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S2KNNS K K Ach, wenn sie eS nur gewußt hätten, wie Juliane sich auf den Tod freute. Auch beklagte man di« arme Mutter, die Wohltäterin der Armen, ihres herben Kummer». Mehr, mal» hatte diese, wenn sie in die Krankenstube trat, be merkt, wie Julian« schnrll etwa» in ein« vor ihr stehend« Schatulle verbarg. S>« fragte nichtdanach, sie wußte e» ja, daß t» Emil» Locke war, die Juliane in unbewachten Augrnblicken an ihr Herz drückte. So war der 10. August de» Jahres 1817 hrrangekommen. E» war «in wunderschöner Sommertag .Mama," sprach Juliane, »heute hab« ich «ine richt groß« Bitte an dich. O, wie würde ich mich freuen, wenn du sie mir erfüllen wolltest." »Sern, von Herzen gern, wenn es mir möglich ist, mein Kind," sagte die Mutter, ,wa» wünschest du?" »Mama," sprach Iulian« lauter al» sonst, aber man merkte, daß sie sich anstrengte, »ich möchte noch einmal, ich wollt« sagen, ich möchte wieder einmal gern zur mater ckolorosa." »Beste Juliane, bei deiner Schwäch« ist da» garnicht möglich," entgegnete di« Mutter. »O, gtwiß, e» gtht," bat Julians, »der Hausmann trägt mich hinunter und fährt mich sodann i n Fahrstuhl nach dem Rissourcengarten und dann komm« ich schon, aus deinen Arm gestützt, zur water äolorosa," Juliane sah die Mutter so bittend an, daß diese den Blicken nicht zu widerstehen vermochte. »Ich werde da» nötig« besorgen," sagte die Frau Bürg«rm«tsterin und verlteß eilend» du» -immer. Sie wollt« ihrem Kind« di« Tränrn nicht zei grn, die jetzt unaufhaltsam au» ihren Augen flossen. „Ich weiß ganz bestimmt, e» geht über ihr« Kräfte, sie wird «» ein paar Tage lang werten und doch — ich kann ihr di« Bitte nicht v«rsag«n. Wer weiß, wie lang« «» noch dauert, dann —Di« arme Mutter konnte den Satz nicht voll«nd«n Si« brach in h«ftigr» Wtinen au», da» lange, lange anhielt. Al» sie wieder zu ihrer Tochter kam, fragte diese: »Mir war e», al» ob ich dich weinen hörte. Sieh, wenn ich deine Augen so gerötet sehe, muß ich immer denken, ich hab« dich mit etwa« betrübt. »Sorge dich nicht darum, liebe» Kind, wann willst du zur msier ckoloross, jetzt schon oder erst heut« Nachmittags" fragte di« Mutter. »Ach, bitte, jetzt gleich. Ich sehne mich sehr darnach, da» Kunstwerk wieder einmal sehen zu können," antwortete Juliane. Fürsorglich wurden all« Vorberet- tungen g«tross«n. Wohl wär« «» d«r Frau Bürgermei- stertn lieber gewes«», w«nn ihr Mann davon gewußt hätte, doch war e» ihr auch wieder recht, daß er«» nicht wußte, er hält« e» sicher nicht zugegeben. Manche» Auge blickte mit tiefstem Bedauern Juliane nach, al» sie langsam die inner« Zittauer Staß« hinabg«sahr«n wurd«. »Die sieht d«n Herbst nicht mehr. Wie schade um da» jung« Leb«n," flüsterte di«» und j«n«r, da» drn Dr«i«n beg«gn,t«. Ehr- erbirtigst grüßten alle. Juliane dankte mit glückseligem Lächeln. O, wie wohl fühlte sie sich heute, Sie versuchte sogar zu scherzen, al» fi« sah, wie eilsirtig der halblahm« Stadtsoldat von der Bank am Wachthause de» Zittauer Tori» aufstand, um den Damen seine Reverenz zu ma chen. Nach einer Weil« war man am Refsourcengarten angelangt. Julianen» Munde entfloh «in Seufzer. »Ist dir etwa», metnr Tochter?" fragt« di« Muttrr «rschrocken. »Er wird nicht da srin, und ich hätte ihn so gerne noch einmal hier gesehen, so gern noch einmal seine liebe Stimm« gehört. Mama, best« Mama, «rsülle mir noch drn einzigen Wunsch und laß meinen Emil holen," sagte Juliane und man merkte e» ihr an, wie schwer ihr da» Sprechen siel. Si« hatte doch ihre schwachen Kräfte über schätzt. Dir Sehnsucht nach dem ihr so wert grwordrnrn Orte, wo fi« ihr kurz«» Glück gesunden, hatt« ihr die Möglichkeit der »»»fahrt vorgetäuscht. Mühsam holte die Krank« »t«m, obwohl st« von der Muttrr und drm Hau»mann mehr grtragrn al» grführt wurde. »Kind, «» wird dir doch zuviel. Du hast dir doch zuvirl zuge- traut," klagt« die Mutter, al» fi« b«t d«r Meter ckoloross angekowmen waren und Juliane krasilo» auf die Bank gesunken war. (Schluß folgt.) Telepathische Todesvorahnung bei AinbekN. E» ist «ine häufig beobachtete, telepathische Erschei nung, daß irgendein« große Gefahr, die einer dem Me dium nahestehenden Person droht, von dem Medium in der Form eines Sristekbilde» oder einer plötzlichen Seslen- «rregung vorauSgeahnt wird. Dir betreffende Person, in deren Leben «ine entscheidende Wendung bevorsteht, be findet sich unter Umständen in einer Entfernung von vielen tausend Kilometern, und die Gefahr, die ihr droht, wird urplötzlich, vielleicht einige Augenblick« vor der Schicksalswendung, oder noch häufiger gerade in der Mi nute, in der die Gefahr eintritt, von dem Medium mit einer unheimlichen Sicherheit empfunden. Es wurden viele Fälle beobachtet, in denen der plötzliche Tod einer geliebten Person von Medien, di« sonst keinen Halluzi nationen unterworfen waren, unter Umständen empfunden wurd«, di« die Möglichtrit «ine» Zufälle« völlig au»- schließ«». Zwei brsonder» interessante Fäll« dieser Art haben sich in England und Amerika ereignet. Di« Me dien war«« in beiden Fällen kleine Kinder, die noch nie vom Tod« gehört haben und denen der Begriff de» Ster ben» völlig unbekannt war. Beide Fällt find von dem gelehrten Telepathen Gurmy, dem Verfasser de» interes santen Buche» „pkantas/s ok l.ivin§s", w'ssenschastlich beglaubigt. Die Gutsbesitzerin Frau Mure wollte ei»«« Sonn tag» gegen 11 Uhr ihr«n fünfjährigen Knaben ankletden, um mit ihm zur Kirche zu gehen. Da» Kind stand in der Mitte de» Zimmer« und schien durch da» grnster den Himmel zu betracht««. Plötzlich, ohne jede Erregung und auch ohn« irgendwelche» Zeich«« der Ueb«rraschung, wandt« sich der Knabe an seine Mutter und sagte ihr im gletchgültigsten Ton«: »Mama, Jenny ist tot". Frau Mur« fragt« ihn nun, von welcher Jenny er spräche, worauf da» Kind folgend« Antwort gab: »Ich m«!n« natürlich Jenny in Kapstadt, di« ist gestorben." Die Frau gab sich nun Mühe, von dem Kinde irgendeinen Grund für seine Behauptung zu erhalten. Doch vermocht« d«r Knab« nur das Gesagte zu wieder- holen. Die Jenny in Kapstadt war ein« Loufine dt» Kleinen. Sie war 16 Jahre alt und hatte früher in Edinburgh gewohnt. Zwei Monate vor drm fatalen Sonntag war fi« mit ihren Eltern nach Kapstadt au»- gewandert. Sir hing besonder« an dem kleinen Knaben, defftn ständige Spielgefährtin st« war. Frau Mure war von der Hartnäckigkeit und Bestimmtheit, womit da» Kind sein« Behauptung etwa zehnmal wirderholt«, über rascht. Ohn« drm Gesagt«» «in« groß« Bedeutung bei- zumester», v«rm«rkt« fi« Tag und Stund« de» Ereignisse». E« find einig« Wochrn vergangen, ohne daß Frau Mur« irgendein« Nachricht von den verwandten in Kap stadt erhalten hätte. Einen Monat nach dem schicksals schwer«« Sonntag kam nun dis traurige Nachricht au» Kapstadt, daß da» blühende Mädchen plötzlich gestorben sei. Ihr Tod war an jen-m Sonntag zur selben Stund«, in der die geschilderte Szene sich in Edinburgh abfpielt«, erfolgt. Sie hat»« sich am Tag« vorher -ine stark« Brandwunde zugezog«« und war nach zwölf Stunden ihren Qualen erlegen. Der zweite ähnlich« Vorfall trug sich in Newyork in drr Familie de» Kaufmann» Sh. B. Kurtt» zu. Frau — 2 - Kurtis weilte Sri ihren Verwandten in einem kleinen amerianischen Städtchen, da» etwa dreihundert Meilen von dieser Stadt entfernt liegt. In Newyork wohnte auch der Bruder der Frau Kurtt» mit seiner Familie, wozu auch der zwölfjährige Sohn David zählte. Eine» SamStag abend saß Frau Kurti» im Zimmer und er götzie sich an dem unschuldigen Geschwätz des dreijährigen Töchterchen» ihrer Schwester. Da» Kind spielte mit einer Pupp«. Plötzlich warf e» da» Spielzeug weg, lief zur Frau Kurtis und ries: »Tante, David ist ertrunken." Da man dem kleinen Mädchen sogleich keine Be achtung schenkte, wiederholte «» die Wort« »David ist gestorben." Die Tante glaubte nicht recht zu hören und fragt« di« Mutter, wa» da« Ktnd sagt». E» wurde nun befragt, wa» da» Wort »gestorben" eigentlich bedeut«; da» Ktnd vermocht« jedoch keine Antwort zu geben, da e» d«n Ginn d«» Worte» »gestorben" nicht einmal verstanden hatte. Man glaubte, da» Ktnd habe nur wiederholt, wa» «» von anderen gehört hatte. Zwei Stunden später traf au» Newyork ein Tel« gramm «in: »David abend» b«tm Schlittschuhlaufen ertrunken." °——— Dresdner Brief ——° In trauriger Zeit. Plauder! Wer kann noch plaudern, wenn schick- sal»schwer eine bttterharte Zett jede» Lächeln vom Munde, jede Schelmerei aus dem Stan stiehlt» Plaudern bedingt Frohmut, plaudern will kleinen Schäden einen Spiegel Vorhalten. Aber wer denkt wohl an Nebensächliche», w«nn e» um» Ganze geht? Wenn da» Leben, die nackte Existenz so vieler Menschen auf dem Spill« st«ht? Da null mir kein fröhlicher Plauderbrief gelingen, zwischen dessm Zeilen sonst wohl di« Teufrlchen einer heiteren Spottlust ihr Wesen trieben. Vitter ernst ist die Zeit! Hart greift sie di« Menschen an, daß die sich ratlo» an- schauen und um di« einfachsten Bedürfnisse de» Leben» bang««! Daß st« stehen bleiben, Fremde vor Fremden, sich anschau«« und fragen: ,Wa» tu« ich nun?' Di« Großstadt, — da» sieht man bei uv» in Der den — leidet viel schwerer in solcher Zeit, da schaut der Hunger un» an mit hohlen Augen! Angst um» täglich« Brot, «in Sink«« der Kräfte und de» Wollen»! Und am schlimmsten sind die Kinder daran. St« leiden bitter, tragen Schäden von solcher Zeit für ihr ganze» Leden, und leiden al» Unschuldig«! I« den Schul?« bitten Lehrer um Brot für die armen kleinen Wesen, di« mit leeren Magen zum Lernen kommen. Und wenn dte Not auch immer weitere Kreise zieht, «» sind noch Manche, di, geben können, nein, die zum Gebe« verpflichtet stad! Einige von diesen Glücklichen folgen dem Gebot« d«r Menschlichkeit, doch leider o«rfchließ«n sich noch viele mit den Worten: „So schlimm ist e» noch gar nicht!" Sie sehen dt« Not nicht, fie fühlen fi« nicht am «tg«nm Leib», und wälzen mtt solchem oberflächlichen Beurt«tl«n all« Pflichten w«it von sich. Ab«r wie bitter traurig klingt «», wenn kleine Kinder, die sich vom Beten unterhalten, zu einander so sprechen, wie ich «»Joor kurzem selbst g<- hört: Jo, zum Schluß sage ich immer: »Und laß un» nicht verhungern!" — Wir haben nicht so unser ktnd- liche» Gebet beschlossen, un» stand ja der Begriff unstill baren Hunger» fern! Wirbtkamm Zuck-rwerk, Schokolade und Leckerbissen b«i rtichlicher täglich» Kost. Wt« geht «» jetzt den Kleinen und Kleinsten? Sie können kaum ihre spärliche tägliche Mtlchration erhalten. Ein trauri ge», kraftlose» Beschlicht wächst un» heran! Dann unsere alte« Leut«! Man hat uns gelehrt, da» Alter zu schützen und zu ehren, und unser« Zeit läßt fie, di« ein ganze» Mensch«nleben für Familie und Staat gearbeitet, ein«» langsamen Hungertodes sterben! Gar still ist e» in Dresden geworden. Keine Musik erklingt, kein frohe» Lachen, wie sonst wohl. Und dunkel ist et schon am frühen Abend. Unerschwinglich hohe Gotpreis« gebieten Sparen, und wieder Sparen. Wie kriechen zeitig in» Bett und verschlafen unser« Sorgen, da» heißt, solange diese un» schlafen lassen. Wann wird sich diese Trübsal ändern? Sind wir über da» Schlimmste schon hinau», oder steht uns noch Schlimmere» bevor. Wer kann e» wissen? Aber gar so zag wollen wir nicht dretnschau««. Viel kann der Ein zelne dazu tu«n, um sich uno anderen den Mat zu stäh. len zum Durchhalten in schwerer Zttt. Wohl spricht jeder einmal gern die Sorg«« vom Herzen herunter, aber dann mag e» auch gut sein. In «inem traulichen Fami lienleben vergessen sich am leichtesten die Kämpfe der Außenwelt, und noch hab«« wir solch schöne Häukltch- leit««, wo «in» zum andern gehört, «in» da» andrrr stützt- Da läßt sich manche» ertragen, da ist man wie in einem schützenden Hafen, fühlt sich geborgen und froh. Auch di« Geselligkeit sollt« nicht ganz zu gründe gehen. Wie viele Vereine find schon im Lause der Zeit aufgelöst worden! Da» Gasthau»leben stellt ja viel zu hohe An forderung«« an die Grldscheintaschr. Und doch brauchen wir Ablenkung und Zerstreuung. Ein gastliche» Hau», dal an bestimmten Abend«« Freunden und Verwandten offensteht — gern bringt sich jeder sein Abendbrot selbst mtt — wo üb:r Tagr-fragrn gesprochen, Gedicht« oder klein« Erzählungen nörgelest« werden, auch wohl etwa» Musik und Gesang erklingt, sollte die» nicht möglich s«tn ? Bedrnkt, lieber Leser und liebe Leserin! Schöne Tage vergehen viel zu schnell für menschlicher Wünschen, aber böse Zrit vrrgeht auch und nach Regen folgt Sonnenschein! Regina Berthold. Von der Wahrheit, o» > 10 Von Wilhelm Herbert. Die meisten Mrnschen können ungeheuer viel Wahr heit vertragen — über andere. .Wenn ich die Wahrheit sagen darf" — so lautet eine sehr üble Redensart, um «ine Lüge rinzulriten. E» gibt nichts Edlere» und Notwendigeres, al» für Wahrheit und R-cht zu streiten — nur darf man sich dabei durch Niederlagen nicht abschrrcken lassen. Wahrheit ist für Gefellschaft»menschen meist gleich- bedeutend mit Grobheit. ,Wa« wahr «st, muß wahr bleiben," sagt gar man cher. Er gebraucht daher dt« Wahrheit möglichst wenig, um sie ja nicht abzunützen. Tmt« und Druckerschwärze tragen noch immer für viel« dt- Farbe der Wahrheit. Denn fi« sagen gerne zur Bekräftigung einer Behauptung: .Ich habe «» schwarz aus weiß gtlesen. Da» sollte man beim Schreiben nie ganz oergcflen. ,Wa» Si, sagen, ist unrichtig" . . . Da» ist «ine objektive Aeußsrung, die nicht al» «hrenkränkrnd« gilt. .Was Sie sagen, ist unwahr" . . . Da» gibt den sub jektiven Beigeschmack der Lüge. Manche» Mal ist «» schwierig, im Augenblick da» richtige Wort zu treff««. Der Vorsichtig« gibt daher am besten d«m anderen immer nach. »Ich rede immer di« Wahrheit." Wer da» sagt, lügt; denn jeder Mensch hat schwach« Augenblick«. .Ich r«d« ni« dte Wahrhitt." Auch wer da» sagen wollte, -3-