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hMüssen patzt — aber wenn ich auch nichts von Ihnen Weitz, ich glaube doch an Sie, an den Adel Ihres Geistes." „Ilse?!* Es rang sich wie ein Schrei von seiner Brust, „waS soll das? Werfen Sie mir nicht einen Feuer-' brand in die Seele, mit dem ich nie gerechnet habe." Er sühlte eS, wie sie zitterte, während sie schweigsam neben ihm weiterglitt, als packte ihn ein übermächtiges Erfühl, sie in seine Arme zu reißen Da lachte er aus einmal grell auf, es Ilang schaurig über die einsame Fläche. "2«, so — das Schicksal erlaubt sich mitunter sonder bar« Scherze, es spielt Fangball mit armen Menschen- Herzen. Bleiben wir einander fern, Fräulein Morbach, zwischen uns liegt ein zweischneidiges Schwert." Sein Ton war plötzlich rauh und unsäglich bitter. Er lief rascher voran, dem Ufer zu, sie hörte sein fchweres Atmen. Sir hielt sich neben ihm, sie sank, als sie das Land »erricht hatte, erschöpft auf die Steine. Er war neben ihr, er bückte sich, um ihr beim Ab- ! schnullen der Schlittschuhe zu Helsen. Ter Mond war hecaufgekommen, sie sah beim Schein desselben sein Ge sicht -- von Leidenschaft, von Qual verzerrt. „Die Menschen haben Ihnen Leides getan, Sie haben schwer gelitten, grollen Sie allen — allen?* sagte sie leis« und beugte sich tief zu ihm herab. „Lassen Sie mich!* Er richtete sich auf und stand jetzt, v»n dem bleichen Licht umflossen, gleich einer Athleten- gestatt der Vorzeit da. Zischend kamen die Worte zwischen seinen zusammengepreßtrn Zähnen hervor. „Mein Lebert ward von früh an dem Haß geweiht, j «H -leibt ewig von einem Schatten verdunkelt, Sie wissen j nicht, wer ich bin * Sie reckt die Hände empor, als »volle sie ihm wehren, wetterzurrdeu. „Liebe ist eine leuchtende Flamme, die »ehrt jeden Schatten auf,* sagte sie laut mit ihrer tönen den Altstimme, die hier geisterhaft hallte Er antwortete nicht, sein mächtiger Körper bebte, wie «rschüttert von einem mächtigen Schlage, — ihr war es, als ob ihr H«rz still stehe, sie sprang von ihrem Sitz empor. „Haben Sie einen Mord auf dem Gewissen?* fragte st« in jäher Eingebung. Er wandte sich zu ihr. Ein weiches Lächeln erschien auf seinem harten Gesicht. „Si« sind Loch noch ein Kind, trotz Ihrer Geistes- stärke," sagt« rr. „Sie wollen Hatz dämpfen mit Liebe — NÄ», ich mißverstehe Sie nicht, Ahnungen knüpfen da zu- samn'.enh'inglose Fäden irr Ihrer Seele.* Er satzte ihre Hemd und studierie ihre Züge mit einem gewissen Jnter- ?fse, „Der Sinn für das Echte, für wahre Grütze ist mir Lübst in meinem Leben noch nicht abhanden gekommen. Aber Sie wissen ja mchts von dem, was mich hierher ge- fSheZ Kat. Glaubet« Ste denn, Liebe könne auch das Ktünzüchrn, das eine Mordtat dem Täter anheftet, aus- Kfcheu? Sehen Ste diese Sehnen und Muskeln* — er wcktr seine Arme — „die sind von Stahl. Unter Ent- -«hrungen, unter Hunger und Not und harter Arbeit sind ste so geworden und haben in manchem Kampf ums Leben ihren Eegirer niedergeschlagen. Schrecken Sie nur vor «fr zurück, ich bin ein schlimmer Geselle Was soll mir dies« Weichheit, was versuchen Sie, an meiner harten Verle zu rühren mit süßen Tönen von Liebe und Lust — Bi« — gerade Sie — lassen Sie mich — ich sagte Ihnen schon einmal - unsere Bahnen gehen wett ausri ander." < Gio stand schweigend und schauerte tn sich zusammen. Er legte seine Hand auf ihre Schulter. „Es weht eisig, und Sie sind warm, Sie müssen nach -ausr. Ich will Sie nicht geleiten, Sie gehen besser allein.* Sie gab sich einen Ruck, sie warf den Kops zurück und hotte tief Atem. „Ja -- dunkle Ahnungen drängen mich zu Ihnen — und trotz all Ihrer Abwehr weiß ich, datz wir uns Wieder sehen* Sie grüßte ihn kurz und ging rasch in den grauen Nebel hinein. Er stand lange wie angewurzelt und blickte ihr nach. Sie — ste — was sollten ihm diese Gefühle —was rüttelten ste an dem, was ihn stark gemacht, was ihn emporgetragen, «n vorwärts gestoßen hatte durch all dies» Jahre des Nampse-, an seinem Hatz. Liebel Er konnte sie nicht brauchen, im Kamps um- Dasein hatte er nur den Spruch gelernt: Wie du mir, so ich dir. Ilse beschleunigte ihre Schritte, He lief beinahe. Ihre Zähne schlugen klappernd aneinander. Was war über ste gekommen? War sie eigentlich wahnsinnig? Ihr Tun war das einer Wahnsinnigen. - Sie keuchte, als sie endlich vor der elterlichen Woh nung angelangt war, sie huschte die Treppe hinaus und schlich über den Korridor, als ob sie fürchte, gesehen zu werden. Sie — die Stolze, Furchtlose. Im Wohnzimmer der Mama hörte sie Stimmen, die Tür wurde geöffnet. „Bist du es, Ilse?" Die Mama erkannte sie und ries sie an. Sie konnte nicht ausweichen. „Da bist du endlich — mein Gott, es ist sinkende Nacht, wir haben uns surchibar geängstigt. Grete Dierksen war hier, um nach dir zu fragen, du warst verschwunden ge- wesen auf dem Eise, man wußte nicht, wo du geblieben." Ilse preßte die Hand auf das Herz, das so ungestüm schlug. Sie nahm ihre Kraft zusammen. Ihre Stimme klang ruhig und gleichmütig. „Welch ein Unsinn, ich bin doch kein Baby, das sich verläuft. Ich isolierte mich, weil ich das Geschwätze nicht mehr aushalten konnte." „Ilse! Wie siehst du aus? Ist dir etwas passiert?" Frau Geheimrat blickte äußerst besorgt in ihrer Tochter Gesicht. Ihre mütterliche Autorität hatte sie längst eingebüßt, Ilse ging ihre eigenen Wege. Bisher gottlob noch solche, die nicht geradezu mit der Mutter Wünschen disharmonierten, wenn sie auch oft bedenklich schienen. Ilse stand auf der Höhe ihrer Erfolge — sie, die Mutter, war einst auch gefeiert und umworben worden, aber nie in dem Maße wie Ilse. Sir hatte auch Herzen gebrochen und Körbe auSgeteilt, aber so wie Ilse die Männer behandelte, das war oft unerhört. Ilse durste sich alles erlauben, sie hatte sich eine Ausnahmestellung erobert, aber — jedes Ding hat seine Grenzen. Ilse hatte jetzt die dreißig überschritten, was begehrte sie denn eigentlich? Frau Geheimrat packte heute abend eine unbestimmte Furcht. Sie erschrak vor diesen unheimlich leuchtenden Angen ihres Kindes. Ilses Züge wurden jetzt schlaff. „Ich bin freilich müde jetzt, bitte, schick mir heißen Tee auf mein Zimmer."- „Du hast dich natürlich erkältet." „Das mag sein." „Anna soll dir eine Wärmeflasche machen." „Ist nicht nötig * Sie war schon über den Korridor gegangen und öffnete die Tür ihres Zimmers. Die Geheimrätin stand unschlüssig, sie wagte nicht, ihrer Tochter zu folgen, sie wagte nicht, dringendere Fra- gen an sie zu stellen, sie — die sonst jeden in ihrer Umge bung meisterte. Sie trat langsam in ihr Gemach zurück. Da saß in der Nähe des amerikanischen Ofens, dessen rote Flamme durch das Marienglas leuchtete, ihr Gatte, die Füße in eine Decke gehüllt, fröstelnd im Lehnstuhl. „Ist sie endlich da? Warum kommt sie nicht herein?* fragte er in ängstlichem Tone. „Sie will zu Bett gehen, hat sich, wie anzunehmen war, heftig erkältet," entgegnete seine Frau in übelster Laune. „So rege dich doch nicht darum auf." Der alte Herr wurde immer kurz abgefertigt, er war es gewohnt. Mit einem leisen Stöhnen sank er in seine Polster und in seinen halb träumenden Zustand zurück. Seine Frau nahm ihre Stickerei wieder zur Hand und zog mit rascher zorniger Bewegung ihre Seidenfäden durch den Stoff. Der alte Herr träumte. War dies eigentlich noch Leben? Wie träge, wie müde floß das Blut durch die Adern. Einst — ja einst — man hatte gemeint, in die Sonne fliegen zu können — da waren die Flügel be schnitten worden. Eifl heißer Glücksstrom war gekommen, törichterweise hatte er sich eingebildet, alles, was ihm bis her wertvoll und glänzend erschienen, fahren lassen zu können, für ein stilles, bescheidenes Liebesglück — Maria — (Fortsetzung folgt.)