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Nr 105 Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 4 September 1923 Seit« 2 geplanten Schritt« zur Lösung der obwaltend«» Schufte- rigketten gab. Die Rede de» Kanzler« enthielt in ihrem ersten T-il autzenp olrtisch die Feststellung, daß Deutschland bereit ist, an di« Lösung de» R hr tonflikte« auf der Grundlage produktiv deutscher Pfän der zu gehen. „Wir sind bereit zu schweren materiel len Opfern, aber wir sind nicht bereit, die Freiheit deutschen Boden« irgend jemandem prrtkzugebrn.' Jnnerpolitisch stellt« d«r Kanzler den dreifach n Grundsatz einer Wehrpflicht der Besitze», der «rbeit und de« Beamtentum« auf und stellte den Gedanken stark in den Vordergrund, daß e« g«. genwärtig nicht möglich s«i, di« Substanz überall zu schonen. Der ganze zweite, sehr umfassend« T il der R de enthält in der packenden Darstellungtweis« Stre semann» einen moralischen Appell an die gesamte Na- tton in dieser Z-it vor keinem Opfer zur Rettung de« Vaterlande« zurück,uschr-ckm. Wir lassen mit der Staat»autorität nicht Schindluder treiben! Wir wer den di« Staats autoritär durchsetzen gegenüber jedem, der da glaubt, sich über st- htnwegsetzen zu können. Man bewilligt die Steuern nicht einem Kabinett, man bewilligt sie dem Staate, man bewilligt sie dem Reich, damit da« R-ich bestehen kann. Wer in dieser schwe ren Zett St«u«rn sabotiert oder gar dazu aufrnft, g« hört nach meiner Meinung hinter Schloß und R'egel. Et gilt, daß da» Volk zum K:-mpf gegen den Prsst. mi-mu» aller derjenigen schreitet, di« da sagen: E« gelingt ja doch nicht mehr, wir werden sterben. Im H nblick aus die Beschaffung von Haukbrand für den kommenden Winter regle der Kanzler an, «ine Ueber stunde im Bergbau zu leiste», und gleichzeitig da« Erträgnt» darau» al» kohlen für den Winter den B dürftigen zu geben, damit einmal da» Volk dem Volke «twa» gibi. Im weiteren Ver« laufe seiner R d« wandte sich Dr. Stresemann gegen jede «rt von S ch l e m m erte b en. Deutschland gehe so schweren Z iten entgegen, daß man sich »in mühr- und arbeitrloseS Einkommen in Deutschland nicht mehr zu denken vermöge. Deutschland müsse entweder da» Volk der Arbeit sein oder untergehen! Der Kanzler begrüßte zum Schli ß all« Bestre bungen in Deutschland, welche Aufklärung über die Entstehung de» Weltkriege« verbreiten wollen und forderte di« Wahr h «itsucher aller Nationen auf, darauf zu dringen, daß alle Arch ve für die Forschung so geöff et werden, wie Deutschland seine Archive im Bewußtsein seine« guten R-chte« und seine« guten Gewissen« gcöff. et habe. Nach der R de de» Rrichtkanzler» dankte der württembergisch« Staatsprästdent Dr. Hieber dem Rtich«kan,ler für seine An»sührung«n und schloß die Versammlung Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Pulsnitz. (Theateraufführung) Seinen ersten Theaterabend veranstaltete am vorigen Sonn abend im Schützenhaus der neu gegründete drama tische Verein „Einigkeit". Avfgeführt wurden 2 Stücke, und zwar das einaktige Schauspiel „Heimatscholle" und das Drama „Der Geizhals" in vier Aufzügen. Das Spiel darf als sehr gut gelungen bezeichnet werden und der reiche Beifall, der den Darstellern gespendet wurde, war kein unverdienter. „Heimat- schölle", ein Stück aus der Zeit der Ausweisungen der deutschbleibenden Deutschen aus den von Polen geraubten oberschiesischen Gebieten, zeigte in packender Weise die seelischen Qualen und körperlichen Leiden derjenigen, die ihr Deutschtum osfen bekannten und bewahrten und daher von dem grausamen Los der Vertreibung betroffen wurden Es gelang den Spielern, die unter sehr guter Leitung standen, ohne Ausnahme den Sinn und die Bedeutung des Stückes vortrefflich wiederzugeben, dasselbe gilt auch von dem aus geführten Drama „Der Geizhals". Der Besuch war zwar ein zahlreicher, hätte aber, auch mit Rücksicht darauf, daß ein evtl. Ueberschuß wohltätigen Zwecken zufließen sollte, stärker sein können. Hoffentlich kann dem Verein bei späterem Wiederauftreten für seins mit großen Geld- und Zeitopsern verbundenen Mühen durch einen vollen Saal gedankt werden. -ck Pulsntz. (Jubiläum des „Turner bundes") Am nächsten Sonnabend und Sonntag feiert der Turnverein „Turnerbund" sein 60 jähriges Bestehen Die Mitglieder des Vereins sind jetzt sehr tätig und üben täglich, um den Gästen viel Turnerisches bieten zu können. Das für Sonnabend zum Bs grüßungsabend aufgestellte Programm ist wirklich reichhaltig. Alles weitere wird am Donnerstag im Anzeigenteil dieser Zeitung bekanntgegeben. Sonntag beginnen bereits früh dis turnerischen Arbeiten, welche sich' bei günstigem Wetter auf dem Schützenplatz und bei Regen in der Turnhalle abwickeln. Es ist zu wünschen, daß den Veranstaltungen des Vereins ein reges Interesse entgegengebracht wird, da die Turner wirklich viel und Schönes zeigen, wodurch alle Be sucher auf ihre Rechnung kommen werden Pulsnitz. (Mütterberatung.» Die nächste Mütterberatungssprechstunde in Pulsnitz findet Mitt woch, den 5 September 1923 nachmittags 3 Uhr im Rathaus — 1 Treppe — statt. Arzt wird anwe send sein. — (Die Preise steigen weiter und weiter) und denken an keine Senkung, nicht einmal an einen Stillstand. Auch der geringste Einkauf er- I fordert schon, daß man wenigstens 1 Million Papier geld in der Tasche besitzt; wer aber größere Einkäufe zu machen hat, der muß schon ein ganzes Bündel Mrllionen-Scheine bei sich tragen, will er keine Ent- täuschung erleben. Bei der Preissteigerung stehen die Fleischprsise wieder obenan, und zwar beträgt die Steigerung gegenüber der Vorwoche abermals annähernd tOO Prozent. Das Rindfleisch kostet 2 200 000 Mark pro Pfund, das magere Fleisch ohne Knochen 2,8 Millionen Mork. Schweinefleisch und Kalbfleisch stehen ähnlich im Preise. Das gewiegte Rindfleisch wird mit 2 800000 M verkauft, der gekochte Schinken mit 4 000000 M pro Pfund, Leber- und Blutwurst mit 3 200 000 M für das Pfund, Speck mit 3,6 Millionen M das Pfund. Da der Dollar gehörig aufwärts klettert, folgt ihm dis Margarine sehr schnell im Preise nach. Natürlich kann da auch die Butter nicht zurückbleiben. Für sie werden 2'/, Millionen Mk pro Pfund gefordert. Gemeint ist die sogenannte „ausländische" Butter aus Oldenburg, Holstein usw Hiesige Molkereibutter ist schon lange nicht mehr sichtbar, da die Dorfbewohner sie für sich beanspruchen und nichts in dis Stadt dringen lassen. Für diese Ist Ssmen wieder MW Zeichne die Wertbeständige Anleihe Hes Deutschen Reiches^ > " Zeichnungen können bei der Reichebank und bei den im Prospekt angegebenen Stellen, sowie bei diesen durch Vermittlung sämtlicher Banken, Bankiers, Spar kassen und Kreditgenossenschaften bewirkt werden. Butter und für Milch sind schon wieder neue Höchst- preise festgesetzt. Aber auch die Milch kommt nur noch in sehr geringen Mengen in die Stadt, angeü- lich lohnt sich das Verbuttern weit mehr Das Brot ist abermals erhöht worden und zwar von 105 000 auf 260 000 Mk für das 1900 Gramm Roggenbrot, die kleine Semmel ist von 15000 sprunghaft auf 20000, 25000, 30000 und 35000 Mk. herausgegan- gen Daß uns die Erhöhung der Kohlenpreise auf 2 700000 Mk. pro Zentner auch eine gewaltige Er- Höhung des Strompreises gebracht hat, darf nicht unerwähnt bleiben, wenn man den Nullenwahnsinn dieser Tage betrachtet. Natürlich haben alle Kolonial waren stark im Preise angezogen. Es erübrigt sich, die vielerlei Artikel hier im Einzelnen aufzuführen; unsere bedauernswerten Hausfrauen wissen nur zu gut, wie schwarz einem vor den Augen beim geringsten Einkauf schon werden kann. Was sonst noch zum täglichen Gebrauch gehört, das hat sich alles mit besonderer Pünktlichkeit der Preissteigerung ange schlossen, so daß heute für den kleinsten Haushalt bei bescheidenen Ansprüchen für den täglichen Gebrauch mit Millionen-Ausgaben gerechnet werden muß Man hört zwar oft genug sagen: Was ist denn eine Mil lion? Allerdings für Viele nichr besonders viel, für die große Masse des Mittelstandes aber doch aller- Hand. Aber schließlich kann dieser Preistaumel doch nicht bis in di^ Unendlichkeit gehen; einmal muß dieser Millionenrummel wohl ein Ende nehmen. Hoffentlich recht bald! — (Gibt es einen Schutz vor der Geld entwertung?) Es war in der guten, alten Zeit, als wir an Waren und Bedarfsgütern nur das Kaulien, was wir gerade notwendig brauchten Alles übrige Geld sparten wir: Wir brachten es zur Bank oder zur Sparkasse, oder kauften sichere Staatspapiere. Und heute? Die verständ liche Angst vor der Geldentwertung har es mit sich gebracht, daß jeder unmittelbar nach Empfang seiner Einkünfte in allerhand Waren, Lebensmittel und — wer besondere „kauf männische' Kenntnisse und Beziehungen hat — in Aktien und fremde Valuten „flüchtet". Die Sorge um die Wert erhaltung seiner Einkünfte raubt jedem Deutschen noch die letzten wenigen Minuten der Ruhe in seinem täglichen Daseinskämpfe. Sie blendet ihm den Blick dafür, daß er durch seine Käufe den Warenpreisen einen neuen Auftrieb gibt, baß er dadurch die Notenflut vermehren hilft, die wiederum den Wert seiner zukünftigen Einnahmen gefährdet. Es wird dabei vollkommen vergessen, daß die Flucht in die Ware das Sparen und das Wetterhütten, wie es in der alten Zeit üblich war, nicht ersetzen kann. Denn wenn er in Zeiten noch größerer Not das Ersparte wieder abstoßen will, dann wird er stets die Erfahrung machen, daß er als Erlös nicht den erwarteten Wert erhält. Und wer sich von der WertbestSndigkeit der Aktien usw. ein Bild machen will, der braucht nur den Kurszettel mit feinem Aus und Ab zu betrachten. Nicht jeder hat das Geschick, immer „auf" der Börsenwelle zu sitzen. Außerdem gehört zum Sparen im alten Sinne der Zinsgenutz. Er ist mit wenigen Ausnahmen verschwunden und damit eine der Haupttriebfedern zum Sparen. - Es ist daher für jeden Kaufmann, Landwirt, Angestellten, Arbeiter und Beamten von größter Tragweite, daß ihm das Reich durch Ausgabe der zur Zeichnung auf liegenden Wertbeständigen Anleihe endlich die Möglichkeit gibt, wieder im alten Sinne zu sparen. Durch den Erwerb der Wertbeständigen Anleihe kann er sich seine ersparten oder auch nur vorübergehend freien Mittel in ihrer „Kauf kraft' — und das ist ja die Hauptsache — erhalten Und darüber hinaus erhält er Zinsen, die wie das Kapital eben falls wertbeständig gestellt sind, so daß er sich zu seinem Arbeitseinkommtn wieder wie früher einen in der Kaufkraft sich gleichbleibenden Zuschuß aus dem Ersparten für die Zukunft sichern kann. — Man könnte einwenden, wi« der Kleins Sporer den Gegenwert von 1 Dollar — das ist da» kleinste Stück der Anleihe — heute von seinem Einkommen aufbringen soll. Auw diesem Sparer ist dadurch geholfen, daß ihm jede Sparkasse ein Goldkonto eröffnet, aus dem er bis zu einem Zehntel Dollar herunter Einzahlungen wert beständig machen kann. — lDerneueSteuerabz u g) Das Finanz amt schreibt uns: Vom 1. September 1923 ab werden die Ermäßigungen beim Steuerabzug vom Arbeitslohn wiederum erhöht, und zwar auf das Fünfzehnfache der für August geltenden Sätze. Sie betragen von diesem Zeitpunkt ab: a) für den Steuerpflichtigen und seine Ehefrau monatlich je 360000 M (bisher 24000 M), wöchentlich je 86 400 M (bisher 5 760 M); bi für jedes auf dem Steuerbuch vermerkte minderjährige Kind monatlich 2 400000 M (bisher 160000 M), wöchentlich 576 00!) M /bisher 38 400 M); c) für Werbungskosten und sonstige Abzüge monatlich 3000000 M Gisher 200000 M, wöchentlich 720000 M (bisher 48 000 Ml Die einzubehaltenden Steuer beträge sind in jedem Fall auf volle 1000 M nach unten abzurunden Dis Fristen für die Verwendung der einbshaltsnen Beträge, d. h beim Markenverfahren für das Einkleben und Entwerten der Steusrmarken in den Einlagebogen der Steuerbücher, beim Ueber- wsisungsverfahrsn für die Abführung der einbehaltenen Beträge an die Finanzkasse sind vom 1.September 1923 ab verkürzt worden. In den Fällen, in denen das Finanzamt bisher auf Antrag genehmigt hatte, daß die Verwendung monatlich einmal (dis zum 10 eines Monats) bezw zweimal (bis zum 10. und 25. eines Monats) erfolgte, sind künftig a) die Beträge, die in der Zeit vom 1, bis 10 eines Monats eindehalten worden sind, spätestens bis zum 15, b- die Beträge, die in der Zeit vom 11 bis 20 eines Monats ein behalten worden sind, bis zum 25 dieses Monats und c) die Beträge, dis in der Zeit vom 2t. bis zum Schluß eines Monats einbshalten worden sind, bis zum 5. des folgenden Monats zu entricht:«. Dies gilt also in gleicher W ise für das Markenoerfahren wie für das Ueberweisungsverfahren. Bei Frist- Versäumnis find Zuschläge in Höhe des Vierfachen des Rückstandes für jeden angefangenen halben Monat verwirkt. — Auf Grund des Gesetzes über die Be steuerung der Betriebe haben industrielle, gewerbliche und Handelsbetriebe zu den oben be zeichneten Terminen außerdem das Doppelte der in der vorhergegangenen Monatsdekade eindehaltenen Steuerabzugsbeträge als besondere Ardeitgeberabgabe erstmalig am 15 September für die Zeit vom 1. bis zum 10 September 1923, zu entrichten. Diese Abgabe ist auch von denjenigen Arbeitgebern, die für ihre Arbeitnehmer St-uermarken verwenden, in bar oder durch Ueberweisung an die Kass« des Finanzamts der Betriebsstätte oder die vom Landesftnanzamt bezeichnete Kasse abzuführen. Gleichzeitig haben diese Abgabepflichtigen der Kasse eine Bescheinigung zu übersenden, in der versichert wird, daß die abgeführten Beträge das Doppelte der in der Zeit (Monatsdekade) für dis die Abführung erfolgt, vom Arbeitslohn ein behaltenen Steuerbeträge ausmacht. Die Bescheinigung ist vom Arbeitgeber oder von einer zur Vertretung seiner Firma rechtlich befugten Person zu unterzeichnen. Fristversäumnis hat auch hier die oüenbezeichneten Folgen. — (Mütterberatungen) finden statt: In Oberlichtenau Mittwoch, 5. September, nachm. 3 Uhr in der Schule; in Großnaundorf Freitag, 7 September, nachm. 3 Uhr in Büttners Gasthof. Der Arzt wird anwesend sein Großröhrsdorf. (Ein Opfer der Zeit- Verhältnisse) ist der Vorstand dev hiesigen Bahn hof--, Herr Eisenbahn-Inspektor A. Wahode, geworden. Der vorzeitig Dahingeschiedene erfreute sich infolge seines zuvorkommenden Wesens allseitiger Beliebtheit, nicht allein unter unseren Bewohnern, sondern auch bei seiner Beamtenschaft. Ein trauriges Geschick hat seiner Laufbahn ein frühzeitiges Z'el gesetzt. Seiner schwergeprüften Familie wendet sich die allgemeine Teilnahme zu Großröhrsdorf. (MillionenSpen de.) In hochherziger Weise sind bei einem Familienfeste für kirchliche Zwecke dem Kirchenvv'.stand 50 Millionen Mk. in bar gestiftet worden Kamenz. ^ZugrößerenAnsammlungen) kam es vorige Woche vor einem Geschäft in der Nordost-Vorstadt. Dort sollten angeblich Zigarren und Zigaretten zu Usberteuerungspreisen verkauft worden sein Vom Kontrollaueschuß war dagegen vorgegangen und ein größerer Posten Rauchwaren beschlagnahmt worden, der zu wesentlich herabgesetzten Preisen dann einzeln abgegeben wurde. Daß die Kauflustigen in Scharen herbeiströmten, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Bischofswerda. (UeberzunehmendeUn- sicherheit auf dem Lande) teilt die hiesige Gendarmerie der Presse mit: Seit den letzten Lebens mitteldemonstrationen haben sich in den Dörfern der hiesigen Umgebung die Einbrüche in die Keller-, Ge wölbe- und sonstigen Lebensmittel-Aufbewahrungs- räume derart gehäuft, daß es geboten erscheint, die Bevölkerung zur größten Vorsicht und Aufmerksamkeit