Volltext Seite (XML)
Unterhaltungs-Beilage zum , AUkiü-AWMM ÄM Druck und Verlag von I. Ruhr Nachf. Dr. Alban Krisch, Hohenstein-Ernstthal. Die Frau des Konsuls . Ryman von Rein I <23. Fortsetzung.) „So ist's recht, mein tapferes kleines Lieb! Und du l darssr dich nicht einschüchtern lassen, wenn der Herr Konsul I augenblicklich nicht sehr gut aus mich zu sprechen sein sollte, t Sobald sich Paul Lcucnhoffs Schuldlosigkeit herausgestellt i hat, wird er wieder anders über mich denken." „Ich werde dich schon bei ihm verteidigen. Aber wir ! müssen Magda schonen, Liebster! Wir dürfen sie nicht bei ! meinem Vater verklagen. Sie ängstigt sich so sehr davor I und es wäre gewiß ihr Tod." „Den ich durchaus nicht auf dem Gewissen haben ; möchte. Aber soweit es auf mich ankommt, darfst du ganz I unbesorgt sein, und wenn du glaubst, daß es zu ihrer Be- l ruhigung dienen kann, magst du sie getrost meiner Ver- . schwiegenhcit versichern." ; „Das ist gut von dir. — Und noch eins: solange sie so i schwer krank ist, darfst du nicht zu uns kommen. Es würde f sie zn sehr ansregen, wenn sie es hörte. Auch möchte ich . erst mit Stuart und mit meinem Vater gesprochen haben. ! Willst du also solange warten, bis ich dir schreibe?" „Wenn cs nicht gar zn lange währt — in Gottes I Namen! Ehe nicht der arme Lcuenhoff aus seiner schreck- ; lichen Lage erlöst ist, würde es ja auch mir schlecht an- » stehen, Freudenfeste zu feiern." Einnndzwanzigstes Kapitel. Es war kein bloßer Vorwand der Feigheit gewesen, » als Stuart Milner bei dem Konsul sein Ausbleiben mit t einem Unwohlsein entschuldigt hatte. Selbst eine so I robuste Gesundheit wie die seinige hatte den Aufregungen I der beiden letzten Tage nicht mehr standzuhalten vermocht. ' Er war am Morgen fiebernd aus einem kurzen, von gual- I vollen Träumen erfüllten Schlummer erwacht und halte > sich so elend und zerschlagen gesühlt, daß er kaum fähig ! gewesen war, ein paar Schritte durch das Zimmer zu ! machen. Fn solchem Zustande konnte er sich nicht in das I Kontor und noch weniger nach der Villa hinansbegeben. Seine Wirtin, durch sein schlechtes Aussehen erschreckt, » fragte, ob sie nicht nach einem Arzt schicken sollte. Aber ! Milner wollte nichts Davon hören. Nur allein wollte er l sein — ganz allein und ungestört. Denn er wußte ja, daß ! er irgendeinen Entschluß fassen mußte, und solange er noch ; vergeblich mit diesem Entschluß rang, war ihm der Gedanke i an das Gesicht nnd an die neugierigen Fragen eines I fremden Menschen völlig unerträglich. Aber der Tag verging, ohne daß sich seinem grübelnden ! Hirn der rettende Gedanke gezeigt hätte nnd ohne daß ihm k der Mut des Entschlusses gekommen wäre. Sein körper- I licher Zustand hatte sich inzwischen wieder gebessert. Die ; Schwindclanfälle, von denen er am Morgen heimgesucht » worden war, hatten sich nicht wieder eingestellt und auch I das Fieber war geschwunden. Allein es bedeutete ihm l keine Erleichterung, daß sein Kopf klarer geworden war, ; denn er sah nur um so deutlicher das Gewirr von Zweifeln - und Schrecknissen, ans dem er sich durch keine befreiende I Tat zu retten wußte. hold Ortmann. (Nachdruck verboten.) ; Noch immer hatte er nichts von Harriet gehört, noch t immer zitterte er bei jedem Anschläge der Glocke in der I Furcht, daß sie es sein könnte, die mit dem von Gewissens- ; quäl verzerrten Antlitz einer Mörderin vor ihn hintrat. » Es wurde Abend und Nacht und wieder Morgen, ohne I daß sie selbst oder irgendeine Kunde von ihr gekommen ' wäre. Bis ans eine lästige Mattigkeit in den Gliedern und ! einem dumpfen Druck in den Schläfen fühlt« er sich wieder ! ganz wohl, und da er seit vierundzwanzig Stunden nichts I mehr von den ersten Ereignissen draußen gehört hatte, ; rüstete er sich eben zum Ausgehen, als es klingelte und ; gleich nachher an die Tür seines Zimmers geklopft wurde. » Er war auf das Schlimmste vorbereitet, und sein Atem I setzte aus, als er euren uniformierten Schutzckann vor sich ! stehen sah.. i Der Beamte grüßte militärisch und fragte höflich: I „Herr Stuart Milner?" ß „Das ist mein Name." « „Die Verwaltung des städtischen Krankenhauses Hai » unser Revierbureau soeben durch den Fernsprecher, ersucht, I Sie davon zu benachrichtigen, daß ein am frühen Morgen ß eingelieferter Patient Sie in dringender Angelegenheit zu » sprechen wünscht. Er soll schwer krank sein, und Sie » würden guttun, sich darum zu beeilen." „Wissen Sie auch den Namen des Patienten?" „Warten Sie, der Leutnant hat ihn mir aufgeschrie« " ben — da steht er." Stuart Milner nahm mit zitternden Fingern den I kleinen Zettel in Empfang und las: „Sidney Hen. I derson — hier zugereist — im Lcichenschauhause von einem ! Blutsturz befallen — Städtisches Krankenhaus — Saal ' vier." Milner faßte sich gewaltsam. „Es ist aut — ich danke I Ihnen. Ich werde mich sogleich aus den Weg machen." . Während er in einer Droschke ben weiten Weg nach I dem Krankenhaus zurücklegte, befand er sich in einem Zu- I stanoe, der von wirklicher Geistesverwirrung nicht mehr ; allzuweit entfernt war. Seine Gedanken kamen über den » Kreis einer einzigen Vorstellung nicht mehr hinaus — » und diese Vorstellung war durch die sechs Worte um» I schrieben: „Im Leichenschauhause von einem Blutsturz ; befallen." ; Er suchte weder nach einer Erklärung dafür, woher » Harriets Bruder so plötzlich gekommen war, noch wagte er I sich Antwort zu geben auf die Frage, was er im Leichen. ? . fchauhause zu tun gehabt. Er sah nur immer das unheim. I ' liche Bild eines Mannes vor sich, der mitten unter de« i entstellten Leichnamen von Selbstmördern und Verun» ß glückten in einer großen Blutlache am Boden lag. Und » so greifbar deutlich hatte es sich allgemach in seiner Phan. ! tasie gestaltet, so furchtbar fühlte er sich davon erschüttert, I als wenn er es mit leiblichen Augen erblickt hätte. Man führte ihn nicht sofort in den Saal vier, sondern ; zunächst in das Anmeldeburcau des Krankenhauses, und - der Beamte, an den er mit seinem Anliegen gewiesen wurde, I