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-«stattete «r sich den Wonnetraum, das glühende junge Geschöpf in den Armen zu hallen und ihre sähen Lippen tza küssen .... Dann ergriff er seinen Hut und ging zu Fabrikant Winkler. — Ein kluger Mann hat stets mehrere Eisen im Feuer, und die Entscheidung stand ja schließlich Immer bei ihm l Da — vor Neujahr noch erhielt er ein großes weißes Kuvert und entnahm demselben — die Aerlobungsanzeige Ottiliens mit einem jungen Kaufmann. Teusel — das hatte « nicht gedacht! . . . Welche Gemeinheit! . . Das war ja eine ganz raffinierte Kokette, die erst mit seinem Herzen hielte und dann Der schöne Streber lief wütend im Zimmer auf und ab. es dauert« lange, bis er seiner Empörung Herr wurde «nd zu dem Entschluß kam, Gleiches mit Gleichem zu ver gelten. Die kleine Fabrikanten-Lina verlangte es nicht bes ser .. . Wenn er gleich hinginge? . . . Aber da sah er im Geiste wieder mit demselben kalten Abscheu wie am Weihnachtsabend die plumpen Hände und Füße des Paroenükindes, die steifen Haare von einem unmöglichen Zwiebelblond, er hörte wieder ihr nichtssagendes Gerede — brrr! . . . . Nicht um alles! . . . Nein, nur tu der ersten Wut keine Dummheiten machen! Er hatte ja Zeit, er konnte wählen! Und er wählte so lange, bis die Mütter ansingen, kalt« Gesichter zu machen, und di« Töchter in ihren Kränz chen ihn mit dem Namen eines „bloßen Kurmachers' brandmarkten. Noch zwei Zähre, und er erlebte es, nicht «ehr ernsthast genommen zu werden. Dann — dann kam die Geschichte mit der schönen Frau von M das dumme Geschwätz der Leute und der Bruch mit dem eifersüchtigen Ehemann. Und als er bann, um den verdammten Klatschereien ein Ende zu machen, sich entschloß, in einer der ersten Familien wirklich als Freier anzuklopfen, da bekam der schöne Streber einen Korb — auch an einem Weihnachtsabend — und dieser Korb bkieb nicht verschwiegen! . . . . Za, es sind keine erfreulichen Bilder, die aus dem Glase emportauchen! Längst ist der Amtsrichter das ge - worden, was man einen eingefleischten Junggesellen nennt. Es muß ja nicht geheiratet sein, Gott bewahre! Man lebt eigentlich bequemer so . . . Aber am Weihnachtsabend, wenn überall di« Lichter Kmmern und andere Männer in Weib und Kind nicht die Summe ihrer Sorgen, sondern ihres Glückes ans Herz drücken, da wird es ihm sonderbar eng um das seinigr. Erinnerungen steigen auf und der Blick wird trübe. Wenn er damals Ottilie geheiratet hätte, sie oder eine andere — wie war« es wohl heute? Die geschäftigen Weihnachtsgeister haben nur aus dies Stichwort gewartet. Sie rücken den Wirtstisch zur Seite, kaffen Tannenqrün aufsprießen, füllen den Naum mit Weih- nachtsdust, und jetzt wird es hell — dort schimmert der Daum, darunter staunen glückselig ein paar' rosigeKiudec- gcsichter, das jüngste trägt die Großmama auf dem Arm, während sein eigener alter Vater vergnügt im Lehnstuhl ein Pfcischcn raucht. Er selbst aber, er hält die immer noch schöne, glückstrahlende Frau im Arm, und sie stammelt an seinem Herzen: „Lieber, liebster Mann! Wie glücklich sind wir, daß wir uns haben!" — Ach, cs war alles nur ein Traum! Die nüchterne Wirtslampe scheint wieder und die unglücklichen Dicrtrugdeckcl erglänzen in ihrem Licht. Es ist alles wie vorher. Und doch nicht ganz! Die Wcihnachtsgeister haben in dein erkalteten Herzen noch ein Fünkchen unter der Asche gcfunden und eifrig daraus geblasen. Nun brennt es. Der unlustige Trinker steht rasch auf, er hat einen plötzlichen Entschluß gefaßt. Zn seinem Hause wohnt ein Mädchen von achtundzwanzig Zähren --- nicht schön und nicht reich, aber gut und klug. Daß sie ihn im stillen liebt, weiß er längst, es war dies Bewußtsein für ihn eine Art von unsicht barer Nette im Knopfloch. Nun aber — er tritt vor den Spiegel und sieht beim Handschuhanziehen prüfend hinein. »Za, ja," flüstert ihm der kleine Weihnachtsgeist ins Ohr, .sie paßt ganz gut zu dir, denn du bist auch nicht mehr der Jüngste, und du hast sie lieber, als du weißt. Erinnerst du dich noch des Plätzchens im Erker, wo du cs neulich abends so gemütlich bei ihr und ihrer Mutter sandest? Dort sitzt sie jetzt und denkt an dich! Also eile dich, schnell, schnell!' Und er eilt sich und stürmt unaufhaltsam in die Dun kelheit hinaus. Denn wenn einer das Glück einfangen will, das er zehn Zahre lang umsonst vor seiner Schwelle war ten ließ, da muß er große -Schritte machen — es könne im letzten Augenblick davongeslogen sein. Die Christglocken aber tönen verheißungsvoll durch das Schneegestöber, sie geben ibm das Geleit, und ihr Nuf klingt dem sehnsuchtsvollen Manne deutlich wie: „Nächstes Jahr — nicht mehr allein I" H A Aas Ursksftehsn kn der Christnacht. Eine Weihnachtsgeschichte von Peter Rosegger. An einem Dezemberabend kam der Bettelmann zu uns ins Waldbauernhaus. Er war noch nicht betagt, war nicht mühselig, aber er bettelte. Er stehe sich beim Betteln besser, meinte er, als beim Arbeiten. Erstens sei im Win ter bei den Bauern schwer eine Arbeit zu bekommen, zweitens sei das Holzhacken im Schnee weniger angenehm als das Sitzen in der warmen Stube als „Statthalter lM« II ililllt.'« WWI'IIIII.H!U ä.i l »H. .. IFA Gottes". Damit spielte der Schalk aus den Pfarrer an, de»" gerne predige über den Tert, daß der Herr Zesus heut^ noch auf Erden wandle, und zwar in Gestalt der Armen» und daß, was man den Armen tue, ihm selbst getan sei. Diese schöne Lehre Ler Barmherzigkeit verstand de» Bremer-Sepp — wie er hieß — nicht übel auszunutzcn und so saß er in den Bauernstuben herum, einmal am Herdts einmal am Tische, dann wieder neben dem Strohschaub den er als Bett erhielt unter dem Ofen. Freimütig ge sagt, waren aber die Bauern in unserem Alpel immer noch nicht evangelisch genug gesinnt, um eine solche Statt halterschaft recht zu schätzen, sie duldeten den Faulenzer aus einein anderen Grund. Etliche Wochen früher war der Breiner als Verabschiedeter vom Militär zurückgekommen. Seine Verwandten waren während seiner Abwesenheit ge storben, er sand kein Heim mehr, nachdem er zwölf Jahre Lang bei den Soldaten gewesen. Aber er wußte sonderlet Merkwürdigkeiten zu erzählen von der weiten Welt aus seinem Leben als Tambour, er kannte auch viel wun- same Geschichten, Märchen und hatte allerhand Schnurren und Schwänke in sich, mit denen er die Leute an den lange» Menden gar köstlich unterhielt. Dem Hausvater war stet» daran gelegen, daß die Knechte und Mägde beim Späno- klieben, Nübenabkräuteln, Krautschaben und Flachsspinnt»- nicht allzusrüh schläferig wurden und dann etwa von der alten Gewohnheit, um neun Uhr ins Bett zu gehen, Ge brauch machten. Der Bremer packte seine „Faren" aus, sie- bcwunderten, sie lachten, sie schauderten und blieben ost bis gegen Mitternacht bei der Arbeit. So hat sich der „Statthalter" erklecklich ausgezahlt und wir, die jüngeren, hatten an dem vielerfahrenen Mand rinen lustigen Lehrmeister, dem besonders ich elwclches z» verdanken habe; manche meiner Geschichten, die erst ia svätcn Jahren reif geworden, hat damals der Bremer gesät. Wenn der Bettelmann Gefahr witterte, daß er am nächste» Tage mit seinem Tragkorbe höflich weitergeschickt werde» kör nte zum Nachbar, so Hub er am Abende zuvor ein« gar wunderbare Begebenheit an zu erzählen und verschob die Fortsetzung aus den nächsten Abend. Zn alten Zeiten hat diesen Spaß schon die berühmte Scheherezade erprobt, heute wiederholen ihn die Zeitungen, er bewährt sich immer und den Bremer haben sie nirgends fortgeschickt, bevor er «ine merkwürdige Geschichte zu Ende erzählt. So war der Bremer Sepp also auch bei uns «in- getreten mit der artigen Bitte, er möchte seine verfrorene» Beine gerne ein wenig wärmen an dem Herdseuer. Mei,»» Mutter riet ihm Vas Schnecschauseln, das macht auch warm. „O, meine liebe Waldbäuerin!" rief der Bremer „ „warm macht's freilich, aber Helsen tuts nichts; schaden tut».. Die sündteuren Schaufeln wetzt man dabei ab und mor-- gen schneit es doch wieder alles zu. Und wenns nicht zu- schneit, so ists noch schlimmer bei der unsicheren Zeit, w» Wortse-ung f-l-U' -z war zu jung, nm den Spuren dieses Gefühls nachzugthend und vor allem befand er sich in bebender Erwartung dessen, was ihm die Tante diktieren würde. Sie sprach: „Beginne also .. . Lieb« Nenas Ji» meinem Namen schreibt Dir Dein Bruder Max diesen Vries. Der heutige Tag hat mir eine Stunde gebracht» in der ich zu der Erkenntnis gekommen bin, daß ich kein! Recht habe. Dich mit jenem Schwur, den Du mir aw OskarS Grab geleistet hast, an mein freudloses Alter zw binden. Ich gebe Dich srei. Und frei magst Du dem Zug» Deines Herzens folgen. Das ist der ausdrückliche Will» Deiner Dich liebenden Tante —* — Die Minde, die bisher mitten im Zimmer gestände»: hatte, näherte sich dem Schrcibpult. »Bist du fertig?" > »Ja, Tante." „So komm' und führe mir die Hand. Ich will meinet»; Namen unter den Bries setzen." - Der Knabe reichte der Greisin die Jeder, und mi^ seiner Hilfe schrieb die unglückliche Blinde, die jahrelang: keinen Buchstaben mehr zu Papier gebracht hatte, i» Schriftzügen, die trotz ihrer tastenden Zittrigkeit noch a» r den stolzen, kräftige» Schwung ihrer-sehenden glücklich«-^ Jugend erinnerten, ihren Namen unter di« Worte de-; Reffen. ' Jetzt konnte sich der Schüler nicht mehr hakten. Jr» ^ einem Jubel, der zur Hälfte Schluchzen war, brach er ausr c „Du gute, gute Tantel Oh, ich kann gar nicht sagen, wt« L gut du bistl Und wie unsere Rena glücklich sein wird» wenn sie den Brief bekommt —" „Glücklich — ja, ich wünsche eS!" unterbrach -s« Blinde den jauchzenden Knaben. Ihre Worte tönten wie aus einer fernen, fremden Höhe gesprochen. Ein be drückend geheimnisvoller, weltentrückter Klang war darin» Di« Blinde stand dem Keinen Neffen so nahe, und doetz auch wieder gleichsam von ihm getrennt durch dunkle^ dmchdrtugliche Schatten. . . , . I Die cmporstürmende» Schritte auf den Steinswscn l hielten inne. Zögernd kam der Schüler zurück. Sein -OirUvk» I keuchender Atem flog voraus. Noch ehe der Knabe ganz Sloman vou Alfred Sassen. I hinnntergestiegen war, fragte er in scheuem Unglauben; n, vc^n.k ! '^Tie BUnve'g^bot: „Geh hinunter in die Wohnstube. »Ich schrrze nicht! Du wirst sa sehen! Er packte mit i Warte dort auf mich. Ich habe etngesehcn, du bist kein feinen „tterndcn Knabenhanden den Ann der alten Frau, l nrnd mehr. Ich muß mit dir sprechen wie mit einem Er- -Tante, willst du gut mit Nena sei!«? Willst du ihr daS t wachsencn. Laß mich mit mir zu Nate gehen, wie alles ^^.^^üebcn, das sie so unglücklich macht?" I werden soll. Ich komme dann hinunter und bringe dir Die Blinde befreite ihren Ann. Ihre Stimme grollte: l mein« Antwort." »Die darfst du dich so gegen mich betragen? Komm .Ich — danke dir — Tante —" s -u dir!" . _ ,... .... . ! Die Blinde ging in ihr Zimmer zurück und verrleackt« „Tante, wirst du tim, mn waS ich dich bitte?!" fragte l die Tür hinter sich. Z »er Knabe noch beschwörender — wie ein Schrei voll urr- I Der Schüler stieg langsam treppab. H sSglicher Seclenqual klang die Frage. I Wie in halbem Traum ging er. Uber sein Gesicht, »Nein! ! daS in der fürchterlichen Spannung vorhin hart und eckig „Dann tu ichs! Ich in Sl Ich kann nicht anders! I geworden war, lagerte sich ein weicher Glanz hin. DaS Ich stürze mich von unserem Tmm hinunter! Wenn eS Leben war ihm geschenkt — er fühlte eS — ach, und das gefchehen ist, Tante, dann wird dein hartes Herz —" er I Leben ist so schöil, wenn man jung ist und daS Her- voll konnte nicht aussprcchen, ein trockenes Aufschluchzen der j blühender, glühender Wünsche ball Verzweiflung erstickte seine Stimme. I Er eilte zur Tür. Lon dort aus würgte er noch her- I Fünfzehntes Napttek. i Barr „Grüße mir Nena — fage ihr, daß ich- tat, weil ich I Lange mußte Ma; Bodenbach in der großen, stillen s p« über alles lieb habe —" . I Wohnstube warten. Nun war der arme Junge am Ende mit seiner Selbst- l Der Abend war herelngebrochen, als die Blind« eud- » Beherrschung. Er riß die Tür auf und stürzte hinaus. I sich herunterkam. Einen Augenblick stand die Blinde regungslos. Aber I Sie fragte: „Wir sind doch allein?" - I« ihrem sonst so starren, weißen Gesicht spiegelte sich der I »Ja, Tante," gab der Schüler zur Antwort. ' kurchibare Kampf wider, den der davonstürzende Knabe I »Gut, dann setze dich an das Schreibpult. ES ist mit seiner Todesdrohung in ihrer Seele aufgewühlt hatte. I wahrscheinlich, daß Rena mehrere Tage wegbleibt. Sie Wie ein Riß ging es durch die marmornen Züge. Wenn l soll aber von dem sie betreffenden Entschluß, den ich ge- die großen Augen darin auch tot waren — erschütternderen ! faßt habe, möglichst bald in Kenntnis gesetzt werden. Ausdruck, gemischt aus Zorn, Schmerz und Entsetzen, I Darum wirst du ibr in meinem Ramen schreiben und de» «achte selten ein Menschenantkitz gezeigt haben. I Bries gleich zur Post besorgen." Jetzt taumelte die große Frau zu der osfengebNebenen I Der Schüler nahm gehorsam den angewiesenen Platz Tür, fiel über di« Schwelle, raffte sich wieder auf, suchte I ein, legte sich einen Briefbogen zurecht und griff nach de« «inen Halt an der Wand und rief währenddessen zu der I Feder. Dunkel empfand er, daß im Wesen der Tante» Turm treppe hiur »Ma^ kam» zurück — ich hab« dir etwa» I namentlich im Ton ihrer Stimme, etwa» gan» «nßer- DU sage» —1« - —— - » « t gewöhnliche- war. ein« große, kalt« Feierlichkeit, ad« « I . _ . - - — - —