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Nr 142 Pulsnitzer Wochendratt — Donnerstag, den 29. November 1923. beite 2. Dr. Euno, der in dieser Auffassung mit ihm konform ging, zum Kanzler machen wollte. Er ist gewiß nicht gut, diese Erinnerungen aurzugraben, Schuld daran trägt aber nur der Retchrprästdent, wenn man jetzt einmal untersucht, bei welchen Selegenheitrn er schon früher seine Meinung gegen die des Reichskanzlers durchzusetzen versucht«. Er hat bisher nur erreicht, daß der Parlamentarismus sich gegen ihn durchsetzte und Herrn Albert zum Verzicht auf seine Kandidatur nötigte. Da» Spiel zwischen Reichstag und Präsidenten hat also der Präsident verloren. Wir sürchten, daß da» seinem Ansehen abträglich sein muß, ganz abg«. sehen von dm politischen Folgen, die au» der B«r- längerung der KabtneMkrtfiS entstehen können. standen zur Verfügung für Aerzt«, Apotheker, Heilver fahren, Hospitäler, Krankengelder an die Versicherten. Haben solche Institute noch Anspruch auf Existenz? Wir dl« Dinge zur Zeit liegen, kommt nur ein Viertel der immensen Verstcherungsgelder dem eigentlichen Zweck der Krankenkassen zugute, Drei Viertel aller Beiträge dienen dazu, den zahlreichen Angestellten die Gehälter zu sichern. Die Aerzt« und noch vielmehr di« Kranken haben da» Nachsehen. Ihr«« eigentlichen Zweck können diese Wohlfahrtseinrichtungen schlechter dings nicht mehr erfüllen. Nu» einer Einrichtung zur Wohlfahrt der Kranken und Versicherten sind sie ge worden eine Einrichtung zur Wohlfahrt der Angestell ten, nicht zum wenigsten der vielen sozialdemokratischen Agitatoren, die bet den Krankenkassen ein Pöstchen haben. Dresden. (Der Vertrag mit Rußland avgelehnt.) Die beiden HauShaltauSschüsse de» sächsischen Landtage» beschäftigten sich mit dem Vertrag, d«r von Sowjet-Rußland wegen der Gewährung eine» Brotkrebit» oorgelegt worden «st. Der Wortlaut de» Vertrag», der den Ausschüssen mitgeteilt wurde, soll vertraulich behandelt werden. Die Ausschüsse erklärten, daß der Vertrag so abgefaßt sei, daß er keine Vorteil« für Sachsen biet«. Sie gaben ihrer Verwunderung darübtr Ausdruck, daß Rußland glaube, auf diese Weise Sachsen helfen zu können. Die Ausschüsse lehn ten e» ab, die Regierung zu ermächtigen, einen solchen Vertrag abzuschLießen. Chemnitz. (DerRetnertrag einerWohl- tätigkeitskonzert» der Reich»wrhrkapelle.) Da» Jägerbataillon de» 10. Infanterie Regiments hat den Reinertrag eines WohltätigkeitSkonzerteS am 23 No vember 1923 abend» in Höhe von 192 Billionen 504 Milliarden Mark Herrn Oberbürgermeister Dr. Hübsch mann zugunsten der Notgemeinschaft der Stadt Chem nitz überwiesen, Plauen. (Racheakt erwischter Holz, diebe.) Bei Volpersdorf i. V. haben mehrere junge Burschen ans Langenbielau, die Holz stehlen wollten, einen Förster aufgelauert und ihn an einem einsamen Ort an einen Baum gebunden. Erst nach fünf Tagen fanden Landjäger, die nach dem Beamten suchten, den Unglücklichen besinnungslos. Es ist ge lungen. dis Täter zu ermitteln. Hohenstein-Ernstthal. (Selbsthilfe.) Um den Wucher auf dem Lsbensmittelmarkte einzudämmsn, haben verschiedene hiesige Fabrikbesitzer auf eigene Kosten den Bezug von Lebensmitteln übernommen, die dann zu billigen Preisen an die Arbeitnehmer abgegeben werden. — Infolge der unerschwinglichen Fleischpreise, die von den Fleischern in Lößnitz i. E. verlangt wurden, haben die Industriellen auf eigene Hand selbst Schlachtungen für ihre im Betrieb tätigen Raum-Bramten und Arbeiter vorgenommett. Der Erfolg war erstaunlich. Die Fleischpreise fielen Das Rindfleisch kostete in der vergangenen Woche pro Pfund nur 1,8 Billionen Mark. Leipzig. (Dr. Zeigner auf die Nerven total zusammsngebrochen.) Der im Leipziger Untersuchungsgefängnis sitzende ehemalige sächsische Ministerpräsident Dr. Zeigner hat heute einen totalen Zusammenbruch seiner Nerven erlitten. Frankeustei». (Der erste weibliche G«' meinvevorstand in Sachsen.) Hier wurde am Freitag mit Hilf« der sozialdemokratischen Stimme« Fräulein Frieda Bartsch, die bisher als Aushilfskraft un Gemeindeamt tätig war, »um Semeindeoorstand gewählt. Die Gewählte ist 28 Jahr« alt. Die So zialdemokraten verfügten über 6 Stimmen, die Bür gerlichen über 8, die sich, wie häufig, zersplitterten. Wertbeständiger Posttarif vom 1. Dezember ab. Dis Gebühren im Post- und Postscheckoerkehr werden zum 1. Dezember auf wertbe st ändige Grundlage in Rentsnmark gestellt, gleichzeitig ge* langen wertbsständigeFreimurken zur Aus gabe, bei denen dis aufgedruckte Zahl den Wert in Rentenpfennig darsteilt. Bei der zunächst noch 3«' gelassenen Bezahlung der Gebühren und der Frei' marken mit Papiermark werden die Rentsnmark- (Grund ) betrüge mit einem Umrechnungssatz vervielfach', der sich hierbei ergebende Betrag wird nötigenfalls auf volle Milliarden Mark aufgerundet. Die für die Vervielfachung anzuwendends Schlüsselzahl ist vorerst der Goldumrechnungssatz für Reichssteuern (die Steuermark), und zwar gilt der jeweils Montags bis Freitags bekanntgegebene UmrechnungS' satz immer für den ganzen folgenden Tag, der Um- rechnungssatz vom Sonnabend immer für die nächsten beiden Tage (Sonntag und Montag). Die jeweilig geltende Umrechnungszahl wird an den Postschaltern durch Aushang dekanntgegeben^ Die Umstellung anl wertbeständige Grundgebühren gilt auch für Briessendungen nach dem Ausland, für nachzu^-' hebende Beträge sowie für Nebengebühren. letzteren sind im allgemeinen wieder auf die Bo ' krtegszeit gebracht, eine Reihe von Gebühren, da unter die Einschreibgebühr für Wertsendungen, o> Einziehungsgedühr bei Psstaufträgen und NaA nahmen, die Gebühr für wiederholte Vorzeigung von Postausträgen und Nachnahmen, die Zuschlags gebühr für postlagernde Sendungen, die Posta"), gabegebühr für die gewöhnliche Abholung usw, st«" Bretnig. (Warnung vor Geldschwtnd- lern.) Bet einem hiesigen Bäcker erschienen dieser Tage zwei unbekannte Radfahrer und kauften Brot, wobei sie mit Notgeldschetnen der Sächsischen Bank bezahl ten. Später stellte sich heraus, daß dies« Schein« ge- fälscht waren. E» sind Etnmilltardenschein«, di« auf der vord«rseite in Rot, aus der Rückseite in Schwarz, druck mit der Aufschrift „Fünf Billionen' überdruckt find. Der eine der Schwindler ist 25 Jahr« alt, er trug Klemmer und schwarzen Umhang, der and«r< war mit feldgrauem Jackett bekleidet. Laußnitz. (Kriegerdsn kma! sweihe.) Ein Ehrenmal für die schweren Opfer, dis der Krieg 1914/18 auch aus der Gemeinde Laußnitz gefordert hat, wurde am Totensonntag hie« in feierlicher Weise enthüllt. Die Weiherede hielt Herr Pfarrer Skierl, Königsbrück. Herr Amtshauptmann Graf Vitzthum von Eästädt wohnte als Vertreter des Bezirks Kamenz dem ernsten Akt bei. — Das Denkmal selbst, das in der Nähe der Schule steht, bildet einen über 2 Meter hohen viereckigen, massigen, sich nach oben etwas ver. jüngenden Obelisk, der sich auf massigem Unterbau erhebt, oben simsartig mit etwas überstehender Platte abgedeckt ist, die sich in eine Spitze verjüngt Auf den 4 Seiten des Obelisken sind 56 Namen ein gehauen; 10 von ihnen haben im Jahre 1914, 11 1915, 4 1916, 12 1917 und 19 1918 den Tod fürs Vaterland erlitten; 2 davon sind als vermißt be zeichnet, ihr Verbleib konnte nicht ermittelt werden. Das Denkmal ist in heimischem blauweißsn Granit durch Bildhauermeister Beter ausgeführt; den Granit lieferte das Granitwerk Hohendahl Der Gesamteindruck des Denkmals ist ein ernster, würdiger. Stolpen. (Sch altstelle Stolpen) Nach der kürzlich erfolgten Vollendung und Inbetriebnahme des neuen staatlichen Hauptumspannwsrkes Rodewitz, über die wir berichten, ist nunmehr auch die Schaltsietts Stolpen für dis Stromlieferung von Rodewitz über Wehrsdorf — Langburkersdorf — Stolpen — Groß röhrsdorf — Pulsnitz ohne Anstände in Betrieb ge nommen worden. Außerdem wurde in Stolpen ein öffentliches Betciedsbüro der EMaizsntrale Pirna eingerichtet, in denen über alle Betriebs- und Jn- sjallations - Angelegenheiten, sowie über sonstige mit dem Stromdezug zusammenhängende Fragen Aus kunft und Rat eingehslt werden kann. Bautzen. (Geheimer Nat Dr. Hähnel gestorben.) Am 2L November ist nach längerem Krankenlager der Geheime Rat vr MI. ehrenhalber Rudolf Elwir Hähnel auf Kuppritz und Hochkirch bei Bautzen gestorben. Geheimrat Hähnel wurde am 3. März 183S in Radeburg geboren. Dis sächsische Landwirtschaft zählte ihn zu einem ihrer hervor ragendsten Vertreter. Seit 1872 war er Mitglied, 1903 wurde er Vorsitzender des Landeskulturrates. Auch am politischen Leden beteiligte er sich. So ver- trat er seit 1888 in der Zweiten Kammer als Mitglied der konservativen Fraktion den 4. ländlichen Wahl kreis, seit 1899 war er Vorsitzender der Finanz deputation L Großpostwitz. (Ein zweites Opfer des GroßpostwitzerEisenbahnunglücks.) Das schwere Eisenbahnunglück, das sich, wie schon ge meldet, am Freitag mittag am Uebergange der Tune« walder Linie über die Staatsstraße zwischen hier und Rodewitz, hat ein zweites Lotesopfer gefordert. Der schwerverletzte Fritz Schwaar aus Sohland, der mit dem sofort getöteten Easthofsbesitzer Pau! Beck auf dem Wagen saß und bei dem Unfall schwere Ver letzungen an Armen und Beinen erlitt ist noch am Freitag abend im Stadtkrankenhaus Bautzen, wohin er tl ansportiert worden war,, verstorben. Dresden. (Vorgehen gegen di« Sold- markspekulanten.) Da» Presseamt de» Polizei- Präsidium» teilt folgende» mit: In der letzten Zeit ist in der Tage»prefle wiederholt vor d«n Goldmarkspeku. lanten gewarnt worden. E» wird versucht, von Ar beitern, di« wertbeständig«» Geld bekommen habrn, diese» gegen Paptermark zum Teil zu höheren Kursen einzutauschen oder zu kaufen. Oft geschieht die» schon beim Verlassen der Arbeitsstelle. Die Arbeiter sind sich der Gefahr meist garnicht bewußt, der sie sich und ihr« Familie au»setz«n, wenn sie da» endlich erhaltene wertbeständige Geld, sei «» auch zu einem höheren Preise, gegen Papiergeld solchen Händlern überlassen. Bei der sich überstürzenden Markentwertung bleiben sie am Ende die Geprellten. Da» Wchrkreirkommando hat demzufolge angeordnet, daß solch«« Schädlingen am deutschen Volttkörper ihr unsaubere» Treiben ge legt werde. Die Polizeibeamten find angewiesen wor den, solche Aufkäufer und Wechsler festzunehmen. Dresden. (Die leistungsfähigen Kran kenkassen.) Der Meißner Zeitung' wird zu den Klagen der Ort»krankenkassen über ihre Leistung»»«, fähigkeit von befreundeter Seit« geschrieben: Kranken- lassen, die von ihren eigenen Beamten aufgefressen werden. Jüngst wurde bekannt, daß die Berliner Or1»krank«nkassen 73 «/, aller Einnahmen (Mitglieder- beiträgt) zur Aufrechterhaltung der Verwaltung (Ge hälter der Angestellten) verbrauchen. Di« Stuttgarter Ort»krankenkaflen haben in der Zett vom 5.—10. No- vrmber ea. 2000 Billionen Mark an Beiträgen usw. eingenommen. In der gleichen Zeit haben st« an Verwaltung»kosten (Gehälter an Angestellte) au»geg«- bm 1500 Billionen, also 75 «/,. Di« übrigen 2b °/« Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Pulsnitz. (Volksbildungsverein.) Mor gen Freitag (nicht Montag): Wolfgang Schu mann- Dresden: Wesen und Bedeutung der Parteien. Pulsnitz. (Polizei bericht.) Gestohlen wurde am 26. d. M. gegen */,6 Uhr nachmittag» vor einem Grundstück in hiesiger Stadt ein Herrenfahrrad, Mark« .Oppel', Nr. 451415, schwarzer Rahmen, gelbe mit schwarzen Streifen versehene Felgen, Komet - Fretlaus, guterhaltene, graue Continental-Gummibereifung, an beiden Setten der schrägen Verbindung»stange in weißer Schrift der Name ,Oppel', vernickelte Lenkstange mit schwarzen Summigriffen. Personen, welche hierzu sach dienliche Angaben machen können, wollen die» dem nächsten Gendarmerie - Posten oder der Polizeiwache melden. — (Der erste Schnee.) Nachdem die Tem peratur schon seit einigen Tagen unter den Gefrier punkt gefallen war, ist nunmehr Schneefall eingetreten. Als Begleiterscheinung war zunächst eine Milderung des Frostes zu verzeichnen. Kahlfrost aber kann be kanntlich den jungen Saaten leicht gefährlich werden. Nun, da eine ziemlich ansehnliche Schneehütte sie — noch dazu bei milder Temperatur — bedeckt, dürfen wir hoffen, daß ihnen der erforderliche Schutz vor Frost zuteil geworden ist Die schon lange auf den Wintersport gesetzten Hoffnungen werden nun in Erfüllung gehen. — (Was ein Weihnachtsbaum kosten wird.) Die Sorge darüber, ob man sich in diesem Jahre ein Tannenbäumchen wird leisten können, be- schleicht viele. Zweierlei Gründe, die Beschaffung d«r Bäume und die Preise, können diese Sorge auch nicht entkräften, denn es verlautet, daß die Händler, die sonst immer nach Bayern und dem Harz fahren, um Tannen zu kaufen, die teueren Reisekosten scheuen. Kostet doch ein Waggon Weihnachtsbäume von Bayern bi» nach Mitteldeutschland etwa 450 Billionen Mark Fracht! Soweit bisher zu übersehen ist, wird ein Tannenbaum danach durchschnittlich zwei bis fünf Goldmark kosten! — (Die Kirmes tage auf dem Lande) erreichten mit dem Anfang der vergangenen Woche ihr Ende. Sie waren durchweg ebenfalls von der Zeit mitgenommen, die auch auf diejenigen hemmend einwirkt, die vielleicht bis jetzt mit dem garstigen East Hunger noch keine Bekanntschaft zu machen brauchten. Zu allen Kirmesfeiern der Umgegend strömten die „Kuchensinger" Heuer in besonders großer Zahl auf das Land; manche taten sich sogar zu einem „Musikensemble" zusammen, mit Gitarre und Zither begleitung ihre Lieder singend, um Gaben zu erhaschen. — (Gefälschte 100-Billionenscheine in Umlauf.) Vor einigen Tagen ist einem Ge- schäftsmann in Freital ein gefälschter 100-Millionen- schein in Zahlung gegeben worden. Der Schein ist ein früherer 100 Millionenschein. Die Fälschung be steht darin, daß das „M" bei Millionen entfernt, und an dessen Stelle ein „B" gesetzt worden ist. — (Brotverbilligung für kinderreiche Familien) Die Gewährung von Reichsbeihilfen zur Brotverbilligung für kinderreiche Familien war bisher in Sachsen beschränkt auf Jndustriegemeinden bis zu 10000 Einwohnern. Diese Beschränkung ist nunmehr fortgesallen; es können also an alle Ge meinden solche Beihilfen gewährt werden. Soweit es die vorhandenen Geldmittel zulassen, können auch anderen Bedürftigen solche Zuschüsse gezahlt werden; eine Verzettelung der Mittel soll jedoch unter allen Umständen vermieden werden. — (Streut AscheaufdieBürger st ei ge.) Von amtlicher Seite wird uns mitgeteilt: Die Fuß wege sind auch ohne besondere Aufforderung vom Schnee zu reinigen und bei Glätte zu bestreuen. SSusnige werden sofort bestraft. — (Die Reichswehr verbleibt inSach- se n.) Das Wehrkreiskommando 4 teilt mit: Eine Mitteilung des „Vorwärts" besagt, daß bis 28. No vember der Abtransport der zur Zeit in Sachsen be- kindlichen Reichswehrverstärkungen beendigt sei. Die Nachricht trifft in dieser Form nicht zu. Bis jetzt sind aus dem Freistaat Sachsen einzelne Führerstäbe, Artillerie, Minenwerfer und Teile der Infanterie abbefördert worden. Es verbleiben jedoch noch auf unabsehbare Zeit genügende Kräfte in Süd- westsachsen. Ihre Aufgabe wird sodann die Hilfs polizei übernehmen, deren Aufstellung recht gute Fortschritte macht.