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I. M Bankkonto: Chemnitzer Bankverein, Chemnitz. Postscheck - Konto: Leipzig 23464. SomerstU Sen 21. SeMer 1922. »." 72. Mrs. MM Muss r» 8«a. .Times" melden aus Washington, von hoher ameri kanischer Seite werde folgende Darlegung der amerikanischen Haltung gegenüber der europäischen Würtschasts- läge gegeben: 1. würde es vollkommen müßig sein, von einer internationalen Anleihe, die Deutschland zu- gmekommen würde und an der amerikanische Kapitalgeber beteiligt sein könnten, zu sprechen, bevor die R e p ara- trons frage endgültig geregelt sei; 2 sei die amerikanische Negierung nicht der Ansicht, daß die Frage der Schulden der alliierten Staaten in Amerika als ein Teil des Neparations - Problems angesehen werden sollte; 3. wünschten die Vereinigten Staaten nicht, und näh men es keineswegs an, daß irgendwo gewünscht werde, -aß du Summe, welche Deutschland zahlen solle, in einer Höhe festgesetzt werde, die zu dein Argwohn Anlaß gebe, daß Deutschland gestattet werden solle, sich seinen ge- rechten Verpflichtungen zu entziehen. Nach dem Korrespondenten kann und will die ameri kanische Regierung Nat erteilen rmd ihren Einfluß zur Geltung bringen, aber unter keinen Umständen werde sie irgend ein« Aktion ergreifen, welche die Uebernahme irgend- > .einer Verantwortung in oder für Europa bedeuten würde. Trotz aller Ableugnungen scheint doch festzustehen, daß der Staatssekretär Hughes dem französischen Botschafter Jusserand mitteilte, daß er hoherfreut wäre, eine inter national« Wirts chaftskonferenz einzuberusen zu können, die in wissenschaftlicher Weise die Zahlungs fähigkeit Deutschlands festlegen sollte. Fest steht weiter, daß die amerikanische Negierung ihre Borschläge be reits in bestimmtere Form gekleidet hat, über die der „Er- change Telegraph" und die „Radio. Agentur" übereinstim mend folgende Mitteilung aus vollkommen autorisierter Quelle zu machen imstande sind: 1. Die Regierung der Vereinigten Staaten habe die Absicht, di« europäischen Mächte einzuiaden, eine letzte Anstrengung zu machen, um einen Plan für die Rege lung der Reparationssrage auszuarbeiten. Die anurikanische Regierung wäre geneigt, an einer offiziellen Kommission teilzunehmen, die genau sestzustellen hätte, bis zu welcher Grenze Deutschland die Nepa- .rationsoerpfkichtungen leisten könne, falls es den Alliier - len gelänge, einen endgültigen Nevarationsplan aufzu - stellen. 2. Wen die europäischen Mächte diesem Plane zu- stmrmten, dann wären die Vereinigten Staaten in der Lage, die Zusicherung zu geben, daß die a merikani- sehen Bankiers geneigt wären, gegen entsprechende Garantien eine Anleihe zu zeichnen. 3 Außerdem wäre die Negierung der Vereinigten Staaten geneigt, eine entgegenkommendere Politik in der Frage der Schulden der Aliierten gegenüber Amerika einzus hlagen. Sie würde vor allem genau die wirtschaftlich« Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Schuldner- üaates in Betracht ziehen. Wennn man sich in Washington eingehend mit der Haltung der Pariser Regierung beschäftigt, so wird man -wepellos seststellen, daß sie zu diesem Projekt durchaus ablehnend ist. Darüber lassen die Pariser Blätter kei nen Zweifel. Der „Petit ParWn" erklärt, daß der ameri kanisch« Standpunkt von dem französischen weit entfernt sei. Einen Vertreter des „Neuyork Herold" wurde erklärt, daß es keine Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich gebe. Was man über die amerikanischen Pläne erfahre, entspringe „nur deutscher Propaganda". Der Gedanke eines neutralen Schiedsspruches entspringe Berliner Anregungen. Frankreich werde diesem niemals zusammen. — Auch über die augenblicklichen Absichten Poincarees will -er „Neußorktr Herald"-Vcrtreter etwas wissen. Poincaree bereite wirtschaftliche Dokumente über das Ruhrge biet vor, weil er hoffe, daß er Bonar Law am 2. Januar für sich gewinnen könne. Inwieweit Frankreich tatsächlich seinen Widerstand gegen die amerikanischen Pläne geltend machen wird, läßt sich in« Augenblick noch nicht erkennen. Die Londoner Presse, die die Stimmen aus Amerika meist nur kom - men'.arlos abdruckt, sympathisiert zweifellos mit Morgans und Hughes' Absichten, die englisch« Regierung hat bis jetzt Schweigen gewahrt. Wenn es nunmehr unwiderleglich feststeht, daß zwi schen Frankreich und Amerika wenigstens eine Fühlung - nahne versucht wurde, so steht es ebenso fest daß Frankreich keinerlei Antwort auf die omeri - konischen Anregungen erteilte. Einem Washingtoner Tele gramm zuholge wartet die amerikanische Regierung eine Antwort auf die offiziösen Anregungen des Staatssekretärs Hughes noch immer ab, Deutschland dagegen erteilte be reits die Antwort, daß es sich einem beabsichtigten Schiedsspruch irr der Reparationssrage fügen würde. O Der Präsident Harding legte auf einer Presse konferenz in Washington dar, daß. sein ganzer Plan darin bestehe, den Alliierten gute Winke für die endgültige Festsetzung der Reparationen zu geben und im Falle Ler Verständigung dann einen S a ch v e rst ä n d i g e n au s - schuß nach Deutschland zu senden, um dessen tatsächliche Zahlungsfähigkeit feststellen zu lassen. Sachverstün-rgenbesprechnngen über die Reparationen. Die Besprechungen der Sachverständigen in der Ne- parotionsfrage nehmen ihren Fortgang und zwar spielen sie sich gruppenweise ab. Im Finanzministerium erfolgen die Beratungen mit den Vertretern der Banken und der Industrie, während im W irisch aftsmimsteriuM die Erörterungen mit den Vertretern von Handwerk und Ge - merkschasten stattfinden. Zu den Besprechungen mit den Vertretern der Gewerkschaften sind die Vertreter der drei großen Gewerkschaftsgruppen geladen worden. Wenn bisher noch nicht alle Vertreter dieser Gruppen gehört werden konnten, so liegt das lediglich daran, daß die Einge- lodenen am Erscheinen verhindert waren. Nach wie vor handelt es sich um Vorbespre chungen. Irgendwelche Pläne in bestimmter Form sind noch nicht gefaßt und es ist, wie bereits betont, auch nicht anzunehmen, daß man noch vor Weihnachten zu be stimmten Beschlüssen gelangen wird. Der Zweck der der zeitigen Besprechung ist die Feststellung der Auffassung der Sachverständigen. Erst wenn darüber volle Klarheit herrscht, wird man bestimmte Beschlüsse fassen können. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß Vorschläge von amerikanischer Seite nach der Rich tung der Einsetzung einer internationalen Ban kier! o mmi s s i o n zur Prüfung der Zahlungsfähigkeit Deutschlands bis >tzt noch nicht an die Reichsregierung gelangt sind. Sollte ein solcher Vorschlag der deutschen Negierung unterbreitet werden, so würde diese zweifellos keine Bedenken dagegen erheben. Ser neue WUiWSMOer an die Bewohner der Städte. Die Reichsregierung hat gemäß. § 50 des Getreide umlagegetreides beschlossen, den Preis des dritten Sechstels der Getreideumlage aus 165 000 Mk. für Roggen mit den entsprechenden Abstufungen für die anderen Eetreidearten festzusetzen und gleichzeitig eine Vor lage einzubringen, wonach der Endtermin für die Ablie- ferung des Umlagegetreides vom 15. Skpril aus den 15. März zurückverlegt wird. Der jetzige freie Marktpreis für Roggen beträgt rund 270 000 Mark und für das erste Umlagedrstlel nur 28 600 Mark. Im Anschluß an dm Beschluß der Reichsregierung stellt uns der Reichsminister für Ernährung und Land - Wirtschaft Dr. Luther, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, ein besseres Verständnis zwischen Stadt und Land nach Kräften zu fördern, einen Artikel zur Verfügung, den wir im Auszuge wiedergeben : Der Erhöhung des Eetreidepreises muß eine E r- höhung des Brotpreises folgen , da das Reich außerstande ist, dm Unterschied aus sich zu nehmen. Die Vrotpreiserhöhung wird indessen nicht annähernd derGe- treideprciserhöhnng entsprechen, sondern der Mehrpreis des Umlagegetreides wird von sich aus unmittelbar nur eine Steigerung auf etwa das Zweidrittrlfache des bisherigen Brotpreises Hervorrufen. Denn do der Brotpreis sehr er heblich vom Preise des bereits beschafften Auslandsge- treides bestimmt wird, so hat die schlimme Valuta-Ent wicklung der letzten Monate bor der Gestaltung des Brot- preists durchaus die Führung. Dazu kommen andere (eben ¬ falls auf der Geldmtwicklung beruhende) Ursachen, wie Frachtsteigerung, Beförderungskosten in den Kommunalver- bänden, Mahlkosten, Vackköstcn usw- Die schwere Be lastung der verbrauchenden Bevölkerung, deren genaues Aus maß danach noch unbekannt ist» durch die Brotpreiser höhung bleibt jedmfalls bestehen. Die Negierung hat tun - lichst Vorsorge getroffen, damit das Einkommen der werk tätigen Bevölkerung, der Beamten, der Sozialrentner usw. auf die für den 15. Januar zu erwartende Brotpreiser - Höhung nach dm dann geltenden Verhältnissen die erforder liche Rücksicht ninimt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß viele Einzelne aus dem Zusammenbruche unserer Mark einen persönlichen Nutzen gezogen haben, der sie als Schädlinge unseres Volkslebens erscheinen läßt. Gegen diese Schar der Schieber und Wucherer mutz und soll mit aller Schärfe des Gesetzes oorgegangcn werden. Aber die Grund linie der ganzen unglücklichen Entwicklung der letzten Monate ist die, daß die auf dem Zusammenbruch der deutschen Währung beruhende Geldentwertung sich aus jedem Lebensgebiet auswirkt. Diese Entwicklung kann auch vor dem Brotgetreide nicht haltmachen. Nun war gewiß die Absicht des Gesetzes, durch das den Landwirten die VerpflickLung zur Ablieferung einer Umlage an Brotgetreide auferlegt ist, die, für die große Masse der Bevölkerung ein Brot zu erträglichem Preise zu sichern. Ob der Weg des Umlagegesetzes dazu der richtige war, sieht nicht mehr zur Erörterung. Auch die Sachlage, die sich aus einer etwaigen Dauerbesserung unserer Mark ergeben würde, kann jetzt nicht geprüft wer den. Heute muß das Umlagcgesetz sachgemäß durch geführt werden. Zu seiner sachgemäßen Durchführung aber ge hört curch, daß den abliefcmden Landwirten ein Preis bezahlt wird, der ein einigermaßen vertretbares Verhält nis zum Werte des Papiergeldes hat, mit dem bezahlt wird, und der dadurch die Aufrechterhaltung der Brotge- treideerzeugung gewährleistet. Die Zahlung eines zu gerin gen Preises ruft schwere volkswirtschaftliche Gefahren her vor, die es zu bannen gilt. Niemand wird bestreiten, daß dis Landwirtschaft seit Beendigung des Krieges «m allgeineinen recht gut verdient hat, icdenfalls überall, wo sie sich die großen landwirt schaftlich-wissenschaftlichen Fortschritte zunutze gemacht und nicht unter besonderem Mißgeschick gelitten hat Auch im laufenden Jahre haben trotz der sehr schlechten Getreide ernte und trotz der Wiitemngsschwicrigleiten sicher zahl- reihe Landwirte noch die Möglichkeit zu gutem Verdunst gesunden. Ebenso richtig aber ist, daß infolge der be lastenden Umstünde dieses Jahres, besonders der großen Geldentwertung vielen Landwirten die Möglichkeit des Düngerbezugcs geradezu abgeschnittcn ist. Das ist für unser« Volksernährung äußerst gefährlich, da die Wintersaat viel fach nicht gut steht und überdies infolge der schlechten Witterung «in Teil des für Brotgetreide bestimmten Bodens unbestellt ist. Alle Menschen sind sich darüber einig, daß unser Volk auf die Dauer sein Leben nur erhalten kann, wenn wir fiir unsere Ernährung von der A u- s l a n d s e i n - fuhr unabhängig werden. Das aber ist nur mög lich, wenn die inländische Erzeugung mit allen Kräften gesteigert wird. Nun gehen die Meinungen über die Mittel zur Steigerung der landwirtschaftlichen Er zeugung auseinander. Aber das wird niemand in Abrede stellen, daß der Arbeitswut des Landwirts bei der Herstel lung von Brotgetreide und dadurch allgemein schwer be einträchtigt wird, wenn der Preis, den die für das ge samte Volkswohl verantwortliche Regierung ihm zahlt, weit unter den Kosten, die er zur Fortsetzung der Ek- zeugung braucht, zurückbleibt. Macht man sich dies klar, so wird auch jeder Verbraucher einsehen, daß der jetzt festgesetzte Preis, der nur reichlich drei Fünftel des freien Marktpreises beträgt, von einer für die Zu kunft des Volles verantwortlichen Negierung bewil ligt werden mutzte. So hart eine solche Ansicht viele Verbraucherklassen aukommen mag, so muß es doch da bei bleiben, daß das oberste Bestreben auch gerade der städtischen Verbraucher dahin aehen mutz, in Zukunft nicht zu verhungern. Gerade ein alter Bürgermeister, der seine Städter nicht verhungern lassen will, muß von diesem Gesichtspunkte ausgehen. Solche Schlußfolgerung wird auch dadurch nicht unrichtig, daß der Landwirt selbst der VerlMngerungsgefabr nicht ausgesetzt ist. Wohl aber muß diese ungünstige Lage der Stadt im Vergleich zum Lande