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Osterwasser. Von E. Borchardt. Der Konrad, der Fritz und ich — wir waren Sapper- I mentskerls; was wir im Laufe der Jahre an dummen ; Streichen ausheckten, das läßt sich gar nicht alles auf- » schreiben. Mehr als einmal hat uns Onkel Matthes, der I biedere Nachtwächter meines Heimatdorfes, prophezeit, I wir kämen alle drei ins Zuchthaus oder wenigstens dicht ; daran, und der Herr Pastor war später allemal heilfroh, » wenn die Schulferien aus waren und ich aus meinen I Stammlanden wieder in die Stadt zog, allwo das Gym- I nasium meine unbändige Füllenhaftigkeit unsanft in die I Gabel spannte. Nun biu ich Amtsgerichtsrat — und in- ' sofern richtig dicht genug am Zuchthaus, ein musterhafter i Staatsbürger und Ehemann; aber manchmal seufze ich I doch: „O alte Burschenherrlichkeit, wohin bist du ent- ! schwunden* und denke dabei — an meine Jugendsünden. Besonders innig seufzte ich meinen Ostermorgenver- I gnügungen nach. Wenn die Erinnerung an sie in mir auf- I ersteht, werde ich „verknöcherter Jurist* ganz weich und ! sentimental. Ich habe aber auch Grund dazu Da war die schwarze Berta, des reichsten Bauern I Kind. Ein schnippisches Ding, die gar stolz auf uns arme » Schlucker herabsah. Wir sahen sie kaum anders als aus ! dem Schulweg; denn im übrigen hielt sie sich hochmütig ! vor unseren Blicken verborgen. Da erfuhren meine Spieß- I gesellen und ich durch die lahme Frieda, die auf den Höfen » als Flickschneiderin ihr kärgliches Brot verdiente, Berta » werde am Ofiersonntagmorgen Osterwasser schöpfen gehen. ! Tas durfte nicht unbenutzt bleiben. Wer Osterwasser schöpft, will in die Zukunft schauen 1 und nebenbei einen Schönheitszauber gewinnen. Vor > Sonnenaufgang muß er am Bach sein, ernst und fchweig- » sam sein Krüglein füllen und, ohne ein einziges Wort zu I reden, nach Hause gehen. Lange vor Sonnenaufgang waren wir am Waldes- ; rand, der hochmütigen Maid gewärtig. Es war etwas » kühl, aber wir riskierten freudig den Schnupfen, der in I sicherer Aussicht stand, galt es doch einer unholden Jung- I frau einen Possen zu spielen. Es begann zu schummern; eine matte gelbliche Röte i färbte den Morgenrand Les Himmels. Da kam die Er- I wartete. Sie blickte sich vorsichtig und doch herrisch um, aber ; unser wurde sie nicht gewahr; zehn Schritte von ihr ent- i fernt standen wir, hinter Bäumen versteckt. Sie beugte sich I und schöpfte. Dann wandte sie sich eilig und wollte zum ; Dorf zurückkehren. ; Wir aber sprangen hervor, umringten sie johlend, i fragten sie höhnend, wen sie denn in den Fluten gesehen I habe, und begehrten, aus ihrem Krug zu trinken, damit ! wir so schön und reich und schnippisch würden wie sie. Sie ; erschrak erst gewaltig; dann aber wurde sie zornig und- > spritzte ihr Wasser über uns. Und dabei rief sie etwas, l was so klang wie — „Lausbuben*. Da johlten wir noch . mehr: „Gnädiges Fräulein haben sich umsonst so früh aus I den Federn gemacht. Gnädiges Fräulein werden halt übers i Jahr noch einmal Ihr Glück versuchen müssen.* Da weinte l sie vor Wut. Wir bekamen hinterher von unseren Eltern die ernste- ! sten Ermahnungen. Aber das kümmerte uns wenig; wir > hatten unseren Jux gehabt und es stand für uns felsen- I fest, daß wir im nächsten Jahre wieder am Bache sein » würden. ! Und so war's auch. An der Kirche trafen wir uns; > dann schlichen wir vorsichtig durchs Dorf. Unsere einzige j Sorge war, nicht von Onkel Matthes erwischt zu werden. Das ganze Dorf lag noch im Schlummer. Nur beim ! Schmieder-Toni war Licht hinter einem Fenster. Da lag, I das wußten wir, der Toni in schwerer Krankheit. Und j wahrscheinlich wachte die blonde Marie bei ihm. Die blonde Marie! Das bravste Mädchen im Torf. Ich bekam fast Gewissensbisse wegen meines Vor- l Habens, als ich an Marie dachte; denn sicherlich Hütte sie j mir einen ihrer wehmütigen Blicke zugesandt, wenn sie ' mich aus meinem Schleichwege erblickt hätte! Aber Jugend hat keine Tugend; und so ging ich trotzig I vorüber. Am Waldrand faßten wir Posten. Es war viel Heller I als im Jahr zuvor. Eine halbe Stunde verging. Aber Berta blieb aus. « „Sie hat's verschlafen, die faule Dirn,* meinte Kon- I rad, „sie steht ja eh' nicht aus vor Achten.* „Stille,* raunte Fritz; „da kommt wer.* Und wirklich kam wer. Aber nicht Berta, sondern die » blonde Marie. Ganz sacht und den Kopf gesenkt und I lraurig. Mein Gewissen schlug lauter. Sie sah sich nicht j um, beugte sich langsam über den Bach und schöpfte. Da schoß es mir plötzlich siedend heiß zu Kopf, und « ohne recht zu bedenken, was ich tat, schlich ich mich hinter I das Mädchen und sah ihr über die Schulter. Sie gewahrte mein Bild im Wasser und fuhr jäh ; empor, das Gesicht von Purpur dunkel gerötet. Ein Blick » des Geständnisses und doch auch der hilflosen Angst. Ich wollte etwas sagen; aber schon waren auch meine > Kameraden da, stießen Maries Krug, daß er schwankte ; und seinen Inhalt ins Gras entleerte, und begannen zu » spotten und zu lachen. Sie aber sah mich an wie todwund, setzte den Krug I nieder und nestelte an ihrem Mieder. Dann hatte sie ein ! kleines Bild in der Hand und zeigte es mir zitternd, die ' Lippen fest auseinandergepreßt. Das Bild ihres Vaters. I Da begriss ich, daß sie das Osterwasser geschöpft hatte, I weil sie glaubte, es werde den Schmieder-Toni heilen. Und ! ich schrie, die Kameraden sollten Marie in Frieden lassen, ! und brauchte, als sie nicht hören wollten, meine Fäuste, l bis sic mich verstanden. Die Marie füllte ihren Krug wieder und schritt, von ! mir geleitet, mit einem freudigen Lächeln zur Schmiede ! zurück. Ler Schmieder Toni wäre wohl auch ohne das Wasser > gesund geworden. Aber wer weiß, ob ohne diese Be- » gegnung die Marie mein Weib geworden wäre: Ostara, ! die Frühlingsgöttin, hat uns zusammengesührt, und Oster- I segen waltet über unserem Bunde. Kteiderluxus im Miiislalier. Ton Bertha Witt. Man konnte von eine: eigentlichen Mode früher nicht ! reden, denn der Modrnwechsel vollzog sich sehr langsam, ! aber an Stelle der rasch wechselnden Modelmme stand Lie « Luxussucht, die solche Auswüchse zeitigte, Laß alle sich be? > rufen fühlenden Köpfe dagegen eiferren, der Rat icdcr - Stadt ein Verbot über das andere ersann und Lie Geist- » lichen aus den Kanzeln Predigten dagegen hielten. Dek I würdige Erasmus von Rotterdam beleuchtet den zu seiner ' Zeit (16. Jahrhundert) waltenden Zustand recht durch feinen ; kulturgeschichtlich wertvollen „Tadel der Moden*, und daß » selbst dieser Gelehrte sich mit solchen Dingen befaßte, I scheint bezeichnend genug zu sein. „Man sieht Frauen- ! zimmer, welche nicht einmal zum bürgerlichen Stande ' zählen,* sagt er, „die in ganz seidenen, geschlängelten, ge- i streiften, blumigen, goldenen und silbernen Kleidern, in I Zobel- und Marderpelzen gehen, während der Mann zu ! Hause die Schuhe flickt. Ihre Finger sind mit Smaragden ; und Diamanten besät, über den Bernstein, die Korallen, « Lie vergoldeten Pantoffel will ich nicht einmal Klage l führen. Sonst war es für Leute ans der niederen Klasse . Ehre genug, wenn sie seidene Gürtel trugen und den ! Saum der Kleider mit einer seidenen Falbel zierten. Wenn I bürgerliche Frauen in Karossen fahren und sich in Sänften, I die mit Elfenbein ausgelegt sind, tragen lassen, was bleibt . dann adligen und anderen vornehmen Damen übrig? ! Und wenn eine Frau von niederem Adel eine Schleppe I von 1ö Ellen nach sich zieht, was wird die Gemahlin eines Herzogs tun? Roch unerträglicher ist es, mit welchem . Leichtsinn sie ihren Putz ändern. Sonst hingen an ! Hörnern, Lie über dis Stirn hervorragten, leinene Tücher; I durch diesen Schmuck unterschieden fick Porncbme von Ge- > ringeren. Jene wählten, damit sie nicht einerlei Kleidung » haben möchten, Hüte, deren Außenseite mit weißen, « schwarzgesprenkelten Fellen besetzt waren. Gleich machte I es die große Menge nach. Run wählte man den dunkel- j roten leinenen Schleier. Alle Frauen odne Unterschied » wagten dies nickt nur uachzuabmen, sondern man fügte - auch einen goldenen Saum und Edelstein hinzu.*