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Unterhaltungs-Beilage zum MM-WMl MW M NM Druck und Verlag von I. Nuhr Nachf. Dr. Alban Frisch, Hohenstein-Ernstthal. Dre Ehe der Renate Heinsius Roman von Ruth Goetz. ; (3. Fortsetzung.) Lukas aber ließ die Hand auf die Tischplatte fallen, I wie er es von seiner Mutter oft gesehen. Sein Gesicht trug ! einen ausgesprochen unzufriedenen Zug; er gab sich keine ' Mühe, feine Stimmung zu verbergen. Er hatte die Absicht I gehabt, sich bald nach Lisch mit Renate in Verbindung zu i setzen, wollte sie den ganzen Abend über nicht wieder von ! seiner Seite lassen. Aber schon mehrere Male hatte er ver- ' geblich den Saal durchstreift, in der Hoffnung, sie zu fin- ! den. Hier von dem erhöhten Sitze aus, von der Balu- i strade, die rings um den Saal lief, hoffte er eher, sie er- I spähen zu können. „Ich habe Appetit auf Sekt, Mutter, und finde es ! lächerlich, daß du wieder um diesen Pfennig bangst, den » der Tropfen mehr kostet. Wir können uns ja nächstens « irgendwo vergraben, da behalten wir unser Geld und ! haben unsere Freude daran." Er lachte rauh auf. „übri- I gens finde ich, daß man nötig hat, sich die Laune etwas ! aufzufrischen." - . ,. . Lukas schaute wieder angestrengt in den Saal hlnem. „Unermüdlich hopsen die da herum," sagte er zwischen i den Zähnen. Lachen und Musik, junge Gesichter glühten in der Lust ; des Tanzes. Zuweilen fiel Ihm ein Paar auf, das mitgro- > ßer Eleganz seine Schritte nahm. Er dachte dann immer ! an Renates schlanke Gestatt, die sich so graziös bewegte, i Die Mutter sah, wie seine Augen wanderten. ; „Du tanzest nicht?" fragte sie. „Ich habe keine Lust." „Aber du bist nicht hierhergekommen, um den ganzen ! Abend durch den Saal zu spazieren und an den Wänden I herumzustehen. Fühlst du dich denn gar nicht mehr jung? I Sieh, wieviel schöne Mädchen hier sind. Alle schauen dich f an, du aber gehst verdrossen umher. Laß uns gehen, wenn . du dich nicht unterhältst." ! „Wir wollen nur austriuken," gab der Sohn gelassen > zurück. Frau Halmer beugte sich vor und blickte in den Saal. „Hast du gesehen, wie Renate Heinsius mit dem jun- ! gen Storm kokettierte?" fragte sie lauernd. „Es war wirk- I lich nicht mehr schön. Sie warf ihm Augen zu, ja, das vcr- l steht sie, ihre Augen sprechen zu lassen. Mir gefällt das ; nicht." „Das ist auch nicht nötig, Mama. Außerdem habe ich I näher gesessen und nur eine durchschnittliche Tischunterhal- I tung bemerkt." ; „So geh und Hols sie," rief Frau Halmer bitter. „Die » gesellschaftlichen Formen, die deine Freundin so gut be° I herrscht, verbieten es, einem Tänzer einen Korb zu geben. I Selbst wenn man sich glühend vor Haß und gekränktem i Stolz von ihm abwendcn möchte. Du hast Chancen," fügte l sie auflachend hinzu. Aber sie wollte ihren Augen nicht I trauen, als Lukas mit einer entschlossenen Bewegung jetzt I wirklich aufstand. ! „Hier sehe ich Gerta Heinsius, vielleicht kann sie mir ' sagen, wo ihre Schwester ist. Verzeih' einen Augenblick, i Mama." (Nachdruck verboten.) „Lukas, du bleibst!" Frau Halmer hatte in dieser Mi nute vergessen, daß ihr Sohn ein Erwachsener war, wie ein Kind wollte sie ihm befehlen. Er aber schien ihre Worte nicht mehr vernommen zu haben, mit einer raschen Bewe gung strebte er fort, stand vor Gerta, die an Reintals Arm vorüberging, und machte ihr eine Verbeugung. Reintal sah sich fragend um. Er wußte nicht, was er in diesem Augenblick tun sollte, denn Gerta warf den Kopf zurück, hob sogar die Schultern, um ihre Unnahbarkeit auszu- drücken, und sah über Lukas fort,' als hätte sie ihn nie ge kannt. Nun, da sie ihr Ziel erreicht, brauchte sie nach keinem Menschen mehr zu fragen, und sie tat, als suche sie in ihrer Erinnerung. Er aber hätte ihr in dieser Minute keinen größeren Triumph bereiten können, als sich bittend zu nähern, als Gnade zu erflehen von ihr. „Verzeih, Reintal," sagte Lukas ein wenig verlegen. „Ich möchte mir nur die ergebene Frage nach Ihrem Befinden gestatten, gnädiges Fräulein. Den ganzen Abend habe ich Sie gesucht, wollte ein wenig mit Ihnen plaudern, aber vergebens." Gerta legte für eine Minute ihre Fingerspitzen in seine Hand. „Wie es mir geht? Ausgezeichnet. Oder meinen Sie, daß man unglücklich sein kann, wenn man seit einer Stunde Braut ist?" Ihre Stimme jubelte, und als er sie verstört anblickte, schossen ihre Augen Flammen. Die schienen zu sagen: „Siehst du, der hat mehr Mut und Festigkeit, als du. Der hat mich erwählt, ohne nach äußeren Gütern zu fragen." Halmer verstand die stumme Sprache, er senkte den Kopf. „Meine Glückwünsche." Lukas gab seiner Stimme einen herzlichen Ton, hastend und sich überstürzend fügte er hinzu: „Dann darf ich Ihren Angehörigen wohl auch meine Gratulation aussprechen." Lockende Bilder erfüllten in raschem Wechsel sein Hirn. Jetzt war alles gut, Gerta versorgt. Nun mußte seine Mutter die Zustimmung zu seiner Wahl geben. Und er konnte Renate, wenn er mit ihr verheiratet war, zur völligen Entwicklung bringen. Die ganze Welt würde seine Frau kennen und ihn «beneiden. Auch flossen ihre Ein nahmen dann in seine Tasche. Er würde sich selbst dann nicht einmal etwas zu versagen brauchen, wenn seine Mutter sich ablehnend und feindlich verhalten würde. Lukas, der durch andere Menschen von Reintal und seiner Braut getrennt worden, gesellte sich rasch wieder zu ihnen. „Ich habe meine Augen überall umhergeschickt," sagte er zu Gerta, „ich kann Ihre Schwester nirgends entdecken. Ihre Frau Mutter sitzt dort mit Frau Bothe und einigen anderen Damen und unterhält sich scheinbar großartig. Wo aber ist Renate?" Gerta haßte die vertrauliche Anrede, die er bei jeder Gelegenheit noch immer gebrauchte. „Fräulein Renate ist nach Hanse gegangen." Sie betonte das „Fräulein" sehr