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an den Harem, dreie seit mehr al« einem durch den Islam geheiligte Einrichtung, in absehbarer Zeit nur noch die nüchterne weirherzige Vorschrift «bei die Zulässigkeit einer zweiten Ehe erinnern, und rvre- Tages wird auch diese letzte Säule seiner Ruinen um stürzen. Dann wird es auch endgttlttg ans sein mit der wundervollen, oft phantastisch und poetisch gestalteten Romantik des Harems. Das silberne HaMraskück. D e r K o m p o n i st d « r „B o h L » r" al» B r h e w. i c n. Seit den Tage», da sie tu Mailand zusawwev HchtUer des Konservatoriums waren, sind «Viacom- Pmcini und Pietro Mascagni bis zu Puccinis Tode in inniger Freund schaft verbunden gewesen. Gemeinsam haben sie alle Not geteilt und Zukunftspläne geschmiedet, die für beide unge ahnte Erfüllung sanden. Als sie einmal als Mitglieder des Prüfungsausschusses für einen von der Regierung aus geschriebenen Wettbewerb an einer Sitzung teilnahmen, frischte Mascagni die Erinnerung an ein drolliges Er lebnis aus der Jugendzeit auf, da den Leiden Konservato risten der Anblick einer 10-Lire-Note das Blut in die Wangen steigen lieb und der Besitz einer 100-Lire-Note vollends ihnen als der Gipfel menschlicher Glückseligkeit erschien. „Denkst du noch an jenen Winterabend, Giacomos begann Mascagni, ,als wir verzweifelt in der Ealleria Vittore Emmanuele herumirrten, in der Hoffnung, einen Freund zu finden, der uns Lie paar Cenresimi lechen könnte, die dazu gehörten, unsere steifen Glieder durch eine Tasse Kaffee zu beleben? Da wir den gesuchten Wohltäter nicht fanden, beschlossen wir endlich, verwegen, wie es nur Lie Jugend ist, ohne Geld in das Cafe Cova zu gehen, und be stellten unbesorgt zwei Tassen des köstlichen Getränks. Du warst auch damals schon der unverbesserliche Optimist und bewiesest das durch die Erklärung, es sei ganz aus geschlossen, daß wir hier nicht schließlich einen Bekannten treffen würden, Ler uns aus der Verlegenheit hülfe. Aber Vie Tücke des Schicksals fügte es, daß gerade an jenem Abend das Lokal ausschließlich von Leuten besucht war, die wir nicht kannten. Stunde auf Stunde verrann, und die Situation wurde immer ungemütlicher. Plötzlich packtest du meinen Arm und flüstertest mir erregt zu: „Sieh mal, Pietro, unter dem Tisch dort liegt ein silbernes Halblira- stück." Ich sah es wohl, vermochte aber noch immer nicht an das Glück zu glauben, und warnte mit gedämpfter Stimme: „Es ist sicher eine optische Täuschung: es wird wohl ein Stück Stanniol sein." — „Nein, nein, ich täusche mich nicht," behauptetest du, „es ist eine Geldmünze, wir sind gerettet!" Mit klopfendem Herzen warteten wir dar auf, daß die an dem betreffenden Tisch sitzenden Gäste das Lokal verließen. Uns ängstigte nur Ler Gedanke, daß Ler Kellner beim Abräumen Les Tisches den Schatz entdecken und an sich nehmen würde. Als auch diese Gefahr glücklich vorüber war, schlichst du dich wie ein Indianer auf dem Kriegspfad an den Tisch heran und packtest mit raschem Griff die Münze. Ich zweifelte noch immer und dachte, Laß es am Ende falsches Geld wäre. Aber Ler Augen- i schein belehrte uns, daß wir es wirklich und wahrhaftig l mit einer richtigen halben Lira zu tun hatten. Wir be- ! zahlten stolz unseren Kaffee und waren noch in der glück- ; lichcn Lage, dem Kellner das königliche Trinkgeld von l 10 Centesimi zu überreichen. Beim Hinausgeben sagte ich I dir: „Diesmal ist es noch gut gegangen, weil Lie Dor- ! sehung mit zwei armen Studenten Mitleid gehabt hat, aber es scheint nicht geraten, das Experiment zu wieder- holen. Ich schwöre, daß ich nie mehr Las Cafe betreten werde, wenn ich nicht wenigstens 20 Centesimi in der Tasche habe. Ich habe heute abend zu große Angst ausgestanden." „Lieber Mascagni, ich erinnere mich noch sehr gut I dieses Abends in seinen Einzelheiten," sagte Puccini mit j schmerzlichem Lächeln; „kämen doch diese Bohemetage noch « einmal wieder! Sie waren so schön, und die Armut ist ! uns damals kaum so recht zum Bewußtsein gekommen, da I uns der Himmel ja voller Geigen hing. Wenn man noch einmal jung sein könnte!" Und Puccini erhob sich rasch, » um vor dem Freunde seine jäh aufsteigende Rührung zu ! verbergen. Oer sterbende Harem. Von H. Steffenhagen- Berlin. Für Romantiker, die das Wunderbare, Abenteuerliche, Phantastische, Ahnungsvolle, Geheimnisvolle, Märchen hafte lieben, sind in unserem realistischen Zeitalter schlechte Zeiten. Ihre Aufmerksamkeit wandle sich nicht selten mit Vorliebe Lem türkischen Frauenleben zu, wie es in „Tau sendundeiner Nacht" so ost märchenhaft geschildert ist. Als ! ein in hundert mystische Schleier und übertriebene Legen- ! den eingehülltes Wesen gab die türkische Frau stets Anlaß I zu neuen Fragen, neuen Deutungen und Beurteilungen. » Den Inbegriff der Neugier der nüchternen erfindungs- . reichen Abendländer und zahlreicher erfindungsreicher ! Poeten bildete in dieser Hinsicht das Wort „Harem". Nun- I mehr werden diese Romantiker auch dieses ihr uraltes I Heiligtum aufgeben müssen. Durch ein Gesetz der Nationalversammlung von An- ! gora wird nämlich die wenig zeitgemäße Vielweiberei ab- l geschafft und damit auch der geheimnisvolle, Märchen- und < sagenumwobene Harem verschwinden. Schon seit Jahrzehnten tickte der Holzwurm in dem > morschen Gebälk des Harems. Wirtschaftliche Gründe be- > schränkten die Vielweiberei schon seit langem auf enge ; Kreise, und mit der starken Verarmung des Landes sinkt ; die Zahl der Vielehen von Tag zu Tag, so daß sie nach i Schätzungen zum Beispiel in Konstantinopel nicht mehr i tausend erreicht. In den neuen Häusern, ost nüchternen ; Mietskasernen, fehlt es an allen Vorbedingungen für die ; kostspielige Absperrung von Männer- und Frauenge. « mächern mit vergitterten Fenstern. Ferner hat Lie jung- I türkische Bewegung schon lange an die Türen des Harems ! von außen gedrückt. Schon im Jahre 1903 durften es I unter ihrem Schutz einige hundert Türkinnen wagen, in i einer öffentlichen Frauenversammlung in Saloniki einem i jungtürkischen Redner Beifall zu klatschen, als er Punkt > für Punkt die Forderungen Ler Frauen nach Emanzipation ! vom Harem vortrug. Ferner hat Lie immer mehr zu- f nehmende Berührung der türkischen Männer mit abend- ! ländischen Sitten und Gebräuchen dazu geführt, ihren . Haremsfrauen auch die Segnungen des Abendlandes zu ! eröffnen. Wissenschaft und Künste fanden Eingang, wenig- > jtens im höheren Harem, und übten ihren befreienden Ein- j fluß aus, wenn auch vielleicht niemals in dem Maße, wie > es die romantische Haremsliteratur behaupten will. Der nicht wohlhabende Mann in der Türkei, der ohne- > hin den Harem nur Lem Namen nach besitzt, hat sich schon l längst mit Ler Befreiung der Frau abgefunden, und Las « arbeitenve Weib wird es nach Überwindung einiger reli- i qiöser Bedenken bald ebenso tun. Schon seit Jahren war I es Brauch, daß Las durch schwere Tagesarbeit abgerackerte > Haremswcib nach Sonnenuntergang in oder außer dem ; Hause mit der Nachbarin plauschte und sich dem männlichen » Mitarbeiter, der tagelang in der Einsamkeit Les Feldes i ohne Bedenken mit ihm schaffte, verschleiert oder unver- I schleiert zeigte. ; Gitter und Schleier werden fallen. Der Widerstand » der Männer gegen die Erschließung des Harems ist im I Grunde genommen bereits seit langem erstorben; denn der I heutige Türke ist ausgesprochen duldsam und ritterlich ; gegen Frauen. Bei vielen orientalischen Völkern, selbst niederen I Volksschichten, hat das Weib die gleiche untergeordnete I Stellung, die gleiche Unbildung wie in der Türkei. Ihnen ; gegenüber war die Türkin aus gleichem Stande sogar noch > im Vorteil, da sie einer milderen und gütigeren Behand- i lung von feiten ihres Mannes sicher ist. Auch sonst waren l diese Frauen und ihre Kinder bisher durchaus nicht so ; rechtlos, wie es romantische Phantasie oft schildert. Im » Gegenteil, das bisher geltende moslemitische Eherecht ent- I hält genaue und scharfe Bestimmungen zu ihrem Schutz. Da eine ernste Bewegung nicht nur niederzureißen, » sondern auch auszubauen hat, wird die türkische ^Gesetz- » gebung nunmehr auch eine Reihe von Bestimmungen in I der Frauenfrage treffen müssen, welche die Stellung der I islamitischen Frau für die Zukunft neu regeln, damit nicht » durch diesen überaus tiefen Eingriff in das Denken und . Leben des Volkes das soziale Gleichgewicht allzusehr ver- wird. Letzten Endes wird aber