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und drosselte die Tränenschleusen. Und als sie endlich wieder in der Gesindestube stand, stemmte sie die Hände in die Hüften und blies von sich. „Zu Befehl — heute ist Sonnabend» Skatpartie!* „Ah, so! Hab' ich total vergessen. Grü! — Abtreten!* Bogumil von Lublinski hatte noch nicht ganz aus gesprochen, als die Tür schon hinter dem Mädchen ins Schloß fiel. Käthe hätte jetzt am liebsten losgeheult, aber währen» sie durch den Korridor lief und dann eilig die strengsten Philistertums! Und daraus hatte sie sich ge Treppe hinabstürmte, gewann ihr Trotz die Oberhand rettet — zu dem wilden Tiere! lFonsetzung wtgi - „Seit wann ist sie fort?* „Seit drei Uhr nachmittags.* „Gegangen?* „Geritten!* Mit wem?" „Allein!* „Hat sie Ihnen etwas aufgetragen?* „Ich soll im Pavillon decken für sechs Personen. Zum Umkleiden würde die Frau Baronin rechtzeitig zurück sein.* „Im Pavillon? Für sechs Personen? Was ist denn los?* Sie nicht gefragt. Sie haben einfach zu antworten: Die Frau Baronin ist nicht zu Hause, basta!* „Die Frau Baronin ist nicht zu Hause!* kam es weinerlich von der Türe. „Gans!* Ein mühsam unterdrücktes Schluchzen verriet, daß I Käthe bis zum Weinen eingeschüchtert »ar. „Wenn der Herr Baron einen Menschen so anschreien, ' weiß man doch gar nicht, was man reden soll!* stotterte I sie weinerlich. „Hol' Sie der Teufel mit Ihrer Heulerei!* „Zu Befehl!* Ein kurzes Lachen ertönte aus der Zimmerecke. „Na, Gott sei Dank! Also: wo ist die Baronin?" Pitt' Sie — er ist gar nicht so arg!* _,Na, er ist eben wie alle Männer! Vorher tun sie ! einem schön, sind gut und zerschmelzen vor lauter Lieb', I und nachher zeigen sie ihr wahres Gesicht!* Die Lena verzog das Gesicht. „Die Weiber machen » es nicht anders. Gar so zu poussieren braucht eine Frau » doch nicht. Und wenn sie weiß, daß der Mann eifersüchtig t ist, schon gar nicht!* Das Schrillen der elektrischen Glocke, die über der » Küchenlür angebracht war, verhinderte weitere Aus- . lassungen der Köchin. „Es hat geläutet,* sagte sie, nun wieder gelassen ß weiterschälend. „Ist etwa die Baronin zurückgekommen?* Käthe schüttelte den Kopf. „Ich hält' sie ja von hier . aus sehen müssen. Das ist der Herr Baron.* „Also gehen Sie doch!* sagte Lena, als Käthe keine ß Miene machte, aufzustehen. » „Wenn s mir gilt, muß er zweimal läuten.* In dem Augenblick schrillte die Glocke zum zweiten I Male, jetzt so heftig und andauernd, daß Käthe aufsprang. Käthe lies durch die Küche in das Treppenhaus und » in den ersten Stock hinauf, wo sie an der letzten Tür des ! luftigen Korridors stehen blieb. Es schien sie einige I Überwindung zu kosten, anzuklopfen. Endlich tat sie es I doch. Da ertönte ein laut geschnarrtes „Herrrein!" Das Mädchen öffnete und steckte den Kopf durch die . Spalte. Das Zimmer war durckel, der Rauch von starke,: I Zigarren drang ihr entgegen und reizte sie zum Husten. I Ein rotglühender Punkt, die Zigarre des Barons, deutete » ihr die Richtung an, wo der Haustyrann saß. „Ist denn kein Mensch im Hause?* brüllte es von I dem glimmenden Punkte her. „Bitt' schön, weil der Herr Baron nur einmal ge- » läutet haben, hab' ich gedacht, daß es mich nicht angehe. . Ich bin gewöhnt —* „Was Sie gewöhnt sind, ist mir Wurst! Sie haben I zu kommen, auch wenn ich einmal läute, verstanden?* „Bitt' schön!" . „Ersparen Sie sich das blöde „Bitt' schön!", das t einem an die Nerven geht! „Zu Befehl!" haben Sie zu I sagen, basta!" „Bit? schöu — zu Befehl!" „Na?" machte die Köchin. .Ich sag' Ihnen, Lena, wenn die Baronin nicht wär', j augenblicklich möchte ich gehen! Wie der mich wieder an- » geschrien hat! Bin ich denn da, um mich von ihm ! kujonieren zu lassen?" „Aber ich bitt' Sie!" „Natürlich, Sie geben ihm noch am Ende recht! » Lassen Sie sich nur einmal so anbrüllen!* „Ich bin die Köchin! Für die seinen Sachen sind Sie I ja da!* „Der ekelhafte, mißtrauische, alte Kerl," sagte sie dann « laut und verließ die Küche langsam, als erwarte sie noch ! ein zustimmendes Wort der Köchin. Die schien aber gar l nichts gehört zu haben. Käthe überschritt den mit grobem Kies bedeckten Vor- » Platz und ging auf den Pavillon zu, der etwa hundert» ! fünfzig Schritt vom Herrenhaus entfernt, schon dicht an I den Wald stieß, dessen hundertjähriger Bestand erst im j Laufe der Zeit von dem Stramitzer Park abgetrsnnt » worden war. Er gehörte wohl noch zum Besitze ! Lublinskis, doch ein Staketenzaun schied ihn von I dem Parke. Dicht neben dem Pavillon war eine kleine, ver- « schlossen« Tür in dem Zaune angebracht, deren verrostetes ! Schloß bewies, daß das Pförtchen in den letzten Jahren k fast gar nicht oder nnr selten benutzt worden war. Der j Pavillon war älter als das Herrenhaus von Stramitz . und mochte einmal als Jagdschlößchen gedient haben. ! Seitdem Bogumil Lublinski als Herr auf Stramitz saß, I insbesondere, seitdem die schöne Annette seine Frau ge- j worden, waren in dem Pavillon einige Änderungen vor- » genommen worden, so daß er jetzt auch einer Gesellschaft ! zum Aufenthalt dienen konnte, die anspruchsvoller und > verwöhnter war, als es einst die Stramitzer Jagdgäste > gewesen. In einem abgeteilten kleinen Raume war sogar ein ! Gasherd aufgestellt worden, auf dem die Gerichte warm- I gehalten werden konnten. Käthe war in den Pavillon getreten. Nachdem sie » die aus riesigen Hirschgeweihen gebildete Mittelkrvne an- ' gezündet, schloß sie die Jalousien und begann den runden, I schweren Mitteltisch zu decken. ; Gerade als sie ihr Werk mit prüfenden Blicken über- » flog, drang durch die offenstehende Tür Hufschlag zu ihr ! herein. „Aha — die Baronin!" sagte sie halblaut und eilte j zur Tür hinaus. Sie sah, wie ihre Herrin aus dem « Sattel glitt, hörte den kurzen, aber eindringlichen Pfiff, ! mit dem sie dem Stallburschen ihre Ankunft bekannt- I zugeben pflegte. In dem Augenblick kam der auch schon j heran, um den Braunen in den Stall zu führen. Annette wandte sich zu Käthe, die eilig nähertrat. „Alles in Ordnung, Käthe?" „Zu Befehl, Frau Baronin! — Aber der Herr Baron j hat mit mir geschrien, weil ich nicht wußte, wohin die » Frau Baronin geritten — und weil — weil —* „Weil?" fragte die Baronin scharf. „Weil die Baronin allein ausgeritten waren." „'s ist gut!" sagte Annette und trat ins Haus. Während sie in das Stockwerk Hinaufstieg, quoll Plötz- ! lich der Zorn in ihr auf. Was fiel Bogumil ein! Am l liebsten wäre sie jetzt in sein Zimmer gestürzt, um ihm > Vorwürfe zu machen. Ging seine Eifersucht schon so weit, » daß er nicht davor znrückscheute, die Dienstboten aus- ! Zuforschen? O, wie gern hätte sie ihm einmal alles gesagt, I was sich im Laufe der Jahre in ihr angrsammelt hatte, I aber schon im nächsten Augenblick erschrak sie bei dem « Gedanken. Sie kannte ja dieses „wilde Tier", das sie ge- » zähmt hatte mit Schmeichel- und Streichelkunst, bis es I vor ihr — kroch! Und die Behandlungsweise durfte nicht z geändert werden, das wußte sie! Die Zähne zusammen- » beißen und weiter streicheln — es gab nichts anderes! ! Die ganze traurige Vergangenheit tauchte vor Annette I auf: die ewig jammernde Mutter, der verknöcherte Vater, I die ganze muffige Atmosphäre der Armut und des aller- » „Ich weiß nicht,* erwiderte das Mädchen. „Ich weiß nicht —ich weiß nicht! — Was heißt das?" „Entschuldigen — zu Befehl — ich kann doch nicht I wissen, wo die Baronin gerade ist!* „Was Sie wissen oder nicht wissen können, habe ich