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Unlerhaltungs-Beilage zum MM-EMM MW V MM Druck und Verlag von I. Nuhr Nachf. Dr. Alban Irisch. Hohenstein-Ernstthal. Schiffbruch im Hafen > llS. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) ; „Und doch wärst du diesmal paff, wenn ich dir's I sagte." ' ; „Nun?" „Die interessante Baronin vom Eibsee!" „Nicht möglich!" „Doch: wir trafen uns gestern zufällig. Du siehst also: I Bestimmung!" „Hans, ich bitte dich!" Hans stürmte hinaus, ehe Max Zeit fand, ein Wort zu i erwidern. ü Zum Glück war's nicht weit nach der Brienner Straße. ! Es schlug eben vier Uhr, als Hans vor dem Palais des I Grafen Schack anlangte. Wenige Minuten später sah er Annette näherkommen. Er ging ihr entgegen. Wie elegant sie aussah! Und ! wie ihre Augen aufleuchteten, als sie seiner ansichtig wurde. „Wie hübsch, daß Sie pünktlich sind!" Sie reichte ihm ! herzlich die Rechte. ; „Zweifelten Sie daran, gnädige Frau?" „Na, ich hielt es nicht für ausgeschlossen, anstatt Ihrer j einen Dienstmann anzutrefsen, Ler mir mitteilte, daß Sie , dringens abreisen mußten." ! „So eine Dummheit begeht man nur einmal, gnädigste I Frau!" Annette lachte, dann fragte sie: „Was haben Sie » gestern noch getrieben?" „Ach, fragen Sie lieber nicht, ich spreche nicht gerne I von mir!" Etwas in seiner Stimme veranlaßte sie, ihn forschend ; anzusehcn. Seine strahlende Fröhlichkeit, die sie so ent- - zückt hatte, schien wie weggewischt. „Haben Sie gestern abend noch was unternommen, » Baronin?" „Nein, ich blieb zu Hause, übrigens — besten Dank ! für die schönen Veilchen!" „Ach ja, ich sprach Fräulein von Lutter! Beinahe > hätte ich verraten, daß wir uns schon gesehen!" „Besser, daß Sie's nicht getan! Ich stehe nicht gern > Red' und Antwort. Was Unrechtes will ich ja nicht be- I gehen — aber — ganz frei sein, das ist wundervoll, be- ' sonders, wenn man's vorher nicht gekannt!" Sie lachte ihn fröhlich an, aber er blieb ernst und i gedrückt. „Wer von uns ist so glücklich und kann sagen, er ist , frei!" sagte er nachdenklich. Sie waren langsam durch das I Vestibül geschritten und standen im ersten Saal. „Ein Mann ist's doch, wenn er will! — Aber wollen I wir nicht ein wenig den Katalog zu Rate ziehen?" „Wollen Sic wirklich Bild um Bild betrachten?" „Ja — wozu sind wir sonst hergekommen?" „Damit wir einen Überblick gewinnen! Wir gehen I durch die Säle und ich zeige Ihnen meine Lieblinge; viel I sind's nicht!" „Gut. Und nachher?" „Nachher gehen wir bummeln." „Unter einer Bedingung." I „Und die ist?" „Daß Sie Vertrauen zu mir haben!" Er sah sie befremdet an: „Das hab' ich doch, Frau > Baronin!" . - „So meine ich's nicht! Sie sollen vergessen, daß wir l uns erst so kurze Zeit kennen — und mich wie eine gute » Freundin nehmen — der man alles sagt, was einen . bedrückt!" „Aber liebe, verehrte, gnädigste Frau —" „O, ich weiß, was Sie sagen wollen, was in Ihrem ; Tone liegt! Sie kennen mich nicht. Sie denken vielleicht i gar: warum drängt sie sich so auf, was kümmern sie j meine Angelegenheiten!" „Um Gottes willen, nein!" „Sie hätten ja im Grunde recht, aber bei Menschen, I die sich zueinandergesunden haben, kommt es nicht darauf I an, ob sie einander Tage, Wochen oder Jahre kennen! ; Nicht wahr?" Sie sah ihn so herzlich an, daß es warm in ihm I aufging. „Sie sind so gut, Annette — aber ich meine, wir sind ; heute beide so wenig auf Kunst gestimmt, daß es vielleicht ! besser wäre, wir gingen spazieren." „Wollen Sie ausweichen?" „Nein — aber hier nicht weitersprechen!" „Dann gehen wir!" Sie durchschritten wieder die Säle und gingen lang« I sam die Treppe hinab. Vor dem Haustor sah Hans ; Annette fragend an: ! „Wohin?" „Führen Sie mich doch!" „Kennen Sie den Botanischen Garten?" „Nein!" I „Dann gehen wir dorthin, da ist's schön und einsam." I Auf der Straße zog er, als verstünde sich das von I selbst, ihren Arm durch den seinen, und, ihr voll in die ; Augen sehend, sagte er leise: „Jetzt sagen Sie mir, warum sprachen Sie vorhin I so merkwürdig?" „Merkwürdig?" ; „Ja, wenn man jemandem sagt: „Hab' doch Per« k trauen zu mir, sag' mir alles, was dich bedrückt, dann I heißt das doch, daß man voraussetzt, es gäbe etwas, was < den anderen bedrücken könnte — wie kommen Sie zu der ! Vermutung?" ' „Hat nicht jeder von uns sein Päckchen zu tragen?" I „Jetzt wollen Sie ausweichen, gnädige Frau!" „Also gut, ich weiche nicht aus: Sie sind jetzt so ganz ; anders als vor vierzehn Tagen am Eibsee, so ganz i anders!" „Während des Urlaubs ist man ein anderer Mensch!" « Annette schüttelte den Kopf: „Das allein ist es nicht!" ! „Warum zweifeln Sie?"