Volltext Seite (XML)
- 1 Schluß folgte Der Oorfgelger. . Erzählung von A. Gabe k. ,. , (Nachdruck MVokeÄ.) . WcrrÄm Kar der Kronettwirt ein ss ausgesprochener Feind der schönsten aller Gottesgaben, der Musil? All« im Dorf« konnten sich Vas nicht erüären. Und sie stießen einander an.und schüttelten mißbilligend den Kops darüber. Denn in Hintertal gab es jemanden, der so «wunderschön Musik machte, wie kaum ein anderer auf der Welt — das war der alte Riedel, den sie alle schlechtweg den „Dorf geiger- nanntssn. Er spielte wundervoll. Wenn ein Fest im Dorfe war, eine Hochzeit oder «ine Kiudtaufe, dann dürft» der alte Riedel nicht fehlen. Auch wenn einer den letzten Gang machte, gab ihm di« Geige des greisen DorftnuDanten das Geleit. Er hatte viele Freund« im Dorfe, der alte Dorfgeiger. Zu den stillsten und innigsten gehörte aber Loch Karl, der Sohn des Kronenwirts. Karl hatte sich aus seinen Ersparnissen ein« kleine Geige erstanden und, von der liebenden Mutter unterstützt, heimlich einigen Unterricht beim Herrn Kantor genonnnen. Dann war der Tag ge kommen, wo er, stolz auf sein Können, das Herz des Vaters zu erweichen hoffte, indem er ihm etwas vorspielte. Konnte denn der Vater wirklich so grausam sein und die Musik hassen, wenn sein leibeigener Sohn sie ihm in kindlicher Lieb« darbrachte? Er hatte noch nicht lange di« Anfangsgründe hinter sich. ES war Karl gewiß nicht leicht gefallen, alle die ver schiedenen Geigengriffe und die Vogenfirhrung zu be- - greifen. Wie stolz war er, als er das erst» Volkslied fehlerfrei und mit innigem Vovtrage spielen konnte: „Aus der Jugendzeit — aus der Jugendzeit —* Sonntagmorgen war es, als er, vor der Schlafzimmer- iür der Eltern stehend, mit zitternden Händen das Liev spielt«. Wie Himmelsmusil drang es der lauschenden Mutter ins Ohr . . . Und Vann kam das Entsetzliche, das Unfaßbare. Der Kronenwirt war rutsgesprungen, war mit hochrotem Ge sicht zu Karl hingestürzt und hatte ihm die Geize aus der Hand gerissen. „Verfluchtes Wimmerholz . . kam es von seinen zuckenden Lippen. Ein« heftig« Bewegung seines Armes, auf dem die Muskeln spielten, ein lautes, schreckliches Knirschen — und, in tausend kleine Splitter zerschell^ lag die schön« Geig« am Boden. Karl schrie auf. Er deckt« di« Hände vors Gesicht. Jammernd brach er in Vie Km« und begann Vir Splitter aufzuheben. Keuchend kehrte der Kronenwirt zu seiner Frau zurück. Sein« Stimme klang heiser, als er durch Vie halb offene Lür dem Sohne zuschri«: „Ich will nimmer wieder hören, daß du auf dem Wimmerholz spielst. Nimmer . . . hörst du Wohl?" ES gab Karl einen Stich durchs Herz. Nicht etwa, weil ihn der Jähzorn des Vaters kränkte. Er kannte dessen Temperament. Aber daß sein« Geig« vernichtet war, di« herzliebe Freundin seiner Seels, schmerzte ihn tief. Im Garten, gerade unter einem blühenden Rosen stock, hatte er ein Grab gegraben und das, waS von seiner Freundin übriggeblieben war, in Lie Erde gebettet. Und oft war's ihm, wenn er am Abend vor dem blühenden Rosenstock stand, alS wenn ein feines, leises Gingen aus der Ervs stiege und sich mit den Düften der Rosen einte... Im Kronenwtrtshause war es aber seitdem still, ganz still. Und wenn jemand Musik hören wollte, lustige oder traurige, Vann mußte er zum Jägerwirt am anderen Dorf ende steigen, wo der alte Riedel jeden Abend alte und neu« Weisen spielte, eine immer schöner als Vis anders. Und Was sich jung fühlte, das bewegte die Füße im Takt dazu. Traurig stand Karl oft im Türeingang und lauscht« den lieblichen Klängen. So oft, daß der alte Riedel schließlich auf ihn aufmerksam wurde. Mit trippelnden Schritten ging er schließlich einmal auf den Knaben zu NNd faßte sein« Hand. „Bist gar so traurig immer, Jung« .. / sagte er miß» s.' 5 gelernt. Nun geht mir Vas alles verloren, m»r weil mein Vater es so haben will . . „Möchtest du mal auf meiner Geig« spielen? * fragte der Alte mitleidig. Karl nickte. „Ich möchte Wohl gar gern , . ? stam melte er. Der Alts reichte ihm seine Geige hin. „Da, Jung«. Nun versuch's mal!" Der Vierzehnjährige setzte den Bogen an und drückte das Kinn gegen das kühl« Holz. Behutsam versuchte sein Arn? den ersten Ton . .. Ach — war das ein Klang! Wie Engelsgesang tönte es ihm ins Ohr. Er konnte sich gar nicht fassen vor Seligkeit. So schön, wie jetzt, hatte er noch niemals ge spielt. Oder war es der Schmerz seiner Seele, der sich in Tönen offenbarte? AlS er am Ende des Liodes die Arme sinken ließ, fühlte er sich von dem greisen Geiger umschlungen und ans Herz gepreßt. „Junge ... du bist ja ein Künstler! — Junge — mein Jung« — du bist ein Gottbegnadeter. Du wirft dereinst Großes erreichen . . Er brach plötzlich ab. Nahm seine Geig» unkek den Arm unv eilte hinaus. „Komm mal abends zu mir!* rief er von der Tür aus dem Jungen zu. Dann trippelte er, so schnell er konnte, von dannen. Karl sah ihm staunend und verwirrt nach. Was war das nur? Der Alt« hatte gesagt, daß er ein Künstler werden würde. Er hatte ihn ans Herz gepreßt — und er sollte ihn besuchen? Ach — Vann durste er gewiß auch weiterhin auf der wundervollen Geige spielen. Lag sür Tag konnte er das tun. Ein leiser Jubelruf klang aus seiner Brust. „Mutter — Mutter, mm ist alles wieder gut!" Von dem Tags an war der traurige Karl ein anderer geworden. — An jedem Tage, wenn di» Feierstunde geschlagen hatte, ging er in das klein« Häuschen, wo der Dorfgeiger wohnt», und spielt« sich dort auf der wundervollen Geige des Alten alles vom Herzen, was ihn im Lause LeS Tages bedrückt hatte. Wundervoll» Klänge zogen dann hinaus auf di« stille Straße, unv zuweilen Mich sich die Krug- Wirtin heimlich zu ihm, um seinen Liedern zu lauschen. Wußte der Vater von den: Treiben seines Sohnes? Er sagte kein Wort, wenn Karl zu jener Zeit auf sein Rufen nicht erschien. Aber er fragte auch niemals, wo der Junge gewesen war, wenn «r mit glühenden Wangen unv leuch tenden Augen heimkchrte. Unv Vann kam ein wundervoller Somme ravend, wo di« Rosen blühten und dufteten und Vie ganze Straße von ihrem süßen Dust erfüllt erschien. Da fand Karl seinen greisen Freund auf dem Lager liegend — fiebernd, ster bend. Mühsam richtet« sich der sieche Leib des Alten empor. „Es ist gut, daß du kommst, Karl. Meine letzte Stunde ist nahe. Darum eil«? so rasch du kannst, und rufe — deinen Vater zu mir . . ." Karl wich zurück. „Meinen Vater?" stammelte er ver wirrt. — „Was soll er hier bei Euch?" Aber di« Augen des Sterbenden sahen ihn so flehend an, daß er nicht weiter fragte. Ho schnell ihn die Füße trugen, eilt« er zum Hanse deS Vaters zurück. Lorenz saß gerade vor der Haustür, ein Pfeifchen im Munde, alS er seinen Sohn erblickte. Sein Antlitz der- färbte sich. Wie ein« dumpf« Ahnung des Kommenden war'S in ihm. Er stellte die Pfeife beiseite unv stand auf. „Na?" — klang es von seinen Lippen. Er wollte noch mehr sagen, aber etwas schien sein« Kehle zu würgen. N ist Vmmer, als müsse ich weinen, wenn ich Euch spielen > ck höre. Das ist die Sehnsucht... Lie Sehnsucht nach meiner s Geige, Vie nun für immer verloren ist." ^S>er Alte schüttelte den greisen Kopf, d ' „Junge — möchtest im eS nimmer erfahren, wle Lie Geigen klagen, wenn du vom rechte» Weg, abgewichen hist...* „Ich Nebe daS GeigeNspiel so ^ehr —* sagte Karl leise. „Uird ich hatte auch schon manches hübsche Stücklein