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„Ha, du Lügenschmied!* „Hütet Euer Maul!* I Der große, hagere Reiter schwang im Nu das Schwert. I Aber der Schmied kam ihm zuvor. Mit schwerem Schlage sauste der Schmiedehammer auf seine Brust und Schulter. > Schneller kann der Blitz das Mondgewitier nicht zu ! Boden schleudern, als der Ritter zur Erde stürzte. Und I rascher vermag der Blitz nicht zu töten, als der Hammer- I schlag des Brockenschmieds. „Ich sehe Blut vor deiner Tür!* sprach in des Mor- ! gens Frühe die königliche Maid, da sie von ihrem langen, j tiefen Schlafe am Schmiedefeuer sich erhoben und sorgen- I schwer über die Mauer in das Tal gespäht hatte. „Mag sein — vielleicht ein wilder Eber gestürzt,* I antwortete er, und finster flog sein Blick zur ragenden j Tanne am Bergrand hinüber, wo schwerer Felsblock ein I frisch geworfenes Erdreich bedeckte. Und als sie geduldig und heimlich bei ihm in der I Schmiede saß und gar nicht Willens schien, Tor und Mauer I wieder zu verlassen, sprach sie und lächelte so schön wie die I rote Rose im Sonnenstrahl: „Was schmiedest du da?* Da ! sauste der Hammer und klang auf den Ambos wie ein i wildes Lied: „Ich schmiede deinem silbernen Gaul vier i Hufeisen, die ihn wie Sturm über die Berge tragen, wenn I du fliehen willst.* Da schüttelte sie das weiche goldschimmernde Haar. I „Sie wollten mein Herz töten auf goldener Höhe in kalter i Pracht! Da bin ich geflohen und kam in das tiefe, ein- I same Schattental und fand das warme Schmiedefeuer. . Schmiede meinem Roß keine Hufeisen mehr. Schmiede I dir ein Schwert, damit du mich an deinem Feuer schützest, i solange es dir gefalle.* Da schleuderte er den Hammer in das krachende Eisen, . hob sie auf mit seinen rußigen Schmiedefüusten, jauchzte I und lachte und küßte den süßen roten Zaubermund. — Als sie ein ganzes Jahr bei ihm in der Brocken- I schmiede gehaust hatte, ohne daß je eine Frage nach ihr . geschehen wäre — denn niemals ließ sie sich blicken, wenn ! ein Knappe vom Bodefeld mit feinem Reitgaul zur I Schmiede kam — war sie eines Knäbleins Mutter ge- I worden, das mit den frohen dunklen Blitzaugen des ! Schmieds in das Feuer jauchzte. ! Wohl ging vom Königshof her zuweilen ein Klagen I und Suchen durch die furchtbaren Wälder nach der Prin- I zessin Gertrude, aber man wähnte sie in den Schrecken der , Wildnis vom Raubtier getötet, und der, der ihr einst ! fürchterliche Minne geschworen, vor dem sie geflohen war I mit ihrer süßen, sehnsüchtigen Seele wie der Waldvogel i vor der glänzenden Schlange, der hatte sein gleißendes . Herz längst an den Hof des Sachsenherzogs getragen. ! Einmal, La sie bei dem Brockenschmied stand und > in das brausende Feuer schaute, seufzte sie und sprach: 1 „Ich sehe nur Tannen und Felsen und bin glücklich darin, » weil dein Feuer meine Seele durchglüht. Aber ich möchte ! wohl einmal von deinem Feuer aus weit hinaufsehen I zum freien Blocksberg.* Von dem Tage an schlug er von morgens bis abends » gewaltige Fichten an der Bergwand aufwärts, jenseits ! des Flusses, daß sie stürzten wie Riesen der Urwelt. Und I als er viele Tage an diesem Werke seine Eisenkraft er- l probt hatte, war eine breite Waldscheite entstanden den » Berg hinauf, und jenseits, in einsamer, ferner Höhe, ! stand sichtbar und frei im Abendsonnenbrand der Brocken. Nun stand sie oft in der Tür der Schmiede mit ihrem l Knäblein auf dem Arm und küßte es und schaute mit glän- » zenden Augen zur schimmernden blauen Höhe hinauf. Und eines Tages wandte sie sich zu ihm, als er den > stöhnenden Blasebalg mit starker Faust in Bewegung setzte, I Laß das Feuer mit tiefem Brausen aus den Kohlen zün- » gelte, und sprach: „Mein Silberschimmel hat wohl das ! Rennen ganz verlernt. Hörst du ihn scharren und schnau- l den? Ich glaube, daß er verlangt, über Berg und Tal zu > stürmen.* „Ich schmiede ihm vier Hufeisen,* antwortete er. „Da- » mit mag er um den Erdkreis rennen, bis es ihn wieder I zur stillen Brockenschmiede treibt.* Und begab sich sogleich an das Werk. Am andern Morgen aber führte sie Las königliche Tier » am Halfter vor das Schmiedetor. Als es die grüne Wald- I freiheit witterte, wieherte es feurig in das tiefe Tal, schlug mit den klingenden Hufeisen den Felsen und bäumte sich s in schnaubender Sturmlraft. . Sie aber klopfte ihn schmeichelnd und sprach mit ihm. ! Und als er fromm und gehorsam mit dem Kopfe nickte l und in die Stange biß, da ergriff sie ein brennendes, j wildes Verlangen. Mit einem kühnen Sprunge flog sie in den Sattel. ! Kaum daß der silberweiße Renner die leichte königliche l Last verspürte, stieg er steil auf in die Höhe und streckte sich j hoch und floa^leicht und schnell wie eine Schneewolke im . Sturm den Weg hinüber, über den Balkensteg und das ! donnernde Waldwasser im Felsenbett und hinein in den I steilen, hohen, feierlichen Fichtenwald. „Gertrude!* Dröhnend klang des Schmiedes Stimme ihr nach und ! weckte Echo über Echo an den beiden Waldwänden. „Gertrude — Gertrude!* scholl es herüber und hin- j über, raunte bestürzt und immer versteckter, und starb er- » schrocken im dunklen, schweigenden Forst. Weit, weit oben glitt über grauem Fels an schwärz- I lich grüner Lehne eine leichte Reitergestalt vorüber, steil > auf zum fernen, ragenden Brockengipfel, erschien wie eine ; ferne Traumgestalt von Walhalla und verschwand im > ewigen Geheimnis der Brockenwälder. i Da sprach der Schmied in tiefem, zornigem Schmerz: I „War das Schmiedefeuer der Zauber, der dich band, so f will ich sehen, daß es dich aus den Wolken wieder herab- ? holt an meinen schwarzen, heimlichen Herd * So nahm er Holzkohlen aus seinem Schuppen, soviel ! er nur zu tragen vermochte, zwei gewaltige Säcke, und ; füllte das glühende Feuer von seinem Schmiedeherd in ? einen tragbaren Rost. Das Knäblein küßte und herzte er: „Und ritt sie über ! die Wolken zu Wotan hinauf, sie müßte doch allewiglich ; hier unten bei uns bleiben auf unserer grünen Erde, in » unserem schallenden Schmiedehammerliede, in unserer I heimlichen Abendsehnsucht nach ihrem goldenen Haar.* Ließ das Knäblein bei der steinalten Muhme und stieg I in die schauervollen Brockenwälder hinauf und wurde nie ' mehr gesehen. — Seit jener Zeit brennt allabendlich, wenn die Sonne l untersinlt, fern oben auf der Geisterhöhe des Brocken- ; gipfels wildes herrliches Schmiedefeuer, als wenn die » Sonne es entzündet hätte. Es leuchtet über die rotglühen- I den Berge und die blauschwarzen Täler weit und immer I Weiler hinaus in das Land, in die goldene Ebene, bis an I den blitzenden Strom und das blaudämmernde ferne ' Meer. Es atmet im dumpfen Brausen des Sturmwindes I gleich dem heißen Atem einer Menschenbrust. Es lodert I wie in ungeheuren Flammen sich verzehrendes Harz. Es ; ist das Feuer der Sehnsucht. Das glüht durch alle Länder ' und glüht durch alle Zeiten, durch hundert und tausend I Jahre. Immer, wenn der Abend sinkt, vergeht es in I Trauer. Wenn die Nacht sich zu den Sternen erhebt, klagt I und seufzt es unsichtbar im unendlichen Raunen der Berg- k winde. Wenn aus dem neuen Tage wieder der Abend l flammt, schickt es sein Sonnenfeuer bis zum letzten lodern- « den Glanz von neuem in die Ferne, rufend nach dem I Glück, das einst auf Erden war und lieblich am Feuer saß ' und auf des Schmiedes Götterhufen für immer gen Wal- I halla floh. Tief unten aber im Tannengeheimnis harrt des ! Brockenschmiedes und der Königstochter blutjunger Erbe ! am erkalteten Herd, daß der Tag komme, an dem er mit « eigenen starken Händen das Schmiedefeuer entzünde zum « klingenden Sommerliede seiner Zukunft. I * « * Wolfram Brockenschmied schwieg und schaute mit I heißem, gespanntem Blick ins Unsichtbare, als sehe er noch ; immer in glühender Abendsonne das Sonnenfeuer auf - dem dämmernden Gipfel des Brockens. I Doktor Schütze hielt den Kopf in die Hand gestützt und s blickte mit einem stillen Lächeln im eisenfarbenen Bart aus ; seinen jungen Gast. Tann erhob er sich schweigend. Und » als Wolfram, aus seinem Traum erwachend, bescheiden ! aufstand, legte ihm der große hagere Mann die Hand auf I die Schulter. (Fortsetzung solgt.) ;