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2 "2 Zs Sie beiden ineinander. „Nun, was ist mit ihm?" fragte Lotte begierig. „Der wird es Wohl werden." „Aber Minna'." „Wenn ich Ihnen jage, Fräulein, der wird es; passen auf, daß ich recht habe." Beide schwiegen, da die gnädige Frau kam und zur '"'LS rr .« « «s;-- ZsffZ LS ZK ^^2 -LÄZK . Eile antrieb. Dann nahm sie Lotte mit ins Eßzimmer, wo gedeckt werden sollte. Während sie den Tisch deckle, dachte sie noch immer daran. Es siel ihr ein, daß die Tante schon Tausende ge opfert hatte, um die Ausbildung des jungen Malers zu ermöglichen, daß sie ihm die Mittel gegeben, mit denen er feine Kunstreisen zur Vollendung der Studien machen konnte, und unwillkürlich dachte sie jetzt, daß die Tante bei alledem auch eine Absicht gehabt haben konnte; sie war Witwe, war reich, und lebensfroh war sie auch noch, und er war jetzt ein berühmter Mann. Also unmöglich war es ja nicht, daß diese Freundschaft mit einer Heirat enden konnte, wie die alte Minna so genau wissen wollte. Eine Stunde später kam Karl Walter an. Frau Melanie begrüßte ihn wie einen alten Freund und führte ihn stolz durch die Blumen und Laubgewinde. „Aber meine verehrte, gnädige Frau," sagte er, „Sie bereiten mir ja einen Empfang, als sei ich ein Fürst." „Ja," antwortete sie lächelnd, „wir wissen, was wir einem so berühmten Künstler schuldig sind." Mit herzlicher Freude dankte er für alles. Dann be grüßte er die alte Minna und den Johann, und schließlich stand er vor Lotte. „Fräulein Lotte Bergemann," stellte Frau Melanie sor, .„meine Nichte, eine Waise, der ich die Heimat er« setzen will.- ' Kur ein Blick. Ein Herbstbild von Paul Blitz. , (Nachdruck verboten.) Frau Melanie saß auf der Veranda und sah mit leiser Wehmut dem Tanz der Blätter zu; die Stickerei war ihr in den Schoß gefallen, und nun blickte Frau Melanie nachdenklich in die blaue Herbstlust und baute Luftschlösser. „Tantchen! Tantchen," klang es da vom Park her. Frau Melanie fuhr aus ihren Träumen auf. „Na, was gibt's denn wieder?" fragte sie mit leichtem Unwillen über die Störung. Lächelnd und mit erhobenen Händen trat Lotte, die Nichte der Witwe, näher. „Ja, weißt du denn, was ich habe? Ein Telegramm!" „Ach, gewiß von Karl!" rief Frau Melanie und griff danach. Mit einem Male war sie wie umgewandelt; er regt, voll herzlicher Freude, und zitternd riß sie das Papier auf und überflog die paar Zeilen. „Er kommt! In einer Stunde kommt er schon!" jubelte sie vor Aufregung, so daß Lotte sie erstaunt ansah. Nun begann ein neues Leben. Das Gastzimnrer wurde in Ordnung gebracht; es wurde gebacken und gebraten; die besten Weine wurden heraufgeholt, und was man an Blumen und Grün noch fand, wurde abgeschnitten und zu Girlanden gewunden. Mit Aufmerksamkeit übersah Frau Melanie alles, bald war sie hier, bald dort und hatte für alles einen offenen Blick, um den Empfang des Gastes so festlich als möglich zu lestalten. Lotte sah ihr schweigend zu. So hate sie die Tante ja noch nie gesehen. Sie fand keine Erklärung dafür. Endlich aber fing Minna, die alte Magd, an zu sprechen; auch sie hatte sich im stillen über die Erregtheit der gnädigen Frau gewundert. „Fräulein Lotte," begann sie, „ich glaube — aber nein, fast möchte ich es gar nicht sagen." „Na, was denn, Minna?" fragte Lotte, indem sie emsig an dem grünen Kranz wickelte. „Ich glaube, Fräulein Lotte, unsere gnädige Fran wird noch einmal heiraten." Lotte sah erstaunt auf. ' „Ja, ich glaube es, Fräulein," sagte die alte Dienerin; „und der alte Johann hat es auch gemeint." „Aber wie kommen Sie nur darauf, Minna?" „Du lieber Gott! Ich bin nun schon zwölf Jahre hier im Hause, und da weiß man nachgerade — nämlich der Herr Karl Walter, der jetzt kommen soll —" Sie zögerte. d s- URZAIZ Lotte knickste; als er ihr die Hatch gab und sie ans ah, fühlte sie, daß sie rot wurde. Als sie später bei Tisch saßen, war Lottes Platz dem Gast gegenüber. Die Tante saß neben ihm. Er sprach viel von seinen Reisen und Abenteuern, erklärte seine neuen Pläne über Bilder und Ausstellungen und war bei bester Laune; aber wenn er fast immer nur zur Tante gewendet sprach, Lotte merkte doch, daß er in jedem freien Augen blick den Blick auf sie wandte. Nach dem Essen sprach er sodann zum erstenmal aus schließlich mit ihr. Die Tante war ein paar Minuten ab gerufen, und so waren sie beide allein. Er sprach von gleichgültigen Dingen; aber unausgesetzt sah er sie dabei an und so tief und prüfend, als wolle er im Grunde ihrer Seele lesen. Zuerst war sie befangen und verlegen; schließlich aber wurde sie tapfer und antwortete frei und offen mit Scherz und Humor, und endlich hielt sie auch seinen Blick aus, und nach fünf Minuten fühlten beide, daß sie gute Freunde werden würden. Und so kam's auch. Nach acht Tagen waren sie bereits so bekannt, als seien sie die ältesten Freunde. Er begleitete sie auf ihren Spaziergängen, dann wieder führte er sie in sein Atelier, das Frau Melanie ihm eingerichtet hatte; dort erklärte er ihr die Ideen zu seinen Bildern, »der er sprach mit ihr über andere Kunstwerke der Neuzeit. Frau Melanie merkte bald, daß Karl sich für den jungen Blondkopf interessierte. Dabei aber fand sie nichts, das ihr gefährlich schien; denn seine größte Aufmerksam keit galt doch nur ihr — sie war die erste, zu der er kam, wenn er Rat brauchte; sie war es, die er in allen Dingen als Vertraute wählte; ihr allein galt sein größtes Inter esse; das, was er für die Lotte empfand, war Höflichkeit und Freundschaft, weiter nichts. Damit tröstete sie sich. Und dieser Trost war ihr alles. Denn darüber war sie sich nun längst klar, daß sie diesen Mann liebte und daß sie nur darauf wartete, bis er kommen und sie zur Frau be gehren würde. Das war das Ziel all ihrer Wünsche. Der September ging zu Ende. Das Weinlaub wurde gelb und braunrot; die Nächte waren kühl, und endlich begann die Regenzeit. Frau Melanie gab ihren ersten Ball. Ein Fest zu Ehren des berühmten Malers, ihres lieben Gastes. Glän zendes Leken flutete durch die lichterhellen Räume des Hauses. Eine große Gesellschaft vornehmer Leute war erschienen. Lächelnd machte die Herrin die Runde, ihre Gäste zu grüßen; sie trug eine prachtglänzende Robe, und in dem reichen Schmuck sah sie jugendlich und begehrenswert aus. Ihr Begleiter war natürlich Karl Walter, an dessen Arm sie ging, allenthalben grüßend und scherzend; sie war über glücklich; denn sie fühlte, daß bald die Entscheidung da sein werde. Als sie in den Wintergarten traten, bemerkte der Maler seine Lotte, die hinter einer Palme stand, und als er sah, wie die Kleine ängstlich auf ihn schaute, da nickte er ihr zu — mit einem Blick nur; in diesem einen Blick aber lag so viel Hoffnung und so viele Versprechungen, daß Lotte beruhigt aufatmete und voll inniger Dankbar keit nur stumm nickte. Und diesen einen Blick fing auch Frau Melanie auf. >. Ein Schauer durchrieselte sie. Ahnungslos, verliebt und blind war sie umhergegan gen — dieser eine Blick rief sie voll Schreck ins Leben. Ein Zorn wollte auflodern — aber nein — sofort hatte sie sich gefaßt — zu dem Verlust jetzt nicht auch noch die Blamage — nur das nicht! Lächelnd machte sie ihren Rundgang weiter. Niemand ahnte, was in ihr zerbrochen und gestorben war; ein sieg haftes Lächeln zwang sie aufs Gesicht, bis die Runde ge macht war. Und später dann, als der Maler mit Lotte Arm in Arm zn ihr hintrat, da fügte sie lächelnd die Hände der Jugend zur Jugend. Sie atmete leichter; sie hatte sich selbst besiegt. Viel später erst, als sie ganz allein in der herbstlichen Laube saß, da erst rannen ihr die Hellen Tränen des Ab schieds von dem Glück der Ruaend. . DZ s 6^