Volltext Seite (XML)
Hohenstein-Ernstthaler Zeitung, Nachrichten und Neueste Nachrichten <A««er«l»«zetger für Hohenstein-Ernstthal mit Hüttengrund, Oberlungwitz, Gersdorf, Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen des Amtsgerichts, Finanzamts wU Hermsdorf, Bernsdorf, Rüsdorf. Langenberg, Meinsdorf, Falken, Langenchursdorf, des StadtratS zu Hohenstein-Ernstthal, sowie der Behörden der umliegenden Ortschaft—. Reichenbach, Callenberg, Grumbach, Tirschheim, Kuhschnappel, St. Egidien, Wüstenbrand, Druck und Verlag von Dr. Alban Frisch. Grüna, Mittelbach, Ursprung, Kirchberg, Erlbach, Piecha und Rüßdorf. Verantwortlich für die Schriftleitung Dr. Erich Frisch, für die Anzeige« Ott» K»4 F«k«a*»r<i»monatl ILE.-M einschl. D.ugt loh» hgtt >1 A«k«tU»xp»»i*: D!« Kgrspalr Grundzel!« 750.—, durch dir Post monatl isovo.- M e«nichl. BeftrÜ^ib. «VMttimUI, vkh 4 ()«!» dl« ReNkM<jeI!« 3000-, «vchwe^gedühr L0) — M. tö Hl. 153 I Poincaree lenkt ein. * Ganz kaum Poincaree dis Forderungen Englands, die vom Kabinett wie der Presstz immer energischer erhoben werden, nicht ignorieren. Er willfahrt dem Wunsch des englischen Kabinetts und übersendet eine eingehende Beantwortung des englischen Fragebogens, die nach dem „Echo de Paris" 40 Seiten umfaßt. Vollkommen ist damit allerdings der Wunsch der englischen Negierung noch nicht erfüllt, die aus kurze Fragen kurze Antworten erbeten hatte. Aber aus dieser Grundlage werden sich nunmehr die Verhandlungen mit England und Frankreich! fortsatzen lassen. Ueber die Mitteilungen Poincarees an das englische Kabinett weiß der „Matin" zu berichten, daß zunächst eine eingehende Erörterung des Begriffes passiver Widerstand gegeben werde. Sodann führt Poincaree aus, daß die Räumung des Ruhrgebiets nur gegen Bezahlung der Reparationen erfol gen soll. Ueber die Höhe der ^Reparationsleistungen habe das französische Gelbbuch ausgiebige Mitteilungen gemacht. Das Londoner Zahlungsabkommen solle in Kraft blei ben, aber die Schuldverschreibungen der Kategorie L könnten zur Deckung der interalliierten Schulden verwen - det werden. Nunmehr hänge es nur von England ab, diesen Weg einzuschlagen. Schriftliche Mitteilungen darüber, wie sich Frankreich die Bezahlung der Reparationen durch Deutschland verstelle, wie die Finanzkontrolle über Deutsch land aus geführt werden solle, wie die von Frankreich in Besitz genommenen Pfänder weiter ausgebeutet wer den sollen, lehnt Poincaree ab. Alle Mitteilungen, die der „Observer" und die „Daily Mail" über die Absichten der englischen Regierung verlaut bart hatten, werden in etwas vorsichtiger, aber nicht miß- ,zuverstehender Weise durch die Reuteragentur bestätigt, die Momag abend zwei wichtige Erklärungen veröffentlicht. Die erste sagt, in aMorifkrten Kreisen werde erklärt, es sei verfrüht, von einer Separataktion der eng lischen Regierung zu sprechen, mit anderen Wor ten, ein« solche Aktion sei zwar in Aussicht genommen, aber vorläufig der Zeitpunkt hierfür noch nicht gekommen. IN der zweiten Note heißt es : England habe von Frank reich ein« schriftliche Antwort zwar nicht gefordert, aber eine solche gewünscht. Der Unterschied ist natürlich bedeu tungslos, zumal die Reuternote hinzufügt, es sei diplo matischer Brauch, aus schriftlich« Anfragen mit genau um schriebenem Sinne schriftliche Antwort zu erteilen. Die Stimmung in London. Da der Montag keine neue Wendung in der eng - lisch-sranzösischen Aussprache über das Neparationsproblem gebracht hat, ist die p 0 litische Spannung, die in London herrscht, durch die neu« Verzögerung-der französi schen Antwort erheblich erhöht. Daß die englische Regie rung in den nächster» 48 Stunden in die Notwendigkeit verseht werden könnte, weitreichende politische Entschei dungen zu treffen, geht wieder aus den Aeußerungen fast aller Blätter hervor. Charakteristisch für die Stimmung in weiten Kreisen der Geschäftswelt und des Bürgertums sind di« Aeußerungen der „Daily News", die schreiben: Wir hören mit großer Anteilnahme die erschütternden! Darstel lungen über die Zerstörung gewisser französischer Gebiete, aber die Arbeitslosen in u.n seren Straßen sind für die Engländer ein ebenso tragischer Anblick, wie für die Franzosen ihre zerstörten Felder. Für England ist es nicht ohne Folgen, wenn Europa von dauernden Wir ren zerrissen wird, die seine Hilfsquellen erschöpfen, sein« Märkte zerstören und seine Industrie zu völligem Still - stand bringen. Der diplomatisch« Berichterstatter des „Daily Tele graph" vermutet, daß der französische Botschafter bereits im Besitze der Antwort Poincarees sei, aber diese Ant wort nicht eher bekanntgebe, als bis sein belgischer Kol- lege in der Lage sein werde, sich ihm anzufchließen. Man werde wohl bis Dienstag auf die französische Antwort zu warten haben. Wenn auch die britische Negierung noch in keiner Form «ine eventuell unabhängige Aktion beschlossen habe, müßten sich jedoch die britischen Minister zweifellos bereits die Alternativen überlegt haben, die in Betracht kämen, wenn ein Zusammenarbeiten aller Alli, irrten nicht möglich sei. Diese Möglichkeiten bestünden in der Errichtung einer intern atho na l en Kom mission zur Festsetzung der deutschen Zahlungsfähigkeit, Ler Großbritannien und alle Alliierten, die sich anschliehen wollen, sowie auch Deutschland angehören sollten. Viel leicht werde auch der Internationale Gerichtshof ringe - laden, gewisse Bestimmungen des Versailler Vertrages autoritativ auszulegen. Ein Leitartikel der „Times" spricht von der Mög lichkeit einer baldigen Zusammenkunft zwischen Baldwin und Poincaree. Die Ruhraktion habe die Wir kung gehabt, Deutschlands Zahlungsfähigkeit ernstlich zu vermindern. Deutschlands letztes Angebot enthalte wenig stens ein« feste Summe. Durch die Ruhroperation sei Europa von fortschreitender Lähmung ergriffen. Es sei von Frankreich politisch unklug, einen Schuldner zu verelenden. „Daily News" schreibt, daß. England jetzt seit drei Wochen aus die französische Antwort warte. Es würde Frank reich keinen Dienst erweisen, wenn man verschweigen wollte, daß die Geduld Englands auch- ihre Grenzen habe. Das Blatt „Star" schreibt, die Meinungsverschiedenheiten zwischen England und Frankreich in der Ruhrfrage könnten nicht länger verheimlicht werden und die öffentliche Mei nung würde in dieser Beziehung einen Druck auf die Negierung ausüben, die sich dessen voll bewußt sei. „Pall Mall Ekzette" sagt, Baldwin und Lord Curzon würden in dieser Woche «inen letzten Versuch unternehmen, Frankreich und Deutschland zu einer Verhandlungsbasis zu verhelfen. Ministerrat in Paris. Dar für Dienstag angesetzte französische Mini st e r- rat unter dem Vorsitze des Präsidenten Miller a n d wird — so schreibt „Echo de Paris" von großer Be deutung sein. Poincaree wird «ine vollständige Darstel lung der Instruktionen geben, die an den französischen Botschafter in London gerichtet worden sind und die nicht weniger als 40 Seiten Umfassen. Nach Aeußerungen zahl reicher Abgeordneter in den Wandelgängen der Kammer werde die Regierung weiterhin für ihre Haltung in der Nuhrfrag« die Mehrheit der Kammer finden. Man wünsche zwar eine Einigung mit England, ab«r nicht zu einem Preis, der einer vollkommenen Niederlage gleichkommen würde. Die Meldung des Neuterbürös, daß die englische Regierung über ihre Politik im Falle einer Nichtverständigung mit Frankreich noch nicht entschieden habe, hat den peinlichen Eindruck der englischen Presse - autslassungen, besonders des „Obseroett-Artikels, nicht zer stört. Die französische Verstimmung wird noch gesteigert durch den vergeblichen Versuch des französischen Botschaf ters in London, Zutritt zu Lord Curzon zu erhalten. Das schatte Anziehen des englischen Psundes und die Besserung der Mark Huben den Eindruck von einer neuen um- fassenden Offensive gegen die französisch« Nepa- rationspolitik noch verstärkt. Frankreich will die Ruhrbevölkerung mürbe machen. Di« über die Städte Duisburg, Mülheim, Oberhausen und Hamborn verhängte Sperre für Autos, Straßenbahnen und Fuhrwerke macht sich ganz außerordentlich drückend bemerkbar. Endlose Scharen müder Wanderer ziehen die staubigen Straßen entlang, einige schief pen einen Sack Kartoffeln, andere einen Sack Kohlen, andere schleppen Körbe voll Lebensmitteln, andere mühen sich mit Maschinenteilen ab, unter deren Last sie fast zusammenbre chen. Müde Kinder weinen. Es ist ein Zug des Jammers. So müssen viele ihre Lasten schweißgebadet drei bis fünf Stun-den schleppen. Welche gesundheitliche Schäden sie dabei erleiden, wird erst die Nächste Zeit leh ren. Zahlreiche Personen,, die am Sonnabendabend von der Vettehrssperre In Duisburg nichts erfahren hatten und nicht rechtzeitig den Heimweg antreten konnten, kletterten ein fach, UM' sich nicht der Gefahr des Erschossenwerdens aus zusetzen, bei fkemden Leuten über die Zämie und baten für di« Nacht um Obdach, das bereitwilligft gewährt wurde. Auf den Stubendielen und Speichern übernachteten manch - mal bis zehn Mann in einem Hause, um am frühest Morgen ihre mühselige Wanderung fortzusetzen. Wie Attentate entstehen. Eine Korrespondenz aus dem Rheinland berichtet heute: Ein im Polizeigewahrsam deutscher Behörden be - sindlicher Duisburger Arbeiterhat ei n g e - standen, und zwar unter genauer Angabe von Ort und Zeit, daß. er mit b e l g i s ch e n Ge h e i m Poli zisten zusammengekommen sei, die ihn Md einig« andere Duisburger benutzen wollten, um gegen das D Ui s- burger Rasthaus und Theater Bomben- attentatezu unternehm«». Im, Zusammenhang mit der aufsallenden Tatsache, daß die sranzösischen und belgische« Behörden von den Sabotageakten vielfach vor ihrer Durch führung Bescheid wissen und bevor die derttschen Behör den an Ort und Stelle verständigt sind, scheint die Ver» mÄung begründet, daß neben vereinzelten- von Hitzköpfen wirklich unternommenen BombenatteMaten in groß« Zahl von den Franzosen und Belgiern selber zu pokiti- scheu Zwecken inszeniert werden. Der Papst gegen die Sabotageakte. Der Papst, durch den am 30. IMi bei Duisburg vollführtcn Anschlag tief berübt, ließ durch Kardinal Gaspari folgende Depesche an den Nuntius in Berlin richten: Während der Heilige Vater mit seinem Schreiben die Mächte zu einer friedlichen Verständigung zU bewegen bestrebt war und alles zu vermeiden anriet, was ein« solch« Verständigung verhindern könnte, bedauert er lief, von Sabotageakten im besetzten Gebiet Md von anderen unter dem Vorwand des passiven Wider- standes begangenen Verbrechen zu vernehmen. D«r Papst beauftragt Sie, entschieden dahin zu wirken, daß die deutsch« Negierung ein für allemal solchen verbrecherischen Wider» stand verurteile, der vom Heiligen Vater selbst verurteilt wird. Der passive Widerstand ungebrochen. Die Arbeitgeberverbände sowie die Gewerkschaften aller Richtungen in Dortmund erheben in einer gem«in- samcn Resolrition nachdrücklichst Protest gegen die Ab- sperrung der beschien Gebiete, die «inen uiuzeheurm Eingriff in die Wirtschaft darstellt. Die Strafmaßnahmen sind, so erklärt die Resolution, um so ungerechtfertigter, als der Anlaß, des Unglücks bei Duisburg in keiner Weise aufgeklärt ist Md selbst nach französischen Meldungen kern Beweis dafür erbracht ist, daß es durch Deutsche verschuldet ist. Es kommt hinzu, daß die gesamte Be- vöVerMg es ablehnt, den passiven Widerstand mit Ge walttaten zu führen. Die Resolution erwähnt auch di« durch die Erschwerung des Verkehrs bedingt« Verschlechte rung der ohnehin unzureichenden Lebensmittelversorgung und erklärt, der Wille zur passiven Abwehr des französisch-belgischen Einbruchs werde auch durch di« neuesten Maßnahmen nicht gebrochen werden. Noch immer Prozeh Fechenbach. Vor völlig uninteressiertem schwach-besetzten Haus« schleppt sich im Reichstage die Aussprache über de» F echeub achp r 0 z e ß, mühsam weiter. Dieses Schau spiel ist unerfreulich in höchstem Maße. In endlosen Reden schlägt man die l 0 stbare Zeit t 0 t. An unsere Sorgen an Rhein Md Ruhr denkt scheinbar nie- mand. Dieser innerpolitische Agitationsstoff dünkt der Lin ken zu wertvoll, als daß sie auf ihn zugunsten höherer Gesichtspunkte verzichten zu können glaubt. H«rr Bell, der Mitunterzeichner des Versailler Vertrages, regt sich ganz un nötig auf. Di« bayerische Regierung hat ja bereits zuge- sagt, den ganzen Fall erneut zu überprüfen. Warum also diese politische Amokläuferei? Bei der Rede des deutsch, nationalen Abgeordneten Strathmann begehrt die Linke mächtig aus. ' i Inzwischen geht in der Wandelhalle das Gerücht um, daß der Reichstag beabsichtig«, sich Ende dieser Woche einst weilen zu vertagen, um dann eventuell erneut im Artist zusammenzutreten. Der Aeltestenrat wird sich noch im Lause des Dienstags mit dieser Frage befassen und «inen endgültigen Beschluß! bekanntgeben. Aus dem weiteren Verlauf der Aussprache verdient heworgehoben zu werden eine kurze N«de des deutsch-volks- parteilichen Abgeordneten Dr. Kahl, der daraus hinwies, daß das Urteil wegen seiner Schärfe in der Tat zu leb- haften Bedenken Veranlassung gegeben habe. Mn einem Fehlspvuch oder einem Nechtsbruch aber dürfe nicht ohn« weiteres gesprochen werden. Da die Volksgerichte Aus nahmegerichte seien, so wäre mit ihrer Beseitigung zst rechnen. Im übrigen warnte Dr. Kahl davor, die Ange- legenheit lediglich ins Gebiet der Politik hinüberzuspielen. Reichsjustizminister Dr. Heinze legt noch einmal de» Standpunkt dar, wie er ihn am Tage vorher bekundet hatte und bemühte sich, das Verhalten Bayerns zu recht- fettigen. Zum Schluss« empfahl Dr. Heinz« die Annahme