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01-Ausgabe Erzgebirgischer Volksfreund : 16.10.1944
- Titel
- 01-Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1944-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-19441016017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-1944101601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-1944101601
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1944
-
Monat
1944-10
- Tag 1944-10-16
-
Monat
1944-10
-
Jahr
1944
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Beim „Mulla" zu Gast. MZ. Kriegsber. Werner L. Wittkopf (DK.). Mr wer den bereits erwartet. Die Ordonnanz öffnet die Tür und der Mulla (arab. Priester) tritt uns grüßend entgegen. Groß, breitschultrig stecht er vor uns, in der Leutschen Uniform, auf den Spiegeln den weißen Halbmond mit den Silbertressen eines Unteroffiziers. Der Raum dieses religiösen Betreuers der Im Heim weilenden Muselmanen unterscheidet sich in seiner Ausstattung kaum von dem der Freiwilligen, nur daß der Mulla allein untergebracht ist. Was außerdem noch abweicht, sind lediglich die Karten Ler Kriegsschauplätze, die oll« Wände bedecken. Ein Spruch Mohammeds an seine Gläubigen in arabischer Schrift vervollständigt den Wandschmuck. Man muß einen weiten Weg auf der Karte zurücklegen, um in die Heimat des Usbeken zu gelangen. Nahe dem „Dach der Welt", dem für den Europäer so geheimnisvollen Pamir hochland, ist er geboren und hat doxt in N. bis zum Kriegs ausbruch gelebt. Seinen; Vater gleich hat auch er als Kauf mann gelernt, um den großen Basar des reichen Textilhändlers zu übernehmen. Aber erst zwei Jahre Lehrzeit waren ver- gangen, als der Vater die Augen für immer schloß. Gr hat nicht mehr zu erleben brauchen, daß sein Sohn von den Dolsche- wissen als Kulak, als Besitzender verhaftet wurde. Bei seiner Rückkehr fand er nichts mehr von dem vor, was ihm als Erbe übergeben worden war. Im Gesicht des Mulla arbeitet es, als er von jener Zeit spricht. Das Lächeln verschwindet, und die hohe breite Snrn zieht sich in Falten zusammen. Nur Nurbai, Ordonnanz und Dolmetscher in einer Person, zeigt noch sein Lächeln. Sie stammen beide aus derselben Stadt, der nunmehrige Mulla und der ehemalige Kutscher, die sich im Sonderlager l>ei einem Krankenbesuch erstmalig sahen und kennenlernten. Seither sind sie unzertrennlich. Während die Ordonnanz noch von den religiösen Festlichkeiten und Gebräuchen spricht, stellt der Mulla seinen Gästen Gebäck und Süßigkeiten auf den Tisch, wozu er ein deutsches „bitte" spricht. Mit feierlichem Ernst nimmt er dann einen Beutel von Ler Wand: für ihn das wertvollste, der Koran, den die Hand eines Andersgläubigen oder eines Fremden nicht berühren darf. Würde und Stolz spiegeln sich in seinem Gesicht, als er den dicken Band aufgeschlagen den Gästen zeigt, während seine Augen von rechts nach links den großgodruckten Zeilen folgen. Schon in der Schule hat ihm sein Vater, trotz Verbots der Bolschewisten, die alten Schrift zeichen lesen und schreiben lehren lassen. In einem Auffang lager der Turkestaner hat er Einweisung und Einführung von dem dortigen Mulla erhalten. Seit Monaten ist er in diesem Freiwilligen-Bersehrten- lager, betreut die Gläubigen, spricht zu ihnen über die Not wendigkeit des Kampfes gegen den Bolschewismus als eine heilige Aufgabe, berichtet laufend über das Kriegsgeschehen und überwacht die Disziplin Ler ihm anvertrauten Freiwilligen. Es darf daher nicht wunder nehmen, daß die soldatische Hal tung im turkestanischen Schlafsaal besonders gut ist, ohne daß irgendein lautes Wort in diesem Bereich zu hören ist. Die Zeit des Gebets ist wiedergekommen. Nach dem Austausch der Höflichkeiten verabschieden wir uns. In Minuten werden die Gläubigen im Gebet vereinigt sein. Die Wühlarbeit gegen Franco. Der spanische Emigrant und frühere Eortezabgeordnete Rubio hat in London die Notwendigkeit und Möglichkeit eines spanischen Regierungswechsels erörtert und erklärt, daß er und andere spanische Emigranten im ständigen engen Kontakt mit der de Gaulle-Regierung stehen, die der Anti-Franco- Bewegung sympathisch gegenüber stehe. Rubio gab zu, daß spanische Emigrantengruppen bereitständen, sich gewaltsam Eingang in Spanien zu verschaffen. Eine Gruppe emigrierter spanischer Generale sei kürzlich in Südfrankreich zusammen getroffen, um über diese Pläne zu beraten, während 50 000 spanische Maquis gegen die spanische Grenze vorriicken. Sie hätten die spanische Stadt Pradas bereits befestigt. Kurze Meldungen. Auf dem Gelände einer bei Eupen gelegenen Filzfabrik wurde ein Gefängnis errichtet, in das alle in den Krisen Eupen und Malmedy angetroffenen Alt-Reichdeutschen emge- -sperrt worden sind, naturgemäß in der Hauptsache Greise, Frauen und Kinder. Sie sind ohne ausreichende Verpflegung und unter unmöglichen sanitären Umständen in den Fabrik räumen zusammengepfercht. Die „Times" unterstreichen erneut die völlige Ueberein stimmung zwischen den Angloamerikanern und den Sowjets über die Politik der Sowjets auf dem Balkan. Der Smvjetdampfer „Ko-wkas" ist mit 275 russischen Ratio- nalisten, Lie von der bulgarischen Regierung auf Befehl Mos- kau» verhaftet wovden war, au» dem Hafen Varna nach Odessa ausgelaufen. Die Nationalisten waren von NKWD.-Truppen gefesselt an Bord de» Dampfer» gebracht worden. Die bulgarische Regierung Georgieff ist nunmehr aufge- fordert worden, die Waffenstillstandsvedingungen für Bulga rien in Riskau entgegenzunehmen. Ein erstes Bataillon italienischer Truppen der Regierung Bonomi ist jetzt an der Front eingesetzt worden. Es wurde einer amerikanischen Negerdiviston im Apennin für Hilfsdienste zugeteilt. * Die Hindenburg-Spende hat am Geburtstag ihres Stif ters wiederum 400000 RM. in Beträgen von 150 RM. an Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene des ersten Welt krieges ausgeschüttet. * Da» Schutzwall-Shrenzeichen wird auf Anordnung des Führers an alle Volksgenossen deutschen Blutes verliehen, die an der Schaffung der dem Schutze des deutschen Volkes die nenden Stellungsbauten im Jahre 1944 mit Eifer und Hin gabe gearbeitet haben. Volksgenossen, denen das Schutzwall- Ehrenzeichen bereits 1939 verliehen worden ist, erhalten beim Einsatz im Stellungsbau im Jahre 1944 zusätzlich eine auf dem Bande zu tragende Spange. * Die aus den Westgebiete« neuerdings ins Reich zuge reisten Personen werden aufgefordert, Name, jetzige und Hei- matanschrift an nachfolgende Stellen bekannt zu geben: Flamen: Deutsch-Vlämische Arbeitsgemeinschaft, (20) Hildes heim, Bankplatz 1; Wallonen: Deutsch-Wallonische Arbeits gemeinschaft, (1) Berlin-Grunewald, Winklerstr. 15; Fran zosen: Deutsch-Französische Gesellschaft, (1) Berlin W, Kur fürstenstr. 136; Niederländer: Deutsch-Niederländische Gesell schaft, (1) Berlin W. 35, Bissingzeile 16. In allen Angelegen heiten stehen diese Stellen beratend zur Seite. * Die in der Nähe von Waldungen ansässige Bevölkerung wird durch Erlaß des Reichsforstmeisters in Lie Lage versetzt, ihren Holzbedarf in verstärktem Umfange Lurch Selbsteinschlag zu decken. Auch Lie in den Wäldern vorhandenen Mengen an Raff- und Leseholz sowie Zapfen sollen zur Deckung des Brenn- stoffbedarfs herangezogen werden. Das Reisig kann von der Bevölkerung auch durch Ausästen von Windwurfholz und von gefällten Stämmen gewonnen werden. Der Reichsforstmeister bittet, alle Möglichkeiten der Bedarfsdeckung im Benehmen mit der Partei, ihren Gliederungen, insbesondere der HI., sorg fältig zu prüfen. Keinesfalls darf durch den Transport dieser Holzmengen die Abfuhr kriegswichtiger Holzarten geschmälert werden. Er erwartet, daß Forstbcamte und Walidbesitzer die Abgabe von Raff, und Leseholz nicht verbieten werden. * Ein Herstellungsverbot für Maßschuhe gibt die „Gemein- chaft Schuhe" bekannt. Dieses Verbot gilt nicht für Schaft- tiefe! für Wehrmacht und Polizei sowie für Spezialarbeits- chuhe und für Maßschuhwerk für Prüfungsarbeiten. Die bis 30. Sept, angenommenen Aufträge dürfen bis zum 31. Dez. ausgeführt werden. Der Reichsinnungsverband des Schuh macherhandwerks kann auf Antrag Ausnahmen zulassen. Die Vorschriften der Anweisung über das Herstellungsverbot für orthopädisches Maßschuhwerk vom 20. Juli 1943 bleiben un berührt. * Werbedienst der Post eingeschränkt. Der Reichspost. Minister hat ab sofort die Herausgabe von Sonderstempeln so wie Gefälligkeitsabstempelungen und das Stempeln von Sammlermarken auf besondere Ausnahmefälle beschränkt. Ferner nimmt die Reichspost neue Aufträge für Werbung nicht mehr entgegen. Laufende Verträge werden nur noch insoweit durchgeführt, als kein neuer Einsatz von Arbeits kräften oder Material benötigt wird. * Die Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten können mit der Berufung und Ler Beschwerde nicht mehr angefochten werden. Es gibt dafür die Revision an das Reichsgericht, die aber nur statt findet, wenn sie im Urteil (wegen der grundsätzlichen Bedeu tung der Rechtssache auch unter Berücksichtigung der Kriegs verhältnisse) zugelassen ist. Die gleiche Beschränkung der Rechtsmittel gilt gegenüber Urteilen der Arbeitsgerichte und entsprechend für Beschwerden in der freiwilligen, außerstreiti gen Gerichtsbarkeit. Gegen Urteile in Streitigkeiten aus Miet oder Pachtverhältnissen, Untermiet- oder Ünterpachtverhält- nissen über Räume oder gewerblich genützte unbebaute Grund- — Eine Flutwelle drang in dem nordportugiesischen Fischer- und Badeort Espinhe über den Strand hinaus und zerstörte zehn Fischerhäuser. Die Insassen konnten nur das nackte Leben retten. 60 Personen wurden obdachlos. — Siebe« Fluggäste wurden getötet, als ein brasilia nisches Verkehrsflugzeug in der Nähe der Stadt Pirspors ab- stürzte. Acht Insassen wurden verletzt. — Von Russen ermordet. Als Mörder des MUHIen- besitzers Henze, der bei Schönewerda (Bez. Halle), als er auf Ansitz gehen wollte, ermordet wurde, wurden zwei Russen überführt, die aus einem Lager entwichen waren und eine Reihe von Einbrüchen in verschiedenen Orten ausgeführt haben. Nach ihrer eigenen Schilderung hatte Henze sie gestellt und nach Schönewerda bringen wollen. Plötzlich überfielen sie Henze, der beim Abführen der beiden sein Gewehr am Niemen über die rechte Schulter gehängt trug und neben den Russen ging, anstatt mit Abstand und schußbereiter Waffe ihnen zü folgen. Henze wurde niedergestochen, ohne sein Gewehr gebrauchen zu können. Das Vorkommnis sollte eine dringende Mahnung für alle in Feld oder Wald mit Fremd- völkischen zusammenstoßends Volksgenossen sein. stücke findet ein Rechtsmittel überhaupt nicht statt. Streitig- keiten solcher Art liegen vor, wenn es sich um die Aufhebung oder Kündigung des Miet- oder Pachtverhältnisses, die Be- Nutzung, Herausgabe oder Räumung des Miet- oder Pacht- gegenständes oder die Ausübung eines Zurückbehaltungs- oder Pfandrechts handelt. * Rundfunk am Dienstag. 7.30—7.45: Grundfragen der Vererbung. 15—16: Das Breslauer Rundfunkorchester. 16 bis 17: Von Melodie zu Melodie. 17.15—18.30: Musikalische Kurzweil. 18.30—19: Der Zeitspiegel: Aus deutschen Gauen. 19—19.15: Wir raten mit Musik. 20.15—21: Liedersendung. 21—22: „Der König musiziert", ein Hörbild. DS.: 17.15— 18.30: Arie von Paul Grüner, Sinfonie von Felix Dräseke. 20.15—21: „Minna von Barnhelm" von Lessing. 21—22: Musik zur Unterhaltung. * Aue, 16. Okt. Fw. Martin Wötzel, wohnhaft Ernst-Papst- Straße 34, erhielt im Osten das EK. 2. Bockau, 16. Okt. Line Kundgebung vereinigte am Sonn abend im Sachsenhofsaal die Gliederungen der Partei und einen großen Teil der Einwohnerschaft. Nach dem Bekennt- nis der Jugend und des RAD. im gemeinsam gesungenen Lied „Wir tragen das Vaterland in unseren Herzen" be grüßte Ortsgruppenleiter Müller die Erschienenen und beson ders den k. Kreisleiter Häntzschel, der anschließend über die Ausrichtung der Heimat im 6. Kriegsjahr sprach: Dreierlei ist zu beachten, was uns dem Siege näher bringt: Schweig sam, hart und stolz sein! Die Ausführungen des mit Span nung erwarteten neuen Kreisleiters waren ganz nach dem Herzen der Hörer und fanden ihre Zustimmung in langanhal- tendem Beifall. „Nichts kann uns rauben Liebe und Glauben zu unserem Land" bekräftigte gemeinsamer Gesang. * * Limbach. Ein 61jähriger Einwohner stürzte beim Obst pflücken mit der Leiter um und erlitt so schwere Becken- und Rippenbrüche, daß er bald darauf im Krankenhaus starb. ** Leipzig. Nachts wurde hier aus einem Lebensmittel geschäft ein größerer Posten Wurst, Brot, Mehl, Zucker usw. gestohlen. Ein paar Nächte vorher hatten Einbrecher ein Tabakwarengeschäft heimgesucht und eine beträchtliche Menge Zigarren, Zigaretten und Tabak fortgeschleppt. ÄS Laster—SB Dilkav-Haßla« 9:0 (SH) Mit einem überraschend hohen Sieg wartete die Lauterer SG im Punkt spiel gegen die Wilkauer auf. Die Mannschaft zeigte eine sehr gute Gesamtleistung, so daß der Gegner während des ganzen Spiels in die Verteidgung gedrängt war. Besonders erfolg reich war Mittelstürmer Geißler, der von den neun Treffern sieben erzielte. TuSG Neustädtel—Planitz 0:17. Die Neustädtler kann- ten nicht in der vorgesehenen Besetzung spielen, so daß der Gastgeber ohne besondere Mühe Tore erzielen konnte. Schwach besetzt war vor allem die engere Abwehr der Neustädtler, da her die hohe Niederlage. Die west-mitteleuropäische Die heutige Scheidelinie zwischen dem germanischen Mittel- und dem romanischen Westeuropa stammt aus sehr alter Zeit. Am Anfang des nordischen Bronce-Zeitalters, ca. 1500 v. u. Zr„ wurden die frühgermanischen Sitze im Osten durch die untere Oder begrenzt, im Westen reichten sie bis über die untere Ems hinaus, und südwärts bis an eine zwischen den heutigen Plätzen Schwerin und Hannover lau fende Linie. Nachbarn der Germanen waren im Osten und Südosten Illyrer, im Westen und Südwesten Kelten. Am Ende des Broncealters, um 800 v. u. Zr., als in Vorderasien die großen Assyrerkönige herrschten und in Sparta Lykurg seine Gesetze gab, hatten die Germanen ihre keltischen Nachbarn westwärts bis ins Siegerland und die Illyrer südostwärts bis nach Schlesien zurückaedrängt. Südgrenze des germanischen Raumes bildete damals der dicht mit Urwald bedeckte Zug der deutschen Mittelgebirge: Myrkwidr, der Dunkelwald der Edda, über den von Süden her die Schwanenjungfrauen geflogen kamen. Auf der Grenzscheide zwischen der Bronce- und der begin nenden Eisenzeit geschah in Nord- und Mitteleuropa, wahr scheinlich, wenngleich weniger ausgeprägt, auch im Westen und Süden, ein merkwürdiger Klimasturz. An die Stelle der war men, trockenen traten feuchtere und kühlere Jahre, die ziem lich bis an den Beginn unserer Zeitrechnung anhielten. Die Verschlechterung des Klimas, die Zunahme der Waldbedeckung und der Sümpfe, engten den germanischen Lebensraum ein und verstärkten den Druck der Germanen auf die benachbarten Kelten. Im fünften Jahrhundert waren die Germanen bis Köln vorgedrungen, im vierten bis Trier und im ersten Jahr- hundert v. u. Zr. unter dem suevischen Heerkönig Ariovist bis ins Elsaß. Als Ariovist Miene machte, einen großen Teil dos keltischen Galliens zu unterwerfen, traten ihm die Römer unter Eäsar entgegen und drängten die Germanen über den Rhein zurück. Für ihre Verluste gegen die Germanen hielten sich die Kelten schadlos, indem sie die — vielleicht iberischen — Dor» Volks- rmd Sprachgrenze. bewohner Galliens und Britanniens unterwarfen und diese Länder kritisieren. Im germanisch-keltischen Grenzgebiet bil dete sich stellenweise eine Mischbevölkerung; die Nervier z. B. im heutigen Belgien sprachen zur Zeit Eäsars keltisch, behaup teten aber, von Germanen abzustammen. Zur Völkerwanderungszeit erfolgte germanische Land nahme auf dem linken Rheinufer; im Süden, im Elsaß und der Schweiz durch die Alemannen, weiter nördlich durch die Franken. Die fränkische Siedlung scheint ursprünglich etwas über die heute Sprachgrenze hinaus in das romanische Gal- lien hineingereicht zu haben, doch fand dort eine Rück-Roma- nisierung statt. Zur Karolingerzeit verlief die Scheidelinie zwischen romanischem und germanischem Sprachgebiet schon ungefähr so wie heute. Hier liegt also ein mehr als tausend jähriger Tatbestand vor. Die Burgunden, die gleichfalls den Rhein überschritten hatten und eine Zeit lang um das heutige Worms herum saßen — die schwere Niederlage, die sie dort durch die Hunnen erlitten, yat ihren späten Nachklang im Nibelungenlied gefunden — waren tiefer nach Gallien in das noch heute nach ihnen genannte Gebiet hineingezogen, wurden aber dort von den Franken unterworfen und romanisierten sich im Laufe der nächsten Jahrhunderte. > Die politische Grenze zwischen dem Deutschen Reich und dem romanischen Gebiet im Westen fiel lange Zeit nicht mit der sprachlichen zusammen. Wir denken dabei nicht daran, daß die Krone des Königreichs Burgund im Jahre 1032 u. Zr. mit der deutschen Kaiserkrone vereinigt wurde. Friedrich Barba- rossa hielt im burgundischen Besancon einen der glänzendsten Reichstage seiner Regierung ab. Hier handelte es sich aber nur darum, daß zwischen einem germanischen und einem romanischen staatlichen Gebilde eine Personalunion bestand, die praktisch die Hohenstaufenzeit kaum überdauerte. Durch die Heirat zwischen Maximilian und Maria, der Tochter Karls des Kühnen, 1479, kamen die Franche LomtS oder Hoch-Bur- gund von neuem an ein deutsches Kaiserhaus, die Habsburger; später, bei der Teilung des Habsburgtschen Weltreichs, als Karl V. 1555 abdankte, an Spanien. Dagegen durchschnitt die wirkliche Grenze des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation bis tief ins 18. Jahrhundert in Lothringen und im heutigen Belgien romanisches Sprachgebiet. Der Bischof von Lüttich war bis zur französischen Revolution deutscher Reichs- fürst, und der Herzog von Lothringen, auf das erst Franz I., der Gemahl Maria Theresias, verzichtete, besaß Gebiete, in denen teils Deutsch, teils Französisch gesprochen wurde. Unter Ludwig XIV. erfolgte der tiefe politische Einbruch Frankreichs in das seit 800 Jahren zum Deutschen Reich ge- hörige Elsaß. Straßburg war aber noch ein Jahrhundert später nach Sprache und Kultur so deutsch, Laß Goethe, als er sich nach seiner Leipziger Studienzeit nach einer weiteren deutschen Hochschule erster Ordnung umsah, hierzu Straßburg wählte und hier, angesichts des Straßburger Münsters, das große Erlebnis mittelalterlicher deutscher Baukunst hatte. Nach dem Ausgreifen Frankreichs bis an die Lübecker Bucht unter Napoleon I. stellte Ler Frankfurter Friede 1871 bis auf einen schmalen Strich bei Metz die politische Grenze zwischen Deutschland und Frankreich gleichlaufend mit der Sprachgrenze fest. Zwischen dem Deutschen Reich und den germanischen Niederlanden ging die Aufhebung der politischen Zusammengehörigkeit faktisch auf den Unabhängigkeitskampf der Niederländer gegen Spanien, staatsrechtlich erst auf den Westfälischen Frieden von 1648 zurück. Das niederländische Volkstum ist seinerseits zerrissen durch die politische Zuge hörigkeit der Vlamen zu Belgien. Zwischen den germanischen Vlamen und den romanischen Wallonen geht die Stammcs- und Sprachgrenze gleichfalls bis auf die Karolingcrzeit zurück. Karl der Große hat einen Teil der von ihm unterworfenen Sachsen in die heutigen Niederlande verpflanzt. Noch heute läßt sich an der Leutsch-Holländischen Grenze, von Norden nach Süden aufeinander folgend, erst ein friesisches, dann ein nieder sächsisches, dann ein niederfränkisches sprachliches Uebergangs- gebiet verfolgen. Sier haben die jahrhundertelange politische Entfremdung und die Ausbildung des Holländischen zu einer eigenen Schrift- und Kultursprache ein germanisches Volks tum von Ler großen Masse des germanischen Mitteleuropas losgelöst.!, Dr. Paul Rohrbach.
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