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Str 154 Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 27. Dezember 1923 Seite 2. ständige» BtrsorgungNjjeSührmsse überwiesen werden. Die hiernach in Betracht kommenden Gebührmffe werben voraussichtlich in den letzten Tagen des Monats Dezember durch die Post ausgezahlt. Bei dieser Zrh- lung wrrden gleichzeitig diejenigen VirsorgungSgebühr- niste mitüöerwiesen, die für Monat Dezember nach den geschlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung der bisher geleisteten Abschlagszahlungen noch zu- ständig sind. Dresden, 24 Dczbr. (Gold mark kalkula- tion) Dis in Dresden versammelien mittleren Preisprüfungsstellen treten aus allgemeinen volks wirtschaftlichen Gründen und zur Vereinfachung der Preisüberwachung und Preisprüfung dafür ein, daß Handel und Gewerbe und Landwirtschaft unverzüglich zur reinen Goldmarkkalkulation übergehen. Sie halten es dementsprechend auch für notwendig, daß dis Aus zeichnung der Warenpreise nur noch in Goldmark geschieht Die Preisprüfungsstellen begrüßen die Erklärung der Spitzenverbünde der deutschen Wirt' schäft vom 8 Dezember 1923, nach der alle Zuschläge für Eeldentwertungvverfahren im Waren und Geld verkehr bei wertbeständiger Zahlung auszuschalten sind. Da die Währung stabil ist, erklären sie der artige Zuschläge für Preiswucher im Sinns der Preis- trelbereioerordnung vom 13. Juli 1923. Dresden. (Volksparteiliche Kultur anfragen) Landtagsabgeordnetsr Prof. Hickmann (DVP) hat dem Landtage folgende Anfragen ein gereicht: 1. Anfrage. Durch eine Verordnung des Volksbildungsministeriums ist eine Anzahl von Lese büchern und Lehrbüchern für Geschichte „wegen ihres zum Teil für die Schulen eines republikanischen Staates nicht geeigneten Inhaltes" verboten worden. Die von dem Verbote betroffenen Lehrbücher sind sämtlich im Unterrichte ausgezeichnet bewährt und werden von den Sachverständigen hoch bewertet Inwiefern sie für Schulen eines republikanischen Staatswesens ungeeignet sind, hat das Volksbildungs- Ministerium nicht nachgewiesen. Gleichzeitig werden die Lehrerversammlungen der höheren Schulen an gewiesen, alle noch im Schulgebrauch befindlichen Lesebücher, Geschichtslehrbücher und Liederbücher, auch wenn sie in der Verordnung nicht mit aufgeführt sind, einer gewissenhaften Durchsicht daraufhin zu unterziehen, ob sie für republikanische Schulen irgendwie ungeeignet sind. Lehrbücher sollen als ungeeignet beseitigt werden, wenn sie Kriegsschilderungen oder Stoffe spezifisch religiösen Inhalts enthalten. Hieraus ergibt sich, daß die Durchsicht nicht nach literarischen oder pädagogischen Gesichtspunkten vorgenommen werden soll, sondern daß gemäß einseitiger partei mäßiger Einstellung den Schülern der Zugang zu den Quellen religiöser und nationaler Kräfte ab geschnitten werden soll. Durch diese Verordnung wird neue Beunruhigung in das Leben der höheren Schule hineingetragen. Besonders muß die Androhung befremden, nach der die Lehrerversammlung dafür verantwortlich gemacht werden soll, wenn ungeeignete Bücher noch länger im Schulgebrauche belassen werden. Durch das Verbot bewährter Lehrbücher wird zudem nicht nur der Unterricht geschädigt, sondern werden auch die Eltern zu erheblichen Ausgaben genötigt, die sie in einer Zeit, in der die Beschaffung der Schulbücher ohnehin größte Schwierigkeiten bereitet, ablehnen. Ist das Wolksbildungsministerium bereit, dieses Verbot zurückzuziehen? — 2 Anfrage. Das Bolksbildungsministerium hat in letzter Zeit wieder holt bei Besetzung von Lehrstühlen der philosophischen Fakultät der Landesuniversität die Vorschläge der Fakultät nicht beachtet. So sind die Berufungen von Prof. Dr. Schneider und Prof. Dr. Hellmann in Widerspruch zu den Vorschlägen der Fakultät erfolgt, und bei Verhandlungen über die Besetzung des Lehr stuhls für Soziologie sind die Vorschläge der Fakultät unberücksichtigt geblieben. Wie begründet die Re gierung dies Verfahren, durch das die maßgebende Stelle des Sachverständnisses ausgeschaltet und das Ansehen der Landesunioersität beeinträchtigt wird? Ist die Regierung bereit, bei Berufung von Hoch schullehrern das Norschtagsrecht der Fakultät künftig zu achten? — 3 Anfrage Auf Grund von § 61 des Finanzausgleichsgesetzes hat das Reichsfinanz Ministerium der Regierung Reichsmittel zur Verfügung gestellt, die vorzugsweise zur Unterstützung von Prioaischulen bestimmt waren. Nachdem zahlreiche angesehene Privatschulen, die um Zuschüsse nachgesucht hatten, bei der Ausschüttung der Reichsmittel über gangen worden sind, wird die Regierung ersucht, darüber Auskunft zu erteilen, inwieweit an Privat schulen Zuschüsse gewährt worden sind und nach welchen Grundsätzen die Verteilung der Reichsmittel erfolgt ist. — (Die Verminderung der Zahl der bayerischen Ministerien) soll sich in der Weise vollziehen, daß es künftig nur ein Ministerium dr» «eußeren, de» Jnnrrn, der Justiz, der Finanzen und dr« Kultur geben wird. Die nach dem Krieg« ge schaffenen drei Ministerien für Landwirtschaft, sozial« Fürsorg«, sowie für Handel und Erwerbe sollen wieder aufgehoben werden. Di« Zahl der Abgeordneten soll so stark reduziert werden, daß der Landtag künf tig statt LL8 nur noch 80 bi« allerhöchsten« 100 Mit glieder zählt. / " DÄMMe NNNUch«. Deutsches Reich. — (Stresemann Pariser Gesandter?) Wie drr Berliner Korrespondent des „Eclairs" ver sichert, soll Stresemann die Absicht haben, sich al« deutscher Gesandter nach Paris zu SsgsSen. Berlin, 26. Dezember. Die deutsch«« Ärschäft«. träger in Paris und Brüffel haben bei ihrer neuen Weihnachirdemarche in Paris und Brüssel vom 24. Dezember die Vorschläge der ReichSregierung für dir Herstellung eine« Modus vivendi is den besetzten Ge bieten näher präzisiert. Wir bereit« von Ng««z!a, Haoa« und Agenze Belgin« gemeldet wurde, handelt e« sich dabei um die Frage des WirtfHaftsvrrkchrS de« besetzten Gebietes mit den uubssetzten Deutschland und mit dem Ausland«, um Geld und Währung«- fragen, insbesondere die Errichtung einer rheinisch- westfälischen Notenbank, um Fragen der Rheinschiff- fahrt und des Eisenbahnverkehr«, sowie endlich um Frag«« der allgemeinen Verwaltung und Grsetzr« gebung. Die beiden Geschäftsträger haben im An schluß an die Besprechungen dis RuMHnunF über diese Frage überreicht. Drr französisch« Minister präsident und ebenso der belgische Außenminister haben versprochen, die Aufzeichnung Zu beantworten, nach dem eine Verständigung zwischen Pari« und Brüflrl und soweit auch andere Rllierrm beteiligt seien, auch mit diesen erzielt sei. Frankreich. pari», 27. Dezember. (Die Vertreter zu den beiden Sachverständigenausschüssen offiziell ernannt. Di« Rkpko hat gestern nach mittag di« Mitglieder der beiden Sachverständigen» auSschüss« offiziell ernannt. Der erst« Ausschuß, dem die Prüfung des deutschen Staatshaukhalte« und die Stützung der Mark obliegt, ist wie folgt zusammen gesetzt: England: Sire Robert Kindersley, Direktor der Bank von England, Gir« Stamp Sekretär dir Nobelwrrke. — Frankreich: Der Verwalter der fran° zöstschen Hypothekenbank Parmentier, Alix Profeffor an der Pariser juristischen Fakultät. — Italien: Dr. Perrelli Industrieller, brr Profeffor an drr Univer sität von Bologna Flora. — Belgien: Hontat Ban kier und Abgeordneter, Esranoqui Etaatsminister und Bizegouverneur. Der zweite Ausschuß, der mit der Aufspürung der deutschen Auslandsguthaben beauf- kragt ist, enthält folgende Mitglieder: BsreiniM Staaten: Heinrich Robinson, England: Der frühere Reichschatzkanzler Mac Kenna, Frankreich: Atthalin Dtrkktor der Bank de Paris-Italien: Dr. Alberti zweiter Generaldirektor de« Kredits Jtaltano - Belgien: Janssen, Direktor der belgischen Nationalbank. Der erst« Ausschuß wird sich am 14. Jznuar versamMeln, d«r zweit« Ausschuß am 21. Januar. Amerika. Newyork, 24. Dezember, (Lieber zweiJahre unter russischem Terror, als 2 Monate an der Ruhr.) Der amerikanisch« Senator La Fol lett«, drr sich im Herbst in Deutschland aushielt, ver öffentlicht Über stine Rftfe jetzt Artikel in den ameri kanischen Zeitungen, in denen er zur Besetzung des Ruhrgebiet« außsührt: Die Besetzung der Ruhr durch Frankreich stellt «inen Bruch des Versaillsr Vertrages dar. Eins wichtige Rolls bei dem Versuche, den Seist der Ruhrbevölkerung mürbe zu machen, spielen di« Kriegsgerichte, di« funkierrn, als wenn «irre Arm«« im Felde stünde. Ihr Verfahren ist über jrdeS Maß hinaus willkürlich. Es gibt weder ein geregeltes Be weisvrrfahren, noch überhaupt eine festMrtzte Ver- Handlungsweise. Der Will« eines französischen Oist- zier« entscheidet über das Urteil. Der Terror der Kriegsgerichte wird noch vermehrt durch bi« Tätigkeit der geheimen Polizei, deren System daSsM« ist, wie oaz der russischen TschekaS. LiebeSwerke aller find in jeder nur erdmMchen, schikanösen Weis« gestört wordrn, zum Beispiel sind Medikaments für Kinder Hospitäler von dm französischen Zollbehörden unter mannigfachen Vorwänden zurückgrhalten worden. Milch wird so lange unterwegs angehalten, M st« ungenieß bar geworden ist. Oft sind Ausreise Erlaubnisse für tuberkulöse, alte oder gebrechliche Leut« verweigert wordrn, obwohl ihnen in einem Sanatorium außer halb der Ruhr hätte geholfen werden können. In einem von mir persönlich untersuchten Fall hat ein Untergebener den von einem höheren Offizier ausge stellten Schttn einfach zerrissen. Al« dagegm pro- »«stiert wurde, erwiderte «in junger französisch«« Leut nant: „Diese Deutschen müssen sterben. Sie können sich ja auch daran gewöhnen, im Ruhrgebiet zu ster ben.' Der Verfasser zieht hier auch dar Urteil einer Schwedin h»ran und erklärt: Ich bin in Rußland ge wesen und ich bin an drr Ruhr gewesrn, aber ich sage aufrichtig, daß ich lieber zwei Jahr« in Rußland unter Terror und Hungersnot leiden würde al« zwei Mo nat« an drr Ruhr. Griechenland. — (Venezielo« Rückkehr.) Man erfährt, daß VenezieloS sich am LV. Dezember nach Griechen land zurückbegeben wird. Er beabsichtigt, vorüber- gehend am politischen Lrbrn seine« Vaterlandes wieder trilzunehmen. Ein WtWlHlMch des ReiOWltts Um. Berlin, 26. Dez Der Reichskanzler Dr. Marx richtet durch Radiofur.kspruch «inen weihnachtsgrnß an das deutsche Volk, indem er zunächst d-m Auslands seinen Dank dafür ausspricht, daß es mit der Not des darben den deutschen Volkes Verständnis und Mitgefühl empfinde und noch Kräften zur Linderung ^er Not in Deutschland beiträgt Ec gedenkt weiter der deutschen Landsleute, dir heute noch in Gefängnissen schmachten, weil sie ihr Vaterland nicht verraten wollten, der Beamten und Bür ger, die aus ihren Wohnsitzen vertrieben wurden, sowie der Not des deutschen Mittelstandes, der Beamten, Ar beiter und der vielen Erwerbslosen und Kurzarbeiter im unbesetzten Deutschland und besetzten Gebiet. Beamtsn- sabbau und Erschließung neuer Steuerguellen seien die wenig erfreulichen Gaben, die dis deutsche Regierung dem Volke auf den Weihnachtstisch lege. Sie seien aber notwendia geworden, wenn der Staat gerettet werden soll Zu den inneren Maßnahmen aber müsse eine Gr ündung der deutschen Verhältnisse von außenhrr treten. Das deutsche Volk wolle Reparationen leisten nach Maß gabe seiner Kräfte, So lange aber Lie wirtschaftliche Arbeit unter dem Druck von Bajonetten stehe, so lange könne sie nicht erfolgreich und verdisnstbringsnd gestaltet werden. Seinen wsihnachtsgruß schließt der Kanzler mit folgenden Worten: „wir habm ernent unseren Willen zu ehrlicher opfervoller Verständigung bekundet Mit uns richten sich dir Augen ganz Europas, der ganzen Welt dorthin, wo es sich erweisen muß, ob auch auf der Ge genseite der aufrichtig« Wille zur Heilung der durch den Krieg und seine Folgeerscheinungen geschlagenen Wunden lebendig ist wir fin» ein besiegtes Volk, aber ein grs ßes Volk das leben will, weil es ein Recht auf Leben, Arbeit und Wohlstand hat! wir erwarten von der Gegenseite das offene ehrliche Wort der Bereitwilligkeit zur Verständigung, wir erwarten aber vor allem endlich eins Tat der Verständigung. Ls geht nicht nur um Deutschlands Not und Schicksal, es geht um den Frieden, um die Ruhe ganz Europas, wir Deutsch» wollen die Jähne zusammenbeißen und uns sagen, daß nur der ver loren ist, der sich selbst verloren gibt, wir wollen und müssen den Mut zum Leben behalten, wir müssen, ob arm oder reich, zur Tat werden lassen das Wort: Ar beiten und nicht verzweifeln I" Nit KoMfieruns marschiert — Mwärtsl Au» den „Mitteilungen des Deutschen Industrie- schntzverbandes". Di« sächsisch« Rtgierung legt jetzt dem Landtag« ' inen Gesetzentwurf vor, nach dem die sächsischen staat lichen Gtstnkohleu- und Braunkohlenwerkr, Elektrizi- rätSübrrlLndzentralen und Kohlenbaurechte an eint AMmgrsc-llsÄuft .Sächsisch« Wirke" übergrhm sollen. Sämtliche Aktien sollen im Besitze dr« sächsischen StaateS bleib«». Damit «§ mit der Sache ja recht rasch geht, ha! st« inzwischen, also noch ehe der Land tag Slrllung genommen hat, die Gründung der Aktiengesellschaft bereit« burchgesührt. Lie soll, wenn der Landtag nicht zustimmt, rückgängig gemacht wer den. Jedenfalls hat man es also ziemlich eilig. Begründet wird dir Vorlage damit, daß auf diesem Wegs die Gelder, die zum Ausbau der Werk« auf dis irr Aussicht genommene Leistungsfähigkeit er forderlich seien, leichter SrsHafft werden könnten, als wenn es sich um rein staatliche« Eigentum bei den Werken handele. Da« ist natürlich nur Finte. Denn Sri den vor noch nicht zu langer Zeit aufgelegten Lnleihrn für die Elektrizität«- und Kohlrnwer!« sand sine starke Uebsrzeichriung und vorzeitiger ZeiHnungs» schluß statt. (Vielleicht meint die Regierung, daß di« Kapitalbesitzer jetzt anderer Meinung sein könnten, nachdem inzwischrn bekannt geworden ist, wie der vuflofsms kommunistisch« Finanzminister Böttcher mit Staatsgeldern umzuspringen beliebte.) Dis Haupt- fache, wüLAMN man dis StaaL«bktrisbe in eins Ak- t-mgesellschaft umzuwandrln beabsichtigt, ist jrdsnfolls — darüber haben auch die früheren Vrrhaudlungsn im Landtag« über di« staatlichen sogenannten »wer senden* UrfternehwEgm krinsn Zweifel gelassen —, Laß auch der veröiffmstr Sozialdemokrat und Kommu nist inzwischen einsehen gelernt hat, dsß die privat- kapitalistische Bewirtschaftungswrisr der Bewirtschaf tung al« staatlicher Betrirb weit überlegen ist, daß dies« letztere unfehlbar zum wirtschaftlichen Untergange der Betriebs führt. Nur noch humoristisch kann rs wirken, wenn bei Besprechung der Vorlage ina Land- rage (der Vorlage «Iso, die von der Partei als Regte rang selbst eingebraHt ist) der Mg. Langhorst als Sprecher drr Sozialdemokraten erklärt: „Meine Frak' Uon wird dem Gesetz zustimmen, ohne den Gedanken preiszugeben, daß sich die kapitalistische Wirtschafts weise notwendig in ein« sozialistisch« umgestalten muß!" (Da- soll nur da« Blamable des ganzen Bor- gang» für di« Partei mildern und dir etwa noch gläubigen Genoffen b«ruhig«n.) Es ist ein böser Witz der Weltgeschichte, daß ausgerechnet da» Sozialisten, und Kommunisten - Paradies Sachsen sich so gänzlich vom Sozialifirrungrgedanken abwenden und dafür zum schroffsten Gegenteil, v«wirtschastung seiner eige nen Betriebe in der Form «in«r Aktiengesellschaft, also der höchstentwickelten Form privatkapitalistischer Be- triebSwris«, übergehen muß. Vor wenigen Jahre« roch hatte die sächsische Regierung ein« btsonder« Stelle