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bruders zu den Vätern der thüringischen Feststavt. Er s tagte mit ihnen und den Vertretern des städtischen Fest, j ausschusses in gediegenen Sitzungen, an die sich fürstliche s und Abendeinladungen schlossen. i Aber wie auch die Pracht des Frühlings Straßen und Gärten mit einem weißen Blütenmeer umgürtete, wie auch < ringsum von üppigen Waldhöhen der blaue Glanz des > Maihimmels lachend und schimmernd herübergrüßtr, — i Vie geheime Sehnsucht dieses Frühlings, die schlanke t Zaubergestalt Elgas, ihr feines, brünettes Gesicht und l ihre braunen Augen blieben seinen suchenden Blicken wie j hinter hohen Mauern verborgen. Hinter den geschlossenen , grünen Jalousien, den Balkonvorhängen und Blumen- j galerien der Wohnung des Dr. med. Waldhausen war sie ; unsichtbar wie verschwunden und vergessen. ! Als er wieder davonfuhr, hingen seine Augen an den glänzenden Türmen und grünen Wipfeln Ler Stadt in finsterem Nachdenken, bis sie im Seidenschimmer des Mai morgens verschwunden waren. > Im glitzernden Junileuchten stieg der Sommer herauf, i Mit ihm nun flutete die Studentcnlust aus allen Univer» > sitäten des Nordens und des Ostens, des Westens und des Südens in jugend- und kraftfrohen Vertretern in die I Thüringer Feststadt herein. 1 Bevor sie alle kamen, befand Wolfram sich schon § wieder auf seinem von Pflichten und Ehren umstürmten ' Posten. War's das eine Mal nicht gelungen, die Ver zauberte aus ihrem Bann zu erlösen, das gewaltige Auf gebot des farbenprangenden, auf den Flügeln der Be- geisterung hereinbrechenden Studentenfestes mußte doch einmal irgendwann und irgendwo und irgendwie die Mauern ihrer Unsichtbarkeit im Sturm zerbrechen. Schon glaubte er sie überall zu sehen. Als er eine Sitzung des Ausschusses in der Goldenen Sonne leitete, stockte-er mitten in der Rede und starrte zum Fenster hin aus — hatte er sie nicht eben dicht am Hause, vor den Fenstern vorübergehen sehen? Als er mit dem Bürgermeister den Markt überschritt, sah er sie nicht drüben in die giebelreiche Hauptgeschäfts- straße unter Girlanden und sich wiegenden Fahnen hinein- schreiten? Der blaue Schimmer des Spätnachmittags nahm sie in seinen Schattenduft auf. In rascher Ungeduld nahm er Abschied und eilte über den Platz, dem Eingang der Feststratze zu. Aber als er um die Ecke bog, sah er in ihrer langen, von Festschmuck und Bürger- und Studentenge wimmel durchwogten Zeile nur den blauen Schimmer geheimnisvoller Schatten zwischen Fenstersronten, Dächern und Giebeln und darüber das heiße Gold des Abend- Himmels Die großen Festtage zogen mit Festgeläut, mit Gottes dienst, mit Konzert an allen Enden und im Herzen der Stadt, mit dem großen Wetturnen und den heißen Kampf- spielen auf grünem Anger und der rühm- und glanzvollen Preisüberreichung an die sieg- und ehrenreichen akademi schen Heldensöhne, mit feierlichem Trunk aus Ehren pokalen und silberflammenden Trinkhörnern, Schläger blitzen, unendlichem Farbenwogen und entzückendem Wolkenwehen lichter Festtoiletten herauf. Was die Thü ringer Stadt auf ihrem gesegneten, sagen- und geschicht- reichen Boden an lieblichen Töchtern und schönen Frauen ihr eigen nannte, das umzauberte alle Plätze und Prome- naden mit lichtem Schmetterlingsgaukeln. „Andere Städt chen, andere Mädchen", klang es melancholisch froh vom Paradekonzert der Regimentskapelle herüber: „doch die eine ist es nicht". Und wie er auch durch die Gaffen streifte, die eine sah er nicht. Der Festzug der Verbandskorporationen aus allen Enden des Reiches wand sich in gewaltigen Linien durch die mittelalterlichen und die modernen Straßen der Stadt. Musikkorps schmetterten aus funkelndem Metall die Lore am Tore und den Hirsch im wilden Forst; Pauken und Trommeln, ein unbeschreibliches Wehen und Wogen. Banner an Banner in seidenem Farbenrausch und Wap pentrutz, Chargierte zu Roß und Chargierte zu Fuß, blitzende Cerevis, gleißende Schläger, leuchtende Schärpen auf beschnürten Pikeschen, rollende Karossen mit Ehren gästen im Frack, Stadtvätern im Zylinder. Und Menschen- maucrn an allen Straßenborden, frohe, neugierige, ent zückte Gesichter, lachende Augen, redselige Freude oder stummes Schauen auf das niemals hier gesehene Schau- spiel junger Kraft und Glanzliebe, feurigen Stolzes, frischer Lebensfreude und aufrechten deutschen Geistes aus dem Borne deutschen Studententums. Von allen Hauswänden grüne Gewinde und Fahnen, Ehrenpforten querüber, Flaggen aus den Dachluken, Wim- pel auf bekränzten Masten. Aus allen Fenstern bis unter die Dachränder hinauf sich drängende Gesichter. Taschen tücher wehten von den Balkons, auf denen ein Blütenflor holder Mädchen und Frauen den Festjubel der akademi- schen Gäste grüßte, der in unerschöpflichem Leuchten, Klin- gen, Müschen und Rusen oorüberzog. Blumensträußchen flogen, sie sielen wie ein liebliches Wetter in die glänzen- den Reihen, sie trafen manche Brust und manches Herz. Lachen und Gruß und Kußhand dankten hinauf zu den Huldinnen der Stadt an Fenstern und Brüstungen. Und Sonne, Sonne überall! Und Sonne umleuchtete schon von weither gesehen das Haus, das er schon hundertmal aus der Entfernung und aus der Nähe mit suchendem Blick umforfcht hatte, Elgas Heim. Es stand an einer prachtvollen Allee alter Linden und schaute mit seinen oberen Fenstern in die gewaltigen Kro- nen. Der Eingang zum Hause führte durch einen seitlich sich anschließenden Rosengarten und eine schattige Veranda. Diese trug den großen Balkon des Oberstocks, der sich von der Straße bis in die Tiefe des Gartens zog. Unter den beiden schweren Bannern, das eine schwarz- weiß, das andere schwarz-weiß-rot, war der ganze Ober stock, Säulen und Überdachung des Balkons mit Tannen- gewinden geschmückt. Aus diesem grünen Nahmen leuch teten weiße Kleider und grüßten zarte winkende Hände. Die Spitze des Zuges zog im kühlenden Schatten der Allee mit klingendem Spiel, mit dem seidenrauschenden Bundesbanner, geführt vom berittenen Bannerträger und geleitet von Chargierten zu Roß, vorüber. Dann kam er selbst, Wolfram Brockenschmied, der Ab kömmling dessen, der einst das Brockenfeuer aus den Brocken trug, im ersten blumengeschmückten Landauer, an der Seite des Stadtoberhauptes. Mit brennendem Forschen hing sein Auge an jenem Balkon. Und plötzlich neigte er sich vor und grüßte mit der Hand am Cerevis hinüber. Heiß glühten ihm die Wangen. Stolz und bitter-froh war das flüchtige Lachen auf seinem von Schmissen benarbten Gesicht. Sie aber, in ihrer feinen tannenschlanken Figur zwischen den andern weiß und schön wie die Königin des Festes, dankte mit einem anmutigen Neigen des Hauptes. Und im Nu, mit dem leichten Pfeilschwung zielsicheren Wurfs, flog von ihrer Hand ein großer Blumenstrauß her über und fiel in den Wagen hinein ihm vor die Füße. Er bückte sich rasch und hob ihn auf — dunkelrote Rosen, lieblich grüßende Vergißmeinnicht. Und als er das Gesicht hineindrückte und sich im Weiterfahren rückwärts wandte, grüßte er noch einmal und umfaßte die leuchtende Gestalt im Kranze ihrer Schwestern mit brennendem Blick. Im größten Festsaale der Stadt entwickelte sich abends im Festkommers ein ungeheuer klang- und drang volles, begeisterungstrahlendes Leben. Studentenfarben überall und Waffenblitzen, rauschender machtvoller Ge sang, glänzender Orchesterjubel, donnerndes Kommando, schallender Schlägerklang am Präsidium und an allen Enden Tafel bei Tafel. Nun tiefe Stille. Auf das Podium hinauftretend zur Kaiserbüste im Lorbcerhain, schlank, sehnig und groß, mit kühlem, böse gefaltetem Gesicht, mit ruhig und stolz schlagendem Herzen, mit einer den wimmelnden Saal bis in die fernsten Säu lenwinkel durchdringenden, metallklaren Stimme hielt er die große Festrede, den Gruß an die herrliche Thüringer- stadt, den Gruß an die gastfreie Bürgerschaft und den wohlsorgenden Rat, der deutsche akademische Jugend so gut deutsch aufzunehmen und ihre Ideale so freudig zu ehren wisse, — und den Gruß an die Schönheit, den Gruß an die Töchter und die Frauen dieser Stadt I (Fortsetzung folgt.)