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„Das wäre ein gut angelegtes Kapital, dritter ein, „aber wie?" Und mit ehrerbietigem Gruß verabschiedete er sich von warf ein den Damen, die weitergingen, während er wie rraum- verloren stehenblieb. „Ein herrliches Weib!« flüsterte Breitfeld begeistert. Im selben Tone fügte Schindler hinzu: „Tausend Taler für einen Kuß von ihr!' Oer Kuß vor -er Liebe. Humoreske von Adolf Thiele. (Nachdruck verboten.) „Na, Kinder, wo gehen wir nun hin?" rief der Studiosus Breitfeld, als er mit einigen Kommilitonen aus dem CafS trat; „ich hätte Lust, jetzt einen -Propfen springen zu sehen. Henckel trocken, was?« „Können wir machen!« entgegnete der Studiosus Schindel. „Du gehst doch mit, Freiberg?« Mit diesen Worten wandte er sich an einen hübschen jungen Studenten, der im Gegensatz zu den seingekleideten Kommilitonen sehr schlicht einherging. „Es tut mir sehr leid," e^egnete dieser mit gewinn nendem Lächeln, „aber die Pflicht ruft, das Examen wartet nicht!" „Ach, du Bücherhocker!" rief Breitfeld. „Komm doch mit!" „Ich muß wirklich bedauern," äußerle Freiberg, „aber laßt euch nicht stören!" „Laß ihm seinen Willen, Breitfeld," sagte nun Schindler. „Du weißt, der Freiberg ist der beste Kerl unter der Sonne, aber einen großen Fehler hat er, das Büffeln!" „Studenten gibt's ja hier genug," warf Freiberg ein, „warum sollte nicht auch einmal ein Studierender dabei sein?« Die Freunde lachten. „Du bist unverbesserlich!« rief Breitfeld. „Pst! Auf gepaßt!" Die Studenten blickten möglichst unauffällig, aber ge spannt ein schönes junges Mädchen an, das soeben in Be gleitung einer älteren Dame vorüberging. Die Freunde hatten den Vorgang mit Staunen von weitem beobachtet. „Wahrhaftig, er küßt sie!" flüsterte Breitfeld. „Ein großartiger Kerl! Wo er nur die Courage bcr- bekommen hat, dieser solide Freiberg!« sagte Scdindler mit Bewunderung. „Wir hatten schon längst die Pflicht," sagte nun Breit feld, „für unseren Landsmann und Freund etwas zu tun. Er hat sich mühsam genug durchgeschlagen; nun kann er sein Studium durchführen.« „Ich sagte es ja gleich, eine gute Kapitalsanlage!" Die Freunde umringten und beglückwünschten nun Frei berg, der noch immer wie gebannt den Damen nachsah. „Eine unverzeihliche Keckheit," sagte er sehr ernst, „an dieses Mädchen eine solche Bitte zu richten! Ein zweites Mal würde ich es nicht tun!" In sich gekehrt ging er nach Hause, und die Freunde ließen ibn gewähren. Am nächsten Tage erhielt Freiberg vom Vater der jungen Dame die Aufforderung, ihn zu besuchen. Die Unterredung nahm einen nnerwartcten Verlauf. Der energische Geschäftsmann empfing den Studierenden mit Vorwürfen über seine Kühnheit, dann aber lenkte er das Gespräch auf seine Studien und plötzlich waren beide in ein Gespräch über Farbenmischungen verwickelt, mit denen der Fabrikant Versuche angestellt hatte. Vorbach er kannte bald, daß er hier einer gewaltigen Arbeitskraft, einem festen Willen und einer Fülle von neuen Ideen gegenüberstand. Beide Männer blieben in dauernder Verbindung, und als Freiberg sein Examen glänzend bestanden hatte, wurde er auch in Vorbachs Familie eingeführt. Als er sich dem Mädchen, das huldvoll sein Geschick bestimmt hatte, Lurch einen Kuß im stillen für immer ver lobt hatte, sagte er scherzend: „Es ist der erste!" „Der zweite!« entgegnete sie. „Jener gilt nicht, er kam vor der Liebe — aber," fügte er hinzu, „sie kam gleich nach ihm!« „Mit ihm!" flüsterte das junge Mädchen errötend. >md die eigenen Worte, die ich mir zu wiederholen erlaube und für die ich nochmals um Entschuldigung bitte!« „Aber ich verstehe nicht, mein Herr,« sagte nun die Mutter, „was wir mit dieser allerdings recht sonderbareu Äußerung zu tun haben sollten?" „Gnädige Frau," fuhr Freiberg mit liebenswürdigem Lächeln fort, das seine schönen Züge noch gewinnender machte, „im Augenblick, als ich dies hörte, gab mir, wie ich glaube, ein guter Engel ein kühnes Wort ein: ich sagte: „Ich glaube, ich könnte einen von ihr bekommen!" Mein Schicksal ruht nun in Ihrer Hand, gnädiges-Fräulein! Die Mittel, mit denen ich meine SttlDien fortsetzte, sind er schöpft, und zwei meiner Freunde, reiche junge Männer, boten mir für den Fall, daß ich dies kühne Wagnis durch führe, eine Summe an, die mir die Vollendung meines so sehr geliebtenStudiums ermöglichen würde. NichtenSie nun selbst, meine Damen, läßt meine Verwegenheit nicht Ver zeihung zu, wollen Sie nicht Milde walten lassen?" Das junge Mädchen errötete. Flüsternd wandte sie sich zu ihrer Mutter, und Liese versuchte vergebens, ihr freundliches Antlitz in strenge Falten zu legen. Beide schienen zu fühlen, daß es das ehrliche Gesicht des jungen Mannes und Ler Ton seiner Rede keinen Zweifel an seiner Ehrenhaftigkeit zuließen. Das junge Mädchen sagte dann nach einigem Be sinnen: „Wenn ich so viel Gutes stiften kann, dann wäre es unrecht, es zu unterlassen." Sie trat auf den schönen Mann zu und dieser gab ihr einen zarten Kuß auf die blühenden Lippen. Eine jähe Nöte bedeckte das Antlitz des jungen Mädchens und sie machte eine unwillkürliche Bewegung nach ihrem Herzen. Auch Freiberg errötete tief und mit einer tiefen Ver neigung sagte er: „Gnädiges Fräulein, empfangen Sie meinen innigen Tank für Ihren Edelmut! Zeitlebens werde ich Ihrer gedenken." „Ich glaube," sagte da plötzlich Freiberg mit vollem Ernst, „ich glaube, ich könnte einen von ihr bekommen!" „Bist du wahnsinnig," tönte es jetzt von allen Seiten, „deinen Puls, Freiberg. Woher kennst du sie denn?" „Nein, ich kenne sie nicht." „Nun, um so wahnsinniger! Wenn du das fertig- kriegst, gebe ich dir tausend Mark!" ries Breitfeld. „Und ich gebe dir dasselbe!" rief Schindler. „Nun gut," sagte Freiberg, „wenn ihr euer Geld los sein wollt! Ihr habt's ja, ihr könnt's ja machen!" Daran war nun kein Zweifel, die beiden jungen Männer, der eine der Sohn eines reichen Grundbesitzers,. der andere bereits im Besitze eines großen Vermögens, konnten diese Summe leicht entbehren. „Abgemacht!« rief Freiberg entschlossen. „Wer schlügt Lurch?" Zuerst gab ihm Breitfeld, dann Schindler die Hand, und beidemal schlug ein dritter durch — das Versprechen war bindend geworden. Freiberg rief nun „es muß ge wagt werden!" und schritt eilig den beiden Damen nach, die in den Promenadenweg eingebogen waren; seine Freunde folgten ihm in einiger Entfernung, «sehr gespannt auf den Ausgang des Abenteuers. Freiberg holte die Damen auf einem weniger belebten Promenadenweg ein, trat von der Seite aus sie zu und zog den Hur. „Verzeihen Sie, meine Damen, wenn ich Sie belästige!" sagte er ehrer- bietig. „Gnädiges Fräulein, mein Schicksal» meine ganze Zukunft liegt in Ihrer Hand!" „Wieso, mein Herr? Ich versiehe Ste nicht!" fragte das junge Mädchen, die Tochter des Fabrikbesitzers ! Vorbach. ! „Wenn Sie," begann rn» Freiberg, „geneigt sein I sollten, ein wohltätiges Werk zu tun, so hören Sie mich I an, wenn ich bitten darf!« „Bitte!« sagte jetzt die Mutter. ! „Mein Name ist Konrad Freiberg, ich studiere Natur- i Wissenschaft. Einige meiner Freunde sahen Sie soeben j vorübergehen und — verzeihen Sie, meine Damen, wenn ich Lie ungezogenen Worte wiederhole — einer sagte: ausend Taler für einen Kuß von ihr!« und der andere hinzu: „Das wäre ein gutangelegtes Kapital!" Es Entwick Frieden worden«