich, wie falsch, wie grundfalsch alles gewesen, was mir recht geschienen. Aber nun war es zu spät und immer und ewig werde ich mich sehnen nach den verlorenen Jahren, die anders Hütten sein können, reicher, schöner — und um die ich dei nen Vater und mich betrogen habe." Mausi war erschüttert. Die Mutter tat ihr leid, ach so bitter leid. Sie wollte etwas Liebes zu ihr sagen, ade: es blieb bei ein paar Lauten, denn die am Bett Sitzende machte eine Bewegung, die um Schwei gen bat. „Dein Vater ist tot, Mausi," sagte sie leise, „und was ich auch tue, ich kann ihn nicht wieder ins Leben zurückrufen, das machte mich hart nach außen. Meine Sehnsucht nach ihm, meine Neue versteinerten mich förmlich nach außen hin bis " ein paar Tränen rollten langsam über das blasse Gesicht, — „bis heute, bis ich durch dos, was dir geschah, mit einem Male begriff daß ich nur gut machen konnte an dem Toten, wenn ich seinem Kind Verstehen gab. Die bei den abscheulichen Weiber haben mir, ohne es zu beabsichtigen, einen Dienst erwiesen. Ich wußte nun, daß ich kein Recht hatte, mich vor Gram zu verhärten, sondern daß ich zu dir stehen mußte, dir Liebe zu geben." Sie riß die zarte Tochter fast ungestüm an sich. „Du bist sein Kind, Blut von seinem Blut und Geist von seinem Geist. " Mausi konnte nichts anders. Sie schluchzte laut auf und nun einten sich die Tränen der bei den und flossen als Tau der Liebe auf das Grab Erwin Reinhards, dessen Sehnsucht jetzt für immer still geworden. Ein seltsamer Zufall fügte es, daß der Vater von Franz-Ferdinand kurz nach dem Vater Maria Reinhards erkrankte und ihn eine Depesche so fort heimrief. Er dachte an Mausi und wie sie ihn erwarten würde, wenn er nicht zu dem romantische» Stelldichein in dem abgelegenen Schloßwinkel erschien. Er packte sofort seinen Handkoffer mit dem Nötigsten und bat Len Vet ter telephonisch, ihn aufzusuchen. Ulrich Lettnitz folgte dem Rufe sofort. Franz-Ferdinand reichte ihm die Drahtnach richt und er las. „Wann reist du, Franz-Ferdinand?" fragt- Ulrich Lettnitz. (Fortsetzung folgt.)